Schlendert man durch die Krefelder Stadtteile Cracau und Bockum, so wird sofort klar, warum sich die Seidenstadt und ihre Bewohner glücklich schätzen können, dass so viel Bausubstanz den zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hat oder weitestgehend rekonstruiert werden konnte. Gleichzeitig zeugen diese Viertel von einer architektonisch lebendigen Vergangenheit mit ornamentenreichen Jugendstilhäusern und prestigeträchtigen Bauhausvillen.
Auf der Grenze von Cracau zu Bockum findet sich jedoch ein Gebäudekomplex, der weder in die eine, noch in die andere architekturgeschichtliche Stilschublade geschoben werden möchte. Mit rotem Backstein und klaren geometrischen Grundrissen verweist er auf Mies van der Rohes Haus Lange und Haus Esters, der Zierrat an den Fassaden und die Rundbögen der Eingangstüren hingegen atmen noch Luft des Jahrhundertanfangs: Die Rede ist vom ersten Abschnitt der Paul-Schütz-Straße mit den zweigeschossigen Einheiten der Hausnummern 1 bis 16 sowie den dreigeschossigen und wie Toreinfahrten anmutenden Eckhäusern der Grenzstraße 137 und 147 bzw. Gneisenaustraße 80 und 86. Anfang der 1930er-Jahre als Auftragswerk des zu der Zeit einflussreichen Deutschen Evangelischen Volksbundes vom Krefelder Architekten Arnold Esch konzipiert, ist die Architektur des Gebäudekomplexes als Aufbegehren gegen den puristischen Modestrom Bauhaus zu verstehen und das Integrieren überholter Ästhetik Merkmal der Interpretation expressionistischer Ideen. Bereits nach ihrer Fertigstellung galten die Wohnungen als erstklassig und wurden von wohlhabenden und gut situierten Bürgern bewohnt.
Als ein schwedischer Immobilienfonds die Anlage vor etwa drei Jahren veräußern wollte, entschloss sich die städtische Tochtergesellschaft der „Wohnstätte Krefeld“ deren Ankauf und Renovierung zu realisieren. „Der Preis betrug sechs Millionen Euro, weitere drei Millionen Euro als zusätzliche Investitionskosten kamen hinzu. Mit rund 1.700 Euro pro Quadratmeter ist dies immer noch günstiger als ein Neubau, somit erwies sich das Vorhaben nach einer Hochrechnung als wirtschaftlich für die Wohnstätte Krefeld“, berichtet Thomas Siegert, Vorsitzender der Wohnungs-Aktiengesellschaft. „Darüber hinaus hat das Ensemble einen für uns interessanten Standort“, ergänzt Prokurist Peter Schwarz, „bislang hatten wir in Bockum keine Wohnungen. Wir konnten den Bestand sichern, was sich auf Dauer für Stadt und Bewohner auszahlen wird.“ Dass Arnold Eschs Komplex für die Wohnstätte mehr ist als nur ein Vorzeigeprojekt, lässt sich aus dem Enthusiasmus ablesen, mit dem die Verantwortlichen vom Bauprozess berichten, der nicht ohne Rückschläge vonstattenging. „Was wir realisieren, möchten wir so realisieren, dass der Bewohner sich wohl fühlt, obwohl wir das Objekt als Produkt sehen. Eine langfristige Mieterbindung und wenig Fluktuation heißt für uns weniger Instandhaltungs- und Verwaltungskosten. Daher haben wir die Kundensicht immer im Blick“, berichten sie. Auch, dass sie ihren Mietern viel abverlangen mussten, ist ihnen bewusst, denn die Renovierung erfolgt im bewohnten Zustand. „Als Vermittler und Betreuer hat unser Mitarbeiter Stefan Paveo viel zu tun“, bemerkt Thomas Siegert. „Aber unsere Mieter wissen zu schätzen, in welchem Kleinod sie wohnen.“ Die insgesamt 65 Wohneinheiten und zwei Gewerbe haben funktionale und daher auch heute noch topaktuelle Grundrisse. In der erforderlichen und richtigen Denkweise der Wohnungsgestaltung besteht eine Verbindung zwischen der Bauphilosophie von 1930 und den Ansprüchen der „Wohnstätte Krefeld“, die großen Wert auf die nachhaltige und dauerhafte Bewirtschaftung ihrer Immobilien legt.
„Auf der Grenze von Cracau zu Bockum findet sich jedoch ein Gebäudekomplex, der weder in die eine, noch in die andere architekturgeschichtliche Stilschublade geschoben werden möchte. Mit rotem Backstein und klaren geometrischen Grundrissen verweist er auf Mies van der Rohes Haus Lange und Haus Esters, der Zierrat an den Fassaden und die Rundbögen der Eingangstüren hingegen atmen noch Luft des Jahrhundertanfangs.“
Aufwendige Sanierungsarbeiten nach Denkmalschutzvorgaben
Die Sanierungsarbeiten begannen vor anderthalb Jahren mit den hinteren Fassaden und der Beseitigung von bauphysikalischen Problemstellen in den Kellern. Gut 750.000 Euro wurden für das Einsetzen neuer Fenster mit Holzrahmen nach den Vorgaben des Denkmalschutzes ausgegeben. Thomas Siegert und Peter Schwarz betonen die hervorragende Zusammenarbeit mit der Denkmalbehörde, wenngleich diese auch zu großen Verzögerungen geführt habe. Für die Reinigung der der Straßenseite zugewandten Fassade sowie deren Neuverfugung mussten insgesamt sechs verschiedene Muster angefertigt werden bis alle Bedenken ausgeräumt und ein Reinigungskonzept gefunden wurde, der die Struktur der Backsteine nicht schädigt. Um diese Arbeiten umfassend durchzuführen, wurden die Beete in den Vorgärten entfernt, die individuell bepflanzten Gärten konnten hingegen erhalten bleiben. Im Frühjahr 2017 soll die Sanierung abgeschlossen sein. Die Miete beträgt zwischen 7,50 Euro und 8,50 Euro pro Quadratmeter und ist damit für die Verhältnisse der Wohnstätte hochpreisig, jedoch angemessen für den zeitlos-funktionalen, architektonisch hochwertigen Bestand. Jede Kommune wisse den Wert einer kommunalen Wohnungsbaugenossenschaft zu schätzen, berichten die Projektleiter. In Krefeld habe die Akzeptanz bereits früher eingesetzt als andernorts, letztlich sei die Stadt Inhaberin von siebzig Prozent der Aktienanteile und damit größte Nutznießerin der Dividendenausschüttung. „Mit solchen Projekten sichern wir Nachhaltigkeit und Krefeld als attraktiven Wohnstandort.“, erläutert Thomas Siegert. Peter Schwarz ergänzt lachend: „Und da sind wir auch stolz drauf!“

Peter Schwarz, Stefan Paveo und Thomas Siegert
„Die Sanierungsarbeiten begannen vor anderthalb Jahren mit den hinteren Fassaden und der Beseitigung von bauphysikalischen Problemstellen in den Kellern. Gut 750.000 Euro wurden für das Einsetzen neuer Fenster mit Holzrahmen nach den Vorgaben des Denkmalschutzes ausgegeben.“