„Ich weiß nicht, wie ich es ihnen sagen soll, aber sie haben Krebs.“ Dieser Satz hat sich in Sarah Dutinés Gedächtnis gebrannt. Dabei traf sie die Diagnose nicht unvorbereitet. Sarahs Fall ist speziell. Die heute 24-Jährige kommt aus einer genetisch vorbelasteten Familie. Ihre Großmutter starb mit 33 Jahren an Brustkrebs, ihre Mutter wurde nach derselben Diagnose nur 44 Jahre alt. Sarah selbst gehört zu den jüngsten Krebspatienten Deutschlands.
Krebs ist das Joch einer immer älter werdenden Gesellschaft. Manche Arten hängen mit dem eigenen Lebenswandel zusammen, bei anderen spricht man schlicht von Unglück oder Zufall. Nicht so bei Sarah: Kurz nach dem fünf Jahre andauernden, letztlich vergeblich geführten Überlebens-Kampf ihrer Mutter ließ sich die junge Friseurin testen. Danach wurde ihr gesagt, dass das BRCA1-Gen in ihrem Körper mutiert sei. Die daraus resultierende Konsequenz ist ein um 80 Prozent erhöhtes Risiko, noch vor dem 40. Lebensjahr an Brust- und/oder Eierstock-Krebs zu erkranken. Bekannt geworden ist das „Krebs-Gen“ durch Angelina Jolie, die sich nach derselben Diagnose und vor einem möglichen Ausbruch der Krankheit zur Abnahme der Brüste und Entnahme der Eierstöcke entschied. Sarahs Zuversicht, von einem Malignom verschont zu bleiben, zerschlug sich mit 21 Jahren unter der Dusche. „Da habe ich den Knoten ertastet. Im ersten Moment wollte ich einfach nicht wahrhaben, dass es so ist. Wirklich realisiert habe ich es erst, als meine Ärztin diesen alles verändernden Satz sagte“, erzählt sie und schüttelt den Kopf.
Wenn die junge, lebenslustige Frau heute über die zurückliegenden Jahre spricht, ist die Fülle der darin enthaltenen Rück- und Niederschläge für Außenstehende kaum fassbar. Würde man ihre Vita in Gänze niederschreiben und gegen die einer „normalen“ Gleichaltrigen stellen, so wäre es der Vergleich zwischen einem Buch und einer Faltbeilage in der Wochenzeitung. Sarah hatte kaum die Möglichkeit, den Tod ihrer Mutter zu verkraften, ehe sie der eigene Überlebenskampf einholte. Zu ihrem Kummer über den Verlust gesellte sich die ureigene Todesangst. „Während der Chemo hatte ich regelmäßig Panik. Die Angst vor dem Tod war in diesem Zeitraum allgegenwärtig“, erinnert sich die Pferdeliebhaberin. „Oft habe ich in dieser Zeit mit dem Schicksal gehadert. Ich habe mich oft gefragt: ‚Warum wir?‘ Wir waren anständige Menschen, haben uns immer den Arsch aufgerissen, gelernt und gearbeitet. Wir haben uns niemals etwas zu Schulden kommen lassen. Dass es meine Mutter getroffen hatte, war dabei für mich viel schlimmer als mein Schicksal. Auch die Angst um meine kleine Schwester, die 17 Jahre alt ist und erst nächstes Jahr getestet werden kann, bereitet mir mehr Sorgen als meine eigene Gesundheit.“
„Dass es meine Mutter getroffen hatte, war für mich viel schlimmer als mein eigenes Schicksal. Auch die Angst um meine kleine Schwester, die 17 Jahre alt ist und erst nächstes Jahr getestet werden kann…“
