Auch nach dem Abbau des Bayer-Kreuzes im letzten Jahr beherbergt der Uerdinger Chempark weiterhin zahlreiche hochtechnisierte Chemieunternehmen, darunter als größten Arbeitgeber mit 1.700 Mitarbeitern die ehemalige Bayer-Tochter Lanxess. Das größte Geschäftssegment des global agierenden Spezialchemiekonzerns ist in Krefeld die Fertigung von anorganischen Farbpigmenten, die in Baustoffen, Farben und unzähligen anderen außergewöhnlichen und alltäglichen Objekten zum Einsatz kommen. Sie finden sich im Anstrich des Pariser Eiffelturms, den roten Bodenbelägen vor dem Londoner Buckingham Palace, aber eben auch in heimischen Radwegen. 280.000 Tonnen des verschiedenfarbigen Pigmentpulvers verlassen die weltweit größte und modernste Produktionsstätte jährlich – das entspricht einem voll beladenen LKW alle zwölf Minuten. Was in den kilometerlangen Rohren, fußballfeldgroßen Betriebshallen und haushohen Reaktoren vor sich geht, wissen trotz der hier produzierten Mengen jedoch nur wenige – obwohl es kein Geheimnis ist. Anlässlich des Jubiläums der Pigmentfertigung haben wir deshalb einen Einblick in jenen Ort erhalten, durch den die Welt bunter wird.

„Wir betreiben eine buchstäblich anschauliche Chemie, da unsere Produkte sichtbar sind. Wir sind die Farbe in der Farbe.“

Franz Mory

Sicherheitsingenieur Franz Mory

Unser Besuch beginnt mit einem gründlichen Sicherheitscheck. Ohne Genehmigung, Personalausweis und Sicherheitseinweisung darf niemand die Schranke des Chemparks passieren. Dahinter wartet ein gigantisches Labyrinth aus Straßen, Werkshallen, Bürokomplexen und Rohren – Orientierung für Besucher unmöglich. Inmitten dieser pulsierenden Stadt in der Stadt findet neben vielen weiteren Prozessen die komplexe und hochtechnische Fertigung von Bayferrox statt. Für die Farbpigmente ist seit 2008 der Krefelder Jörg Hellwig verantwortlich. Er leitet die Geschicke des Lanxess-Geschäftszweigs aus seinem Büro in einem fünfstöckigen Gebäude am Rande des Chemparks, in dem neben der Administration auch Labore für Forschung, Entwicklung und Kontrolle untergebracht sind. „Wir betreiben eine buchstäblich anschauliche Chemie, da unsere Produkte sichtbar sind. Wir sind die Farbe in der Farbe“, erklärt Hellwig, der mit seiner heutigen Position zu den Wurzeln seiner Karriere zurückgekehrt ist. Denn bevor er in unterschiedlichsten Führungspositionen für Bayer und andere Chemiekonzerne im In- und Ausland arbeitete, begann er seine kaufmännische Ausbildung hier im Uerdinger Werk. „Als ich nach vielen Jahren als Geschäftsbereichsleiter zurückkehrte, staunten viele der Kollegen, mit denen ich bereits in den Anfängen zusammen im Betrieb gearbeitet hatte, nicht schlecht“, erinnert sich der 51-jährige gebürtige Krefelder an seine Rückkehr und schaut aus dem Fenster auf den Chempark. „Auf den ersten Blick hatte sich im Werk auch optisch nicht viel verändert, doch innerhalb der Betriebe hat sich indes eine Menge getan. Wir haben unsere Effizienz durch gezielte Investitionen in die Digitalisierung und Automatisierung immer weiter gesteigert. Seit 2005 sind allein in die Pigmentfertigung rund 200 Millionen Euro geflossen. In den zum Teil historischen Gebäuden betreiben wir also hochmoderne Chemie.“ Gewaltige Investitionen, die dazu geführt haben, dass in Uerdingen heute die weltweit modernste Anlage ihrer Art steht und Krefeld dank Lanxess Weltmarktführer im Bereich der Farbpigmente ist.

