Es war ihre Lieblingsserie „Lauras Stern“, die Maren Jarzabek als Sechsjährige für das Cellospielen begeistert hat. Zwei Jahre später schrieb sie zu Weihnachten auf ihren Wunschzettel „Ich möchte Schelo lernen“. Den kleinen Schreibfehler hat der Weihnachtsmann geflissentlich übersehen und ihr den Wunsch erfüllt. Sie war gerade neun, als ihre Eltern sie in der Musikschule anmeldeten. Heute ist sie 17, spielt im hochdekorierten Cello-Orchester „Cellissimo“ der Musikschule der Stadt Krefeld und weiß: „Musik war immer mein Begleiter und wird es auch weiterhin sein.“
Ein Donnerstagabend im Theatersaal der Krefelder Musikschule im Sollbrüggenpark. Die ansteigenden Zuschauerreihen sind leer. Aber der Raum ist trotzdem voll: vom satten und fast lupenreinen Probenklang des Orchesters „Cellissimo“. Die Steigerung im Namen ist Programm. Orchesterleiterin Julia Polziehn (43) hat ihre ganz eigene Erklärung: „Ein Cello, zwei Celli, ganz viele Celli. Das ist Cellissimo, und das bedeutet ganz viel Vergnügen und Klang.“ Die Jugendlichen zwischen zehn und 18 Jahren und die beiden Erwachsenen sind zwar konzentriert bei der Sache, aber immer wieder blitzt gute Laune auf. Das ist dem Humor der zierlichen Orchesterleiterin mit dem großen Herzen für die Musik und ihre Schüler zu verdanken.
Julia Polziehn steht nicht als „Zampano“ vor dem Orchester. Mit ihrem blau-weißen Ringelpulli sitzt die sportliche Frau mittendrin und spielt mit. „Aufstrich – Abstrich“, das sind die Kommandos, während sie mit der linken Hand die Einsätze gibt. Die Fingersätze für die 1. bis 4. Stimme hat sie in der Nacht noch geschrieben.
Vertieft ins Spiel, die offenen langen Haare nach hinten über die Schultern gelegt, führt Maren Jarzabek mit ernster Miene den Bogen über ihr Cello. Nach den ersten Jahren mit Leih-Instrumenten besitzt sie seit dem 14. Geburtstag ihr eigenes Cello. Mit 4,4 Kilogramm gehört es zu den gewichtigeren Instrumenten. Genau diese Größe hat die zierliche Gymnasiastin schon früh fasziniert: „Die Mutter von Laura aus meiner Lieblingsserie ,Lauras Stern‘ war Cellistin. So bin ich auf das Instrument aufmerksam geworden.“ Doch vor dem Cello stand das Einstiegsinstrument vieler Kinder. „Im Kindergarten habe ich Blockflöte und damit auch Noten gelernt“, erzählt die hübsche 17-Jährige.
Im Januar 2008 bekommt die damals gerade Zehnjährige an der Musikschule ersten Gruppenunterricht. Ihr Instrument ist ein gemietetes „halbes“ Cello. Das ist nur halb so groß wie ein übliches Instrument. Anderthalb Jahre später gehört Maren Jarzabek bereits zum „Jungen Orchester“ und schnuppert erste Konzert-Erfahrungen. Zusätzlich bekommt sie Einzelunterricht. Anfangs hat sie noch Ballett getanzt, das aber zugunsten des Cellospielens aufgegeben. Seit fünf Jahren ist ihre Lehrerin Julia Polziehn. Nach einem Konzertbesuch von „Cellissimo“ wusste die Schülerin vom Gymnasium am Stadtpark: „Da möchte ich mitspielen.“ Diese Begeisterung, verbunden mit dem Ziel, Menschen mit ihrer Musik zu begeistern, hält bis heute an: „Julia hat mich technisch sehr weit gebracht. Und sie hat mir gezeigt, dass man mit Spaß dieses Instrument lernen kann. Mit ihrer fröhlichen Ausstrahlung reißt sie uns alle mit, und sie vermittelt ihr bemerkenswertes Können gut verständlich. Außerdem setzt sie sich für jeden Schüler ein und nimmt dafür auch viele Überstunden auf sich.“
Eine solche Lehrerin motiviert. Maren Jarzabek versucht täglich, mindestens eine halbe Stunde zu üben, vor Konzerten auch mehr. Sie gibt aber zu: „Manchmal steht die Schule im Weg, vor allem in den Klausurphasen.“ Die Oberstufenschülerin mit den Leistungskursen Deutsch und Sozialwissenschaften und den Lieblingsfächern Musik und Sport macht nächstes Jahr Abitur. Auch das möchte sie natürlich ohne Dissonanzen über die Bühne bringen, denn ihr Wunsch ist ein duales Studium mit dem Schwerpunkt Wirtschaft und Finanzen.
Aktuell hat sie noch genügend Freiraum für die Musik. Eine Zeit lang hat Maren Jarzabek sogar parallel zum 20-köpfigen Cello-Orchester im Quartett „AmiCelli“ gespielt. Sie mag die Alte Musik von Johann Sebastian Bach, aber auch Hans Zimmer. Der 59-Jährige ist einer der einflussreichsten Filmkomponisten der Gegenwart und hat zum Beispiel Stücke für „Rain Man“ und „König der Löwen“ geschrieben.
Die junge Cellistin beherrscht mittlerweile ein umfangreiches Repertoire von Orchesterstücken über Kammermusik bis zu Jazz, Folk und Rock. Ein Stück hat ihr allerdings einmal ziemliches Kopfzerbrechen bereitet: „Das war bei ,Jugend musiziert‘ im Jahr 2012. Damals habe ich mich bei einem Stück von Schostakowitsch echt schwer getan.“ Solche kleinen Krisen gehören dazu, waren aber nie so ausgeprägt, dass sie ernsthaft darüber nachgedacht hat, mit dem Cellospielen aufzuhören. Denn sie hat eine Eigenschaft, die gute Musiker auszeichnet: Geduld mit sich selbst. „Man kann eben nicht immer sofort alles perfekt spielen“, weiß Maren Jarzabek. Und sie hat eine Familie, die hinter ihr steht. Eltern, Großeltern und die Patentante finanzieren das Hobby des Ausnahmetalents, haben zum Beispiel einen Zuschuss fürs Instrument spendiert. Außerdem übernehmen Mama und Papa den „Fahrdienst“. Auch Marens Freund respektiert ihr zeitaufwändiges Hobby und ist begeisterter Zuschauer bei ihren Konzerten.

Orchesterleiterin Julia Polziehn
Die Aufregung, die Maren Jarzabek mit acht Jahren gespürt hat, weil sie nicht wusste, ob ihr Wunsch, das Cellospiel zu lernen, erfüllt würde, ist heute der Gewissheit gewichen, das richtige Hobby gewählt zu haben. Aufregung kennt sie bei Auftritten kaum. Dafür ihre Eltern. Die junge Cellistin schmunzelt: „Ich habe dann immer das Gefühl, dass sie nervöser sind als ich.“