Es ist Sarahs Naturell geschuldet, dass sie sich seinerzeit nicht in der Vorstellung von Schreckensszenarien aufrieb. Schnell fasste sie gemeinsam mit ihren Ärzten einen Plan. Erst eine Chemotherapie, um mögliche gestreute Zellen zu zerstören, danach sollte das Drüsengewebe in den Brüsten entfernt werden. Beide Maßnahmen werden in einer hessischen Spezialklinik durchgeführt. Mit Erfolg. Heute gilt Sarah als geheilt, doch der Preis dafür ist hoch. Die Chemo schwemmt sie auf und deformiert ihren Körper. Die Brust als sekundäres Geschlechtsmerkmal opfert sie zunächst fast vollständig. „Heute würde ich vieles anders machen“, sagt sie mit in Falten gelegter Stirn und mit Blick auf das Martyrium, das anschließend folgte. „Ich habe so viel geweint in dieser Zeit.“ Grund ihrer Tränen sind die späteren Versuche, ihre Brüste zu rekonstruieren. Nach Sarahs Dafürhalten geht dabei schief, was nur schief gehen kann: Die Wunden entzünden sich und heilen lange nicht. Der Wiederaufbau der Brust misslingt, und die zurückbleibenden Narben untermalen ein in Summe niederschmetterndes Ergebnis. „Ich war am Boden“, sagt Sarah und winkt ab, „etliche Male war ich auf der Intensivstation und weinte und weinte.
Wie es der Zufall wollte, hatte damals Dr. Ahmad Tabrisi Dienst. Er hat mich immer ziemlich forsch zurechtgewiesen. So nach dem Motto: ‚Heul mal nicht, das wird schon alles wieder.‘ Anfangs mochte ich ihn deswegen nicht, aber mit der Zeit haben wir uns angefreundet. Seine direkte Art wusste ich später sehr zu schätzen.“ Aus dem Arzt-Patienten-Verhältnis wird zunehmend eine fast freundschaftliche Beziehung, die in Sarah Vertrauen und Zuversicht weckt. Doch dann verlässt Dr. Tabrisi die hessische Klinik in Richtung Krefeld. „Das war erschütternd“, beschreibt Sarah die damalige Situation, „endlich war da jemand, dem ich vertrauen konnte, und plötzlich war er weg. Über einen Zufall fand ich heraus, wo Dr. Tabrisi hinging. Mir war klar, dass ich mich nur noch von ihm operieren lasse. Deswegen habe ich den Weg in Kauf genommen und bin nach Krefeld ins Helios Klinikum gefahren.“

Der Chefarzt der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie Dr. T.Q.V. Plan und Dr. Ahmad Tabrisi
Die Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie ist eine noch recht junge Abteilung des Krefelder Maximalversorgers. Seit rund drei Jahren kümmern sich die hier arbeitenden plastischen Chirurgen vornehmlich um die Wiederherstellung und den Wiederaufbau von Form und Funktion geschädigter oder entfernter Körperteile. Aber auch reine Schönheitsoperationen und sanfte Schönheitsmedizin werden hier durchgeführt. „Als Sarah Dutiné bei uns vorstellig wurde, war sie entstellt“, beschreibt Oberarzt Tabrisi das sich ihm gebotene Bild. „Eine der beiden Brüste wurde mithilfe eines Muskels aus dem Oberschenkel aufgebaut, die andere zunächst mit einem Silikonimplantat provisorisch aufgefüllt. Sarah hatte massive Wundheilungsstörungen, die dazu führten, dass die Entnahmestelle des Muskels am Bein nicht heilte; sie hatte dort eine sekundär verheilte Wunde. Die linke, mit dem Silikonimplantat versehene Brust hatte einen schwelenden Infekt, sodass das Implantat entfernt werden musste. Und das Transplantat der rechten Brust war zum Teil abgestorben, sodass es im Vorfeld mehrfach operiert wurde. Insgesamt war das Bild erschreckend.“ Anders als bei den Operationen zuvor kam Sarah als Sachverständige der Behandlungsmethoden ins Krefelder Krankenhaus. „Ich wusste genau, was ich wollte“, sagt sie und lacht. „Kein Eigengewebe, sondern Implantate.