Nicht zuletzt durch den medial stark repräsentierten Internationalen Frauentag im März und die wachsende Feminismus-Bewegung der vergangenen Jahre wurde in jüngster Zeit mit vielen Geschlechterklischees aufgeräumt und gegen diverse Ungleichheiten Einspruch eingelegt. In manchen Köpfen halten sich abgedroschene Phrasen wie „Frauen können nicht einparken“ oder „Männer sind bessere Chefs“ allerdings noch immer beharrlich. Bianka Nilges widerlegt beide Behauptungen. Die Krefelderin ist Fahrlehrerin aller Klassen, Inhaberin einer eigenen FahrAkademie mit achtköpfigem Team und gleichzeitig Mutter zweier Kinder. Wir treffen sie an einem späten Mittwochnachmittag in den Räumlichkeiten ihres Unternehmens an der Petersstraße. Rein optisch entspricht die zierliche blonde Frau, die uns in maßgeschneidertem blauen Blazer und Pumps lässig an der Empfangstheke empfängt, rein gar nicht dem Rollenklischee eines Auto-Geeks. Doch das täuscht.

 


„Mal sitze ich im Golf, dann wieder im Lkw, danach gebe ich eine Motorradstunde, und abends folgt Theorieunterricht. So gibt es nie eintönige Tage.“

 

Bianka Nilges bildet neben Pkw- auch künftige Lkw-, Bus-, Gabelstapler und Motorradfahrer aus. In der Bundesrepublik stellt sie damit eine Seltenheit dar, in Krefeld ist sie die einzige Fahrlehrerin, die auch im Großfahrzeugbereich tätig ist. Ursprünglich hatte die Unternehmerin gar nicht vorgehabt, ins Fahrgeschäft einzusteigen. „Ich habe als Studentin einen lukrativen Nebenjob gesucht. Ein Freund schlug mir vor, doch Fahrlehrerin zu werden. Das habe ich dann einfach ausprobiert, und es hat mir total Spaß gemacht“, erinnert sie sich. Damals, mit knapp 20 Jahren, war sie die jüngste Fahrlehrerin Deutschlands. Die Unterrichtsstunden im Pkw reichten Bianka Nilges allerdings nicht lange. Einmal vom Motorenbrummen angetan, suchte die junge Frau immer wieder nach einer Erweiterung ihrer Fähigkeiten. Heute ist sie nicht nur Fahrlehrerin, sondern auch als psychologische Beraterin für sogenannte MPUs tätig, gibt Aufbauseminare für Fahranfänger und lehrt als Ausbildungsfahrlehrerin die nächste Generation ihres Berufszweigs. „Stillstand mag ich nicht“, lacht sie. Durch ihre umfangreiche Ausbildung habe sie heute stets viel Abwechslung im Beruf. „Mal sitze ich im Golf, dann wieder im Lkw, danach gebe ich eine Motorradstunde, und abends folgt Theorieunterricht. So gibt es nie eintönige Tage“, findet Nilges. „Ich lerne einfach unheimlich gerne dazu. Bevor ich etwas oberflächlich mache, lasse ich es lieber. Ich bin wohl der klassische ‚Alles oder nichts‘-Typ.“ Wenn jemand behauptet, Frauen könnten nicht Auto fahren, verdreht Bianka Nilges nur amüsiert die blauen Augen. „Das sehe ich ganz anders“, ist ihr nüchterner Kommentar dazu.

Bianka Nilges ist Fahrlehrerin aller Klassen

„Ich wurde sehr selbstbewusst erzogen. Meine Eltern haben mir nie gesagt, dass ich etwas nicht machen kann, weil ich ein Mädchen war. Ich habe auch schon als kleines Kind mit Autos gespielt und fand alles mit Motoren super spannend“, erinnert sie sich. Am Steuer ist die 41-Jährige ruhig, besonnen und sicher. Dennoch fällt es schwer, sich die zierliche kleine Frau am Lenkrad eines gigantischen Lastwagens vorzustellen. Entsprechend stößt Nilges oft auf Überraschung, wenn sie vor Berufsfahrern und Kollegen aus der Fahrerkabine steigt. „Klar, manchmal sehe ich wie die anderen Kraftfahrer, denen ich begegne, große Augen machen. Manchmal sprechen sie mich auch darauf an. Das ist aber fast nie vorurteilsbehaftet. Im Gegenteil, ich erfahre sogar viel Anerkennung. Ganz selten kommt es mal vor, dass jemand mich austesten will. Sobald die Leute merken, dass sie damit nicht weit kommen, sind die aber ganz schnell ruhig“, erzählt sie schmunzelnd.

Nur knapp zehn Prozent aller Fahrlehrer in Deutschland sind weiblich. Im Großfahrzeugbereich ist die Frauenquote noch wesentlich geringer. Wenn es nach Bianka Nilges ginge, sollten weit mehr Frauen den Eintritt in die Branche wagen. Ihrer Meinung nach hat es sogar klare Vorteile, eine Frau zu sein. „Normalerweise sind Frauen in pädagogischen Berufen in der Überzahl. Dass das im Bereich Fahrerausbildung so anders ist, finde ich schade, denn ich auch in meinem Beruf ist viel Empathie und Kommunikationsstärke gefragt. Es kommt sogar aus verschiedenen Gründen vor, dass sich Schülerinnen und Schüler mit einer Fahrlehrerin im Auto sicherer fühlen.“ Gerade bei Heranwachsenden hinterlässt die Fahrschulzeit bleibende Erinnerungen – nicht nur, was die Fähigkeiten am Steuer betrifft: Viele Stunden gemeinsamer Autofahrt schweißen auch menschlich zusammen, wenn die Chemie stimmt. „Ab und zu treffe ich Absolventen wieder, die mir ganz begeistert ihr neues Auto zeigen oder einfach das Gespräch suchen, weil sie mit der Fahrschule schöne Erinnerungen verbinden“, freut sich Bianka Nilges, „das ist wirklich toll.“

Insgesamt ist die 41-Jährige berufsbedingt rund 40 Stunden die Woche motorisiert unterwegs, dazu kommen Theorieeinheiten, Kurs- und Seminartermine. Dennoch findet Bianka Nilges genug Zeit, um auch mit ganzem Herzen ihrer Mutterrolle nachzukommen. „Als Fahrlehrerin kann man seinen Joballtag gut mit der Familie vereinigen“, findet sie. „Ich kann Frauen den Beruf nur empfehlen und würde mir für die Zukunft viele neue Kolleginnen wünschen.“ Die Krefelderin steht mit ihrer Geschichte beispielhaft für viele Frauen, die nicht nur verdammt gut einparken können, sondern auch das Steuer des Lebens fest im Griff haben.

 


FahrAkademie Nilges
Petersstraße 95, 47798 Krefeld, Telefon: 02151-313161
Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-19 Uhr
Web: www.fahrakademie-nilges.de