„Als Rohstoffe dienen uns Reststoffe aus der metallverarbeitenden Industrie und Eisensulfat, ein Nebenprodukt der Stahlbeize.“

Was das bedeutet, lässt sich am besten bei einer Besichtigung der verschiedenen Betriebe nachvollziehen, die in die Produktion der Farbpigmente involviert sind und präzise wie ein Uhrwerk ineinandergreifen. Stilecht ausgestattet mit Helm, Schutzbrille und weißem Kittel werden wir von Franz Mory, dem Sicherheitsingenieur, zum Beginn der Produktionskette gefahren. Dort wartet die erste Überraschung, denn die Farbpigmente basieren ausschließlich auf Nebenprodukten anderer Industrien. Pigmente der Marke Bayferrox sind ein Recyclingprodukt. „Als Rohstoffe dienen Reststoffe aus der metallverarbeitenden Industrie und Eisensulfat, ein Nebenprodukt der Stahlbeize“, erklärt Mory, während wir vor einem gewaltigen Silo stehen, das mit einem Berg an Eisenschrott gefüllt ist. Ein magnetischer Kran transportiert den Eisenberg in einen riesigen 1.000 Kubikmeter fassenden Kessel. Dort reagiert eine mit Sauerstoff und Natronlauge angereicherte, aufgeheizte Mischung aus Eisensulfat und den Reststoffen – die Grundlage für alle weiteren Schritte. „Ein Ansatz braucht etwa 50 Stunden und erzeugt im Ergebnis eine Eisenoxidgelbsuspension, die dann weiterverarbeitet wird“, erklärt Manfred Eitel, Betriebsleiter des Synthese-Betriebs, der sichtlich bemüht ist, die komplexen chemischen Vorgänge in einfache Worte zu kleiden. Zahllose dieser Kessel unterschiedlicher Größe sind im mehrstöckigen Synthese-Betrieb verteilt, auf dem ein gelber oder schwarzer Pigmentschleier liegt. Über Stahltreppen und Stege bewegen wir uns vorsichtig und fasziniert vorbei an den unterschiedlich großen Reaktoren, in denen die gelben und schwarzen Ansätze brodeln, zum nächsten Schritt der Produktion – der Filterung.

Maschine, Gold, GelbAuf zwei großen Drehfiltern werden Salze aus der Suspension ausgewaschen. Das überschüssige Wasser wird mit dem gelösten Salz in eine Rinne gesogen und entfernt. Am Ende des Waschvorgangs bleibt ein schlammartiger Filterkuchen, der über eine Förderschnecke weitertransportiert wird. „Nicht nur unser Endprodukt ist ökologisch völlig unproblematisch. Auch das Wasser, das wir dem Rhein für verschiedene Prozesse entziehen, leiten wir anschließend sauberer als zuvor zurück in den Fluss, da wir über eine betriebseigene Kläranlage verfügen“, kommentiert Eitel den Produktionsschritt und führt uns in das Gehirn der Anlage, die Messwarte. Zwei Mitarbeiter überwachen und steuern hier an zwölf großen Bildschirmen mit Joysticks und Steuerkonsolen den komplexen Synthese-Prozess, während in einem kleinen angeschlossenen Labor fortlaufend Proben zum Zweck der Qualitätskontrolle analysiert werden. Aufgrund des Automatisierungsgrades, der in der Messwarte eindrucksvoll deutlich wird, sieht man im Betrieb selbst nur sehr wenige Mitarbeiter. „Was heute durch automatisierte Anlagen passiert, war früher kräftezehrende Handarbeit“, erläutert Franz Mory. „Die Größe der Belegschaft ist in all den Jahren aber konstant geblieben bei einer deutlich höheren Qualifikation der Mitarbeiter.“

