Im Keller des Gebäudes auf dem Dampfmühlenweg 7 wird Geschichte lebendig. Leisten von über 1.000 Kunden aus 70 Jahren Unternehmensgeschichte bahnen sich fein säuberlich ihren Weg durch das Gewölbe. Dazwischen stehen alte Pfaff und Adler Nähmaschinen wie verdinglichte Zeitzeugen eines uralten Handwerks. Als Hans Janßen, damals noch auf der Seiden- und Gladbacher-Straße, sein Geschäft für Fußorthopädie eröffnete, befand sich die seinerzeit neu geschaffene Bundesrepublik gerade einmal in den Anfängen des Wiederaufbaus. Das, was der Vater und Großvater in dieser Zeit aufbaute, wird heute von Enkelin Irina Eisenbach und Tochter Solweig Janßen-Eisenbach weitergeführt. Am 16. September feiert die Familiendynastie ihr 70-jähriges Bestehen. Ein Jubiläum, das ein inhabergeführter Betrieb heute nur noch selten begeht.

70 Jahre Fußorthopädie Janßen – Altes Handwerk von innovativen Köpfen

Will die Geschäftsinhaberin und Orthopädieschuhmachermeisterin Irina Eisenbach das Erfolgsrezept ihres Unternehmens über sieben Dekaden zusammenfassen, so wird die sonst so quirlige und eloquente 47-Jährige einsilbig. „Harte Arbeit“, platzt es dann aus ihr heraus. Ja, hart arbeiten, das mussten die Janßens und die Eisenbachs; und Schicksalsschläge hinnehmen. Alle Männer der Familie sind inzwischen tot. Vor allem Irina Eisenbachs Ehemann verstarb viel zu früh. Sein Tod riss eine tiefe Lücke in die Herzen der Hinterbliebenen und in die Unternehmensstruktur. Es ist der Hartnäckigkeit, Kompetenz und Stärke der Frauen zu verdanken, dass die Erfolgsgeschichte trotzdem weiterging. Hätte sich das Handwerk im Zuge einer sich rasant verändernden Gesellschaft nicht dazu entschlossen, sich auch für Frauen zu öffnen, wäre daran gar nicht zu denken gewesen. 1992 gehörte Irina Eisenbach zu den ersten Frauen, die ihre Gesellenprüfung bei der Innung für Orthopädie-Schuhtechnik ablegte. Und sie war nicht irgendeine Gesellin, sondern die beste ihres Jahrgangs. Ihrer Mutter Solweig blieb das Erlernen des Handwerks in den Sechzigerjahren leider noch verwehrt und so übernahm die inzwischen 69-Jährige den kaufmännischen Part, den sie bis heute innehat.

Doch es sind nicht nur die patriarchalischen Strukturen der Innung, die in den zurückliegenden 70 Jahren eine Wandlung erfahren haben, auch die Gründe für einen orthopädischen Schuh sind heute andere als in 1946. „Während mein Großvater vornehmlich Schuhe für Kriegsversehrte und für im Beruf verunglückte herstellte, sind es heute die Folgen von Diabetes, Rheuma und Schlaganfällen, die Menschen zu uns kommen lassen“, erklärt Irina Eisenbach, „Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen angeborenen und erworbenen Fehlstellungen. Zu den erworbenen zählen auch die typischen Ballenfüße von Frauen. Nicht selten ist diese Fehlstellung auf das Tragen hoher Schuhe zurückzuführen.“ So unterschiedlich jeder Maßschuh sein muss, um den jeweiligen Bedürfnissen des Trägers Rechnung zu tragen, so ähnlich sind die Arbeitsschritte hin zum Ergebnis. Zunächst wird ein Fußabdruck genommen und eine Negativ-Matrize erstellt, die als Grundlage zur Anfertigung des Leistens dient. Danach wird im Vakuumthermoverfahren ein durchsichtiger Kunststoff-Schuh angefertigt, der später zur Anpassung benötigt wird und Irina Eisenbach sofort erkennen lässt, wo unter Umständen nachgebessert werden muss. Passt der Leisten perfekt, wird um ihn herum der Schuh in seinen Einzelteilen angefertigt und später, wie beim Autobau, miteinander verheiratet. „Natürlich steht bei einem orthopädischen Schuh die Funktion absolut im Mittelpunkt, aber auch die Optik muss stimmen“, erklärt Eisenbach, „beides miteinander zu kombinieren, ist manchmal schon eine Herausforderung.“ Doch gerade dieser modische Aspekt sei besonders reizvoll.

Nachdenklich wird Irina Eisenbach dann, wenn sie an die Veränderungen im Gesundheitssystem denkt. „Leider zahlen die Krankenkassen kaum noch etwas oder zu wenig, gemessen an der Arbeit, die in ein solches Produkt gesteckt werden muss“, bedauert sie. Viele Kunden kaufen sich inzwischen Konfektionsschuhe und lassen sie später in der Schuh-Manufaktur bearbeiten. Und beispielsweise mit Einlagen versehen. „Das ist unser zweiter großer Geschäftszweig. Solche Maßnahmen sind natürlich nicht immer möglich. Menschen mit gravierenden Fehlstellungen kommen an einer Maßanfertigung gar nicht vorbei, aber vielen können wir mit diesem Verfahren helfen“, erklärt sie weiter und verweist auf Schuhreparaturen jeder Art, wie man sie vom Schuster kennt. „Das haben leider die wenigsten Leute auf dem Radar. Natürlich reparieren wir auch Schuhe ohne medizinische Indikation.“

Am 16. September feiert die Familiendynastie ihr 70-Jähriges Jubiläum

Das 70-jährige Bestehen von Fußorthopädie Janßen ist für Außenstehende zwar ein beeindruckendes Unternehmens-Jubiläum, für Irina und Mutter Solweig ist es allerdings viel mehr: Es ist die Erinnerung an geliebte Menschen, schwierige Zeiten, viel aufgewendete Kraft und ein Geschäft, das ein Stück weit die gesamte Entwicklung der Nachkriegsepoche spiegelt. Damit sich davon nun jeder einmal ungezwungen ein Bild machen kann, lädt Janßen am 16. September zum Tag der offenen Tür ein. „Wir möchten allen Interessierten gerne einmal aus der Nähe zeigen, was uns so den ganzen Tag beschäftigt. Dafür öffnen wir auch die Türen zu Werkstatt und Keller, wo die Leisten hängen. Für das leibliche Wohl wird unter anderem Bratwurst Paule sorgen“, erklärt sie.

Den gesamten September über erwartet die Kunden zusätzlich eine Vergünstigung bei Schuhreparaturen. Nur am Tag der offenen Tür selbst wird zudem ein Rabatt von 19 Prozent auf Lagerware der Berkemann-Schuhe genauso wie eine kostenlose und kompetente Fußberatung angeboten.

Besonders empfehlenswert ist natürlich die Begehung des Kellers. Dorthin, wo Geschichte lebendig wird.

Fußorthopädie Janßen, Dampfmühlenweg 7(an der Rheinstr.), 
47799 Krefeld, Tel.: 02151/29778