Wenn geteilte Liebe ein neues Zuhause schafft
Julian und Vivian sind schon ganz aufgeregt. In einigen Monaten werden sie ein zusätzliches Geschwisterchen bekommen. Das Zimmer wird langsam eingerichtet und die Kids haben schon ein Willkommensschild an die Tür gepinnt. Anders als in anderen, klassischen Familien, ist Vivians und Julians Mama allerdings nicht schwanger: Gemeinsam wird die Familie Berger ein Pflegekind annehmen. Lange haben sie überlegt und letztendlich eine Entscheidung getroffen: In Deutschland gibt es unzählige Kinder und Jugendliche, die aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht mehr bei ihren leiblichen Familien leben können. Vor allem für noch sehr kleine Kinder ist die dauerhafte Unterbringung in der Familie die schönste alternative Lebensform, die in ihrer Situation denkbar ist. Die Familie Berger möchte nicht nur einem Kind eine neue Heimat schenken, sondern freut sich auch darauf, ihre Familie durch ein Mädchen oder einen Jungen zu ergänzen.
Es ist rund fünf Monate her, dass Brigitte Berger einen Artikel in der Zeitung gelesen hat. „Dort stand, dass der Kastanienhof in jedem Jahr rund 80 Kinder ablehnen muss, weil er keine Unterbringung in einer Pflegefamilie findet“, erzählt sie. „Das hat mich geschockt und ins Nachdenken gebracht. Uns geht es gut, wir lieben Kinder und wo Liebe für zwei Kids ist, haben wir auch Kapazität für ein drittes.“ Mit ihrem Mann spricht die 42-Jährige zuerst, anschließend mit dem 6-jährigen Julian und der 10-jährigen Vivian. „Das Wichtigste ist natürlich, dass wir uns alle damit wohlfühlen, denn wenn wir ein zusätzliches Familienmitglied haben, geben wir es natürlich nicht mehr ab“, führt sie fort.
Nach den Familienkonferenzen nimmt das Ehepaar Kontakt zum Kastanienhof in Krefeld auf. Mit mehr als 70 Dauerpflegefamilien und rund 35 Bereitschaftspflegefamilien ist der Kastanienhof ein namhafter Träger in der stationären und ambulanten Jugendhilfe am Niederrhein. Unkompliziert per Telefon wird ein erstes Kennenlernen verabredet, bei dem das Ehepaar alle offenen Fragen klären kann „Für uns war zum Beispiel wichtig, ob garantiert ist, dass das Kind für immer bei uns bleibt“, erklärt Bernd Berger. „Auch über den Kontakt mit den leiblichen Eltern wollten wir mehr wissen.“ Als Ansprechpartnerin beantwortet Sarah Haurand alle Fragen des Ehepaares: Es gibt keine Garantie, dass ein Kind für immer bei einer Dauerpflegefamilie bleibt, allerdings sei eine Rückführung nur sehr selten möglich und die Entscheidung, ein Kind dauerhaft in einer Familie unterzubringen, falle gewissenhaft und gut überlegt. „Anders ist es mit dem Kontakt zu den leiblichen Eltern“, erklärt Haurand weiter. „Diesen wünschen wir uns, denn er ist wichtig für das Kind. Von unseren Familien erwarten wir einen respektvollen Umgang mit den Eltern, egal, was in der Vergangenheit vorgefallen ist.“

Als Bereichsleisterin hat Sarah Haurand den besonderen Blick: Die Sozialpädagogin und ihr Team vermitteln Kinder in Bereitschaftspflege- und Vollzeitpflegefamilien
Jedes Kind hat eine Geschichte und es gibt immer schwerwiegende Gründe dafür, dass das Jugendamt sich dafür entscheidet, ein Kind aus der leiblichen Familie zu nehmen. „Unsere Kinder haben tolle Qualitäten, aber es besteht eben auch ein Risiko für zum Beispiel Entwicklungsschwierigkeiten“, erklärt Haurand. Deswegen seien Aufklärung und die Vorbereitung auf das Pfle-gekind besonders wichtig: Neben Hausbesuchen und Biografiearbeit der eigenen Familie gibt es Schulungstage, an denen zum Beispiel auch der Umgang mit Traumata besprochen wird.
