Massentierhaltung, schlechtes Futter, Krankheiten – drei Stichpunkte, die viele Verbraucher mit Hühnern und ihren Lebensbedingungen verbinden. Zu oft hat es innerhalb der vergangenen Jahre Negativ-Schlagzeilen um das Geflügel gegeben. Als Antwort auf diese Entwicklung entscheiden sich immer mehr Menschen dazu, selbst dafür Sorge zu tragen, dass ihr Frühstücksei von „glücklichen Hühnern“ kommt: Sie halten die Vögel einfach als Haustiere im eigenen Garten. Von der deutschen Stiftung „Bündnis Mensch & Tier“ wurde das Huhn zum Haustier des Jahres 2016 gewählt. Seit einigen Jahren werden die Tiere sogar in der Begleitung von Demenz-Patienten eingesetzt. Zeit also, die unterschätzen Tiere einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ein Mann und viele Federn
Wendelin Martin ist Vorsitzender des Rassegeflügelzuchtvereins Hüls und langjähriger Hühner-Liebhaber. Seit seinem 11. Lebensjahr hält und züchtet er Rassehühner. Der Verein wurde im Jahr 1899 zur Erhaltung alter, kulturell wertvoller, Hausgeflügelrassen ins Leben gerufen. Martin züchtet erfolgreich Araucana und Zwerg New-Hampshire-Hühner. Zusätzlich hält er einige normale Legehennen. „Für den Eigenbedarf“, erklärt er und ergänzt: „Legehennen wie wir sie von vielen Bauernhöfen kennen, sind mit dem Ziel gezüchtet worden, möglichst viele Eier zu produzieren. Deshalb legen sie weit mehr, als die Araucana und die New Hampshire-Hühner. Die Rassen stammen aus einer Zeit, in der noch nicht auf Legeleistung hin gezüchtet wurde. Ein Legehuhn kann gut 340 Eier pro Jahr legen, ein Rassehuhn schafft vielleicht 120 bis maximal 180 Stück“, erklärt er.
In einem großen Pachtgarten in Hüls führen seine Tiere ein Bilderbuch-Leben: Kleine Blockhütten inmitten saftiger grüner Wiesen und großzügiger sandiger Trockenausläufe sowie Büsche und Bäume als Sicht- und Sonnenschutz bilden das perfekte Zuhause für die Vögel. Der Fliesenlegermeister hat alle Register gezogen, um seinen Hühnern die optimalen Bedingungen für ein entspanntes Leben zu schaffen. Die artgerechte Haltung sieht man den aktiven und neugierigen Tieren sofort an. Mit seinen Zuchtvögeln nimmt der 42-Jährige regelmäßig an Schauen und Messen teil. Viele seiner Hennen und Hähne sind bereits prämiert. Als Vorsitzender des Rassegeflügelzuchtvereins hat auch er den Trend zum Huhn als Haustier mitbekommen. „Der Verein hat in den letzten Jahren viel Zuwachs bekommen. Außerdem werden wir von Neukäufern häufig um Rat gebeten“, erklärt er.
Das Huhn als Haustier – Nutztiere zum Liebhaben
Durch seinen Zuchthintergrund besitzt Wendelin Martin mehrere Dutzend Tiere pro Rasse. Das ist für die private Haltung zuhause nicht notwendig. Da Hühner Herdentiere sind, sollten künftige Geflügelbesitzer allerdings mindestens zwei Hennen halten. Ausschlaggebend für die Herdengröße ist der zur Verfügung stehende Platz. Hühner sollten jeweils mindestens vier Quadratmeter Auslauffläche haben. Im Stall dürfen pro Quadratmeter Grundfläche nicht mehr als fünf Hühner leben. Ein trockener Stall ohne Zugluft und ein Grünauslauf mit gutem Greifvogelschutz sind das Wichtigste. Da Hühner vor allem Legemehl und Wiesenkräuter fressen, sind die Lebenshaltungskosten für die Tiere nicht besonders hoch. Unter Legemehl versteht man eine spezielle Futtermischung aus Getreide, Mais, Öl sowie variierenden Protein- und Mineralstofflieferanten. Auch sonst sind die Tiere wenig anspruchsvoll. Bis auf das wöchentliche Reinigen des Stalls fällt kaum Arbeit an. Der abgekratzte Kot kann wiederum als natürlicher Dünger für Rasen und Beete genutzt werden. „Das ist ein Stück erlebte Natur“, findet Martin. Eine wichtige Regel für die Hühnerhaltung ist lediglich das regelmäßige Impfen gegen die Newcastle Krankheit, ein Geflügel-Virus mit hohem Ansteckungsrisiko. Die Impfung können Halter über den Rassegeflügelzuchtverein Hüls vornehmen lassen. „Das nennt sich dann Impfmitgliedschaft“, erklärt der Vorsitzende. Bevor man sich Hühner anschafft, sollte man außerdem vorsichtshalber mit dem Ordnungsamt und den Nachbarn sprechen. Grundsätzlich schützt man sich aber bereits vor dem Unmut lärmempfindlicher Nachbarn, indem man nur Hennen hält – die krähen nämlich nicht.
Bei guter Pflege und mit etwas Geduld können Mensch und Huhn eine enge Beziehung aufbauen. „Hühner werden recht schnell zahm. Und es ist auch von der Rasse abhängig, wie gut sich die Tiere auf den Menschen einlassen“, so Martin. Neben den Araucana- und New Hampshire-Hühnern, die er selber hält, empfiehlt er für die private Haltung holländische Barnevelder und die schwarz-weiß geringelten Amrocks, die beide als sehr ruhig und zutraulich gelten. „Wie menschenbezogen die Hühner am Ende werden, hängt ganz davon ab, wieviel Zeit die Besitzer mit den Tieren verbringen und ob sie sie als Nutztier oder als Haustier betrachten“, schließt er.
Ob nun als Nutztier oder als Haustier zum Liebhaben: Die gurrenden Glucken zu beobachten, wie sie scharren, staksen und picken und mit ihren runden Knopfaugen aufmerksam die Umgebung beobachten, macht einfach Freude. Es scheint fast so, als übertrage sich die Unbeschwertheit glücklicher Hühner direkt auf den Menschen. Von den frischen Frühstückseiern einmal ganz abgesehen.
Rassegeflügelzuchtverein Hüls von 1899
Am Lüngerhof 29 , 47839 Krefeld, Telefon: 0173 9205078
www.rassegeflügelzuchtverein-hüls.de
Übrigens: Die Mitglieder des Vereins nehmen jährlich mit einer kleinen Geflügelausstellung samt Infostand am Hülser Bottermaat teil. Der diesjährige Bottermaat findet am 16. September statt