“ Doch weil die gebürtige Offenbacherin wegen der rapiden Gewichtszunahme und anschließender -abnahme während der Chemo auch eine Bauchstraffung wünschte, entschloss sich Dr. Tabrisi zu einem Kunstgriff: „Ich empfahl ihr einen Brustaufbau mit Eigengewebe, das wir aus dem Bauch nehmen. Ich hätte diese Variante ohnehin bevorzugt, da dieses Vorgehen den Regeln der Kunst entspricht, aber in dieser Kombination war es für Frau Dutiné auch überzeugender.“
„Ich empfahl ihr einen Brustaufbau mit Eigengewebe, das wir aus dem Bauch nehmen. (…) da dieses Vorgehen den Regeln der Kunst entspricht.“
Es ist ein spätsommerlicher Morgen im Oktober des letzten Jahres, als Sarah nach der Operation ihre Augen öffnet. Der Eingriff ist ohne weitere Komplikationen verlaufen. Das Ergebnis sei sehr zufriedenstellend, sagt Dr. Tabrisi an diesem Tag. Noch muss Sarah ihm glauben, denn es sollten noch einige Tage vergehen, bis sie sich selbst einen Eindruck machen konnte. „Als der Verband dann endlich entfernt wurde und ich meine Brust und den Bauch sah, musste ich weinen – weinen vor Glück! Ich war so überwältigt und dankbar. Ich kann es kaum in Worte fassen.“ Solche Reaktionen erlebt das Team rund um Chefarzt Dr. T.Q.V. Phan immer wieder. „Für Frauen ist die eigene Brust immens wichtig. Sie macht eine Frau weiblich, zumindest in der Selbstwahrnehmung. Wenn sie fehlt oder unförmig ist, hat das für die Betroffenen weitreichende Konsequenzen bis hin zum weiblichen Identitätsverlust und schamhaften Vermeidungsverhalten“, erklärt der Mediziner. Für Sarah ist klar, dass sie die nun noch ausstehenden Operationen nur von den Krefelder Skalpell-Virtuosen am Helios Klinikum Krefeld durchführen lässt. „Die Plastischen Chirurgen sind einfach klasse. Sie sind gleichzeitig einfühlsam und direkt, außerdem verstehen sie ihr Handwerk. Das gefällt mir sehr“, erklärt sie und beschreibt, was nun noch folgen soll: „Die rechte Brust muss noch einmal angeglichen werden, danach freue ich mich auf die Rekonstruktion von Brustwarzen und Vorhöfen.“
Wann Sarah diese Operationen durchführen lässt, weiß sie noch nicht so genau. Der Druck in ihr, etwas verändern zu müssen, hat nachgelassen. Sie hat einen Mann kennengelernt, der sie so liebt, wie sie ist. Vor allem ist sie aber mit sich selbst im Reinen. Sarah schneidet wieder mit Leidenschaft Haare und geht für ihr Leben gerne reiten. Die schlechten Gedanken an einen möglichen Krebsausbruch in ihren Eierstöcken schiebt sie so gut es geht beiseite. Diese entnehmen zu lassen, kommt für sie derzeit nicht infrage. „Ich möchte doch noch Kinder haben“, sagt sie mit leuchtenden Augen. Nach so vielen Jahren des Leidens soll für Sarah nun ein unbeschwertes Lebenskapitel beginnen, das weniger von Krankenhaus-Aufenthalten bestimmt wird. Außer: sie kommt zu Besuch. „Bald werde ich Dr. Tabrisi und seinen Kollegen mal wieder ein paar Flaschen hessischen Appel-Wein mitbringen. Darüber freuen sie sich. So etwas Gutes habt ihr nämlich in Krefeld nicht“, sagt sie, zwinkert mit dem rechte Auge, schwingt sich auf ihr Pflege-Pferd Roy und reitet davon – in eine glückliche Zukunft.