Maschinen, RohreNach Synthese und Filterung der gelben und schwarzen Pasten, muss das Zwischenprodukt, das durch lange Rohre zu anderen Betrieben gepumpt wird, getrocknet werden. Den Rohren folgend, vorbei an der Werksfeuerwehr, die im Notfall innerhalb von drei Minuten eingreifen kann, fahren wir zum Trocknungsbetrieb. „Verlaufen kann man sich hier nicht“, scherzt Mory mit Blick auf die gelb, schwarz und rot gefärbten nebeneinander liegenden Trocknungsbetriebe für die jeweiligen Pigmentsorten. Während die gelben und schwarzen Filterkuchen über rotierende Scheiben per Zentrifugalkraft versprüht und durch entgegenströmende heiße Luft getrocknet werden, verwandeln Öfen einen Teil der schwarzen Pigmentmasse in rote. Das entstehende Trockengut, das im Fachjargon Klinker genannt wird, wird dann in verschiedenen Mahlverfahren auf die benötigte Größe und Beschaffenheit gebracht.

Farbe, Steine„Abschließend müssen die verschiedenen Pigmenttypen nach Farbe, Gewicht und Anwendung konfektioniert und gelagert werden. Bis zu 900 Tonnen Produktionsvolumen am Tag erfordern auch einen immensen logistischen Aufwand“, erläutert Mory und führt im Konfektionierungsbetrieb vorbei an Fließbändern und Roboterarmen, die das fertige Pigmentpulver im Sekundentakt in individuell angepasste Gebinde füllen und auf Europaletten stapeln – ein faszinierend präzises Schauspiel. Einmal verpackt, müssen die riesigen Mengen an Bayferrox dann zwischengelagert werden, wofür ein 14-stöckiges voll automatisiertes Blocklager genutzt wird. „Kein Mensch hat hier so einen Überblick wie das Computersystem“, erläutert der Sicherheitsingenieur, während automatisierte Wagen über Schienen durch das gigantische Lager sausen und Europaletten mit Bayferrox anliefern oder abholen. „Das System lagert chaotisch ein und dadurch platzsparend und effizient“, schildert Mory weiter. „Die Europaletten haben einen individuellen Code, den der Computer kennt. Dadurch weiß das System immer, wo welche Palette gelagert ist und sucht sich den kürzesten Weg.“ Hinter dem Blocklager endet die Produktion mit der Übergabe an die Speditionen, die per Zug oder LKW täglich unvorstellbare Mengen Farbpigmente aus dem Uerdinger Werk abholen.

Jörg Hellwig

Geschäftsbereichsleiter Jörg Hellwig

Am Ende unserer Besichtigung sind wir noch einmal im Büro von Jörg Hellwig. „Krefeld ist der Ursprung, und Krefeld bleibt für uns das Herz“, sagt der sympathische Chef der Farbpigmente, der sich klar zum Standort bekennt: „Für den Wettbewerb um die Talente dieser Welt brauchen wir ein schönes, aber auch schlagkräftiges Krefeld; gleichzeitig braucht die Stadt Investitionen und Steuereinnahmen. Eine Partnerschaft, die insbesondere mit dem amtierenden Bürgermeister bestens funktioniert.“ Doch auch außerhalb der Betriebe leistet der Chemiekonzern viel für Krefeld: 45 Krefelder Schulen wurden in den vergangenen Jahren mit einer Summe von rund 500.000 Euro gefördert, Schulklassen besuchen regelmäßig das Werk. Darüber hinaus engagiert sich der Konzern in der Flüchtlingshilfe und als Kooperationspartner des Kinderheims Marianum. Mit Lanxess hat Krefeld nicht nur einen großen Arbeitgeber als starken und engagierten lokalen Partner, sondern auch einen Weltmarktführer, dessen Erzeugnisse vom Uerdinger Chempark aus in die ganze Welt verschifft werden – ein echtes Alleinstellungsmerkmal, auf das man als Krefelder durchaus stolz sein kann.

LANXESS AG, Rheinuferstraße 7-9, 47829 Krefeld,
Telefon: 02151-888880 / -88993
www.lanxess.de