Wo andernorts die Dorffeste mit Fanfaren und Trompeten eingeläutet werden, beginnt in Bockum mit dem ersten Tag des Volks- und Heimat-Schützenfestes bereits die erste Feier mit Stimmungsgarantie. Es ist nicht der einzige Traditionsbruch, der die stadtnahen Festivitäten zu etwas ganz Besonderem machen. Der ersten Skepsis zum Trotz werden die Neuerungen mittlerweile nicht nur von den alteingesessenen Kompanien der Schützenformation angenommen, sondern hochgelobt. Der Beweis: Nach über 400 Jahren sitzt mit Gabriele Leigraf erstmals eine Frau auf dem Thron, die nach ihren ersten Besuchen bei den einzelnen Formationen ein durchweg positives Fazit zieht. „Als die erste Schockstarre vorbei war, haben sich die Männer schnell damit abgefunden, dass ich nun das Zepter schwinge. Ich war jetzt bei einigen Kompanien zu Gast und habe viel positives Feedback und viele Tipps erhalten. Das hindert mich nicht daran, mein Ding zu machen und eigene Ideen zur Gestaltung des Schützenfestes durchzusetzen“, erklärt Leigraf schmunzelnd. Die Krönung zum kurzzeitigen Oberhaupt des Vereins erfolgte traditionell nach dem Vogelschießen im vergangenen Jahr. Auch wenn die studierte Malerin erst letztes Jahr mit dem Schießen begann, stach sie alle Konkurrenten aus und holte den Holzvogel vom Himmel. Eine Unbekannte ist die Schützin allerdings nicht. Ihr Mann Siggi Leigraf ist seit 21 Jahren als Grenadier im Verein tätig, was auch sie früh mit dem Thema vertraut machte.
Ein Anliegen, welchem die Künstlerin große Bedeutung zuordnet, ist die Förderung der Jugend und Neugewinnung von jungen Schützen, die den Verein in Zukunft tragen können. Zu den oberen Programmpunkten gehören deshalb Kindergarten- und Schulbesuche. „Wenn man in voller Uniform vor den jüngeren Schülern steht, ist es nicht nur für mich etwas Besonderes. Was mich dann doch überrascht hat, ist, dass die Kinder mich auch in normaler Kleidung sofort wiedererkannt haben und auf mich zugekommen sind. Viele haben sich auch nach dem Verein erkundigt. Das ist ein gutes Zeichen.“ Das Ernennen von neun jungen Ehrendamen sowie vier Blumenmädchen wirkt dabei schon fast wie ein Dankeschön. Die ehemalige Karnevalsprinzessin weiß, dass es ohne die Rekrutierung von Nachwuchs schwer wird, das Niveau der Veranstaltungen zu halten. Egal ob im Schützen-, Karneval- oder sogar Sportwesen ist das Buhlen um neue Mitglieder unerlässlich.
Die mittlerweile 9. Oldie-Rock-Pop-Schützenparty bei der Eröffnungsfeier am Freitag, 22. Juni, macht dabei nur den Anfang. Zur wilden Musik der angesagten Band „Booster“, die mit über 2.500 Auftritten zu den festen Größen der deutschen Pop-Kultur zählt, starten die Bockumer Schützen und ihre Gäste in das stimmungsgeladene Wochenende. Wenngleich unüblich für ein Schützenfest, ist die für alle Altersklassen frohe Party schon eine Tradition im Krefelder Stadtteil. Am Folgetag regiert die Nostalgie. Wie schon vor 400 Jahren zieht das Königshaus unter der Marschmusik von gleich sieben Kapellen, die auch in den folgenden Tagen für die passenden Klänge sorgen, durch ganz Bockum. Anschließend beginnt der Festball, zu welchem sich die rund 320 Mitglieder in ihre Uniformen und traditionellen Kleider hüllen. Von farbenfrohen Gewändern bis zu militaristischen Monturen wird besonders dem Auge etwas geboten. Ohnehin wird sich die gesamte Kulisse im Vergleich zu den vergangenen Jahren in eine prunkvolle Richtung verändern. In ihrer Tätigkeit als Künstlerin war es Leigraf wichtig, dem Ganzen einen eigenen und kreativen Anstrich zu verleihen. Wochenlang arbeitete die Königin in von der Brauerei Königshof zur Verfügung gestellten Hallen an einem Projekt nur für die Bühne des Festzeltes. Auf einer knapp fünfeinhalb Meter hohen und 15 Meter breiten Leinwand entsteht ein eigens kreierter Hintergrund, der für Staunen und Überraschungen sorgen soll.
Nach den vorabendlichen Tänzen des Königshauses samt Anhang findet die nächste Abweichung vom konformen Programm statt. Dies allerdings zur Freude Vieler. Im Anschluss an die Festivitäten wird das Weltmeisterschafts-Gruppenspiel Deutschland gegen Schweden auf großer Leinwand übertragen. „Ähnlich wie unser nur im Drei-Jahres-Turnus stattfindendes Schützenfest ist auch die diesjährige Weltmeisterschaft ein besonderes Event. Wir wissen um die Bedeutung des Turniers und wollen unseren Gästen natürlich alles bieten, wonach ihnen der Sinn steht“, erklärt Pressesprecher Karl Müller, der seit über 25 Jahren im Verein tätig ist. Am programmreichen Sonntag folgt auf Gottesdienst und musikuntermaltem Frühschoppen der große Schützen-Festzug mit allen Mitgliedern und Gast-Formationen aus befreundeten Krefelder Schützenvereinen. Mit dabei: Rund 60 Kinder, die in bereitgestellten Kleidern und Shirts ihre in der Schule gebastelten Füllhörner aus Pappmaschee zur Schau stellen. Dieser Marsch leitet die stets gutbesuchte Party im Festzelt ein, auf der bis tief in die Nacht getanzt und gefeiert werden darf. Als Abschluss des vollgepackten Wochenendes vollzieht die amtierende Schützenkönigin Leigraf nach Konzerten und einem kleinen Festzug am Montag ihre letzte Amtshandlung: den Zapfenstreich. Geht der Plan voll auf, hat die Royale bewiesen, dass sich die Männerdomäne Schützenverein im Wandel befindet.
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