Über all das ist sich die Familie Berger bewusst. Sie hat das Versprechen gegeben, für das ihnen anvertraute Kind gut zu sorgen, es zu lieben und mit allen seinen Schwierigkeiten aufzunehmen. „Wir wissen ja auch, dass wir hier im Kastanienhof zu jeder Zeit einen Ansprechpartner haben, der sich mit uns freut, wenn es gut läuft, aber eben auch für uns da ist, wenn Probleme auftreten“, betont Bernd Berger. „Darauf vertrauen wir.“
Seit einigen Wochen befindet sich die zukünftige Vollzeitpflegefamilie in Kontakt mit Petra und Achim Steeger und mit Pit, zwei Jahre alt. Das Ehepaar Steeger gehört auch zum Team des Kastanienhofs, allerdings als Bereitschaftspflegefamilie. Anders als die Familie Berger war für sie klar, dass die Familienplanung schon abgeschlossen ist. Nur temporär, manchmal nur für wenige Tage und häufig auch für einige Monate, nehmen sie vorübergehend Kinder bei sich auf. Kindeswohlgefährdung macht es notwendig, dass diese Kinder schnell und kurzfristig ein Zuhause auf Zeit bekommen. „Auch hier sind wir immer wieder auf Familien und Ehepaare angewiesen, die sich vorstellen können, zu unseren Bereitschaftspflegefamilien zu gehören“, schildert Sarah Haurand aus dem Kastanienhof. „Anders als in der Dauerpflege, in der beide Eltern berufstätig sein können, ist hier wichtig, dass ein Elternteil dauerhaft zu Hause bleibt. Denn unsere FBB-Kinder sind oft sehr jung und brauchen viel Zuwendung.“
Pit ist vor sieben Monaten zu Petra und Achim Steeger gekommen. Während Petra tagsüber im Büro sitzt, kümmert sich der 55-jährige Achim um ihn. Zwei Mal in der Woche bringt er ihn zum Besuchskontakt mit den leiblichen Eltern, der von Fachkräften begleitet im Kastanienhof stattfindet. Er geht mit ihm auf den Spielplatz, fährt ihn zur Ergotherapie und besucht auch immer wieder andere Bereitschaftspflegefamilien. „Pit ist unser achtes Pflegekind. Jedes Kind gewinnt unser Herz und obwohl wir von Anfang an wissen, dass wir es wieder abgeben, wenn seine Perspektive geklärt ist, heißt das nicht, dass es uns nicht weh tut“, legt Steeger seine Gefühlswelt frei. „Der Kontakt mit anderen Bereitschaftspflegefamilien hilft uns, das zu verarbeiten. Am Ende bereichert uns das Gefühl, dass wir Kindern wie Pit in einer für sie schlimmen Zeit zur Seite stehen konnten.“
Auch Pit wird bald die Familie Steeger verlassen, denn er wird der neue Bruder von Vivian und Julian werden. Sieben Monate lang dauerte die Klärung, um die Entscheidung zu treffen, dass der Zweijährige perspektivisch nicht zu seinen leiblichen Eltern zurückkehren kann. „Das ist der Moment, in dem wir danach schauen, dass Pit ein Zuhause findet, das zu ihm dauerhaft passt“, schildert Haurand. Mit der Familie Berger wird das gut klappen, ist sie sich sicher: „Wir haben nicht für die Bergers ein Kind gesucht, sondern für Pit eine neue Familie. Jetzt freuen wir uns darauf, dass Pit in einem stabilen Umfeld, das von Liebe, Vertrauen und der Versorgung, die er braucht, geprägt ist, erwachsen werden kann.“
Der Kastanienhof in Krefeld sucht dringend nach Männern, Frauen und Ehepaaren, die sich vorstellen können, als Bereitschaftspflege kurzfristig Kindern ein Zuhause auf Zeit zu schenken und auch Dauerpflegefamilien, die sich ein neues Familienmitglied wünschen.
Alle Informationen finden Sie im Internet unter www.pflegekinder-kastanienhof.de
Telefonisch steht Ihnen das Team der Bereitschafts- und der Vollzeitpflege unter 02151-507 31 0 zur Verfügung.