Das Gärtnerhaus am Stadtwald: Prunkbau, Politikum und Büchse der Pandora

Das sogenannte Gärtnerhaus auf der Schönwasserstraße ist vielen Krefeldern, insbesondere aber Bockumern ein Begriff. Am Stichweg zwischen der Wilhelmshofallee und der Hüttenallee gelegen, befindet sich das Haus mit seiner charakteristischen roten Klinkerfassade und seiner prunkvollen klassizistischen Bauweise auf einer viel von Radfahrern und Spaziergängern genutzten Route, die den Stadtteil mit dem Stadtwald verbindet. Das Gebäude, das zwischen 2009 und 2012 aufwändig saniert wurde, blickt auf eine ereignisreiche Historie zurück und war zwischenzeitlich akut vom Abriss bedroht. Nur durch das Engagement der Nachbarschaft und eines architektonischen Kraftakts des Krefelder Architekturbüros 28° konnte es schließlich erhalten werden.

Das Gärtnerhaus am Stadtwald: Prunkbau, Politikum und Büchse der Pandora

Ein prunkvolles Haus für einen Gärtner

Die Geschichte des Gärtnerhauses beginnt im Jahr 1921. Stahlwerkdirektor Alexander Pobel ließ das Gebäude als Wohn- und Gerätehaus seines Gärtners im Zusammenhang mit seinem eigenen noch größeren Wohnhaus an der Hüttenallee errichten. Fortan war der Gärtner, dessen Name nicht überliefert ist, zuständig für die Gartenpflege der umliegenden Villen. Ein großer Bereich entlang der südlichen Stadtwaldgrenze hieß damals Jentges’scher Grundbesitz in Anlehnung an den stadtbekannten Krefelder Unternehmer und Kommunal­politiker Wilhelm Jentges, dessen Erben das Villenviertel errichteten. „Im Zuge unserer Umbaumaßnahmen fanden wir zahlreiche architektonische Indizien, die die Theorie des Gärtnerhauses stützen. Zum Beispiel befand sich am heutigen Wohnzimmer früher ein zusätzlicher Eingang, vermutlich für Geräte. Zudem war der Raum abgesenkt, um die Gerätschaften hineinfahren zu können“, erläutert die Architektin Christina Engeln, die das Haus in Auftrag ihres Vaters aufwändig sanierte und heute mit ihrer Familie bewohnt.

Vom Prunkbau zum verschachtelten Labyrinth

Doch bereits vor den massiven Umbauten durch Engeln und ihren Vater unterlag das stadtbildprägende Gebäude zahlreichen umfassenden baulichen Veränderungen, die aufgrund der diffusen Dokumentenlage historisch nicht klar verortet werden können. Fest steht jedoch, dass das ursprünglich als Einfamilienhaus errichtete Gebäude in der Nachkriegszeit in mehrere kleine Wohneinheiten zum Zwecke der Vermietung unterteilt wurde. „Als Architektin habe ich schon einige Begehungen von Altbauten durchgeführt, aber so einen Zustand habe ich noch nie vorgefunden“, sagt Engeln und fügt an: „Das Haus war von innen total verbaut. Von außen wirkte es imposant und weitläufig, doch durch die vielen eingezogenen Wände glich es innen einem verschachtelten Labyrinth.“

Das Gärtnerhaus am Stadtwald: Prunkbau, Politikum und Büchse der Pandora

Denkmalschutz oder Abriss?

Der extrem sanierungsbedürftige Zustand des Hauses, das von 1969 bis 2009 in Besitz der Familie Oppmann war, führte dann auch beinahe zu seinem Abriss. „Aufgrund persönlicher Schicksalsschläge entschieden sich die langjährigen vorherigen Besitzer schweren Herzens dazu, das Haus zu verkaufen. An Interessenten mangelte es nicht, doch alle schreckten letztlich vor dem großen und unwirtschaftlichen Sanierungsaufwand zurück“, erläutert Engeln. Das Gärtnerhaus wurde zum Politikum, denn viele Bockumer setzten sich dafür ein, das Haus zu erhalten und stellten sich vehement gegen die Pläne eines Investors, der das Gebäude abreißen und durch mehrgeschossige Neubauten ersetzen wollte. Während die Nachbarschaft mit überparteilicher Unterstützung für einen Erhalt qua Denkmalschutz plädierte, attestierte das Rheinische Denkmalamt sowie die Obere Denkmalbehörde dem markanten Gebäude zwar eine optische Qualität, jedoch keine Denkmalwürdigkeit. Erst das zufällige, aber gleichsam beherzte Einschreiten von Helmut Meier, dem Vater von Christina Engeln, markierte den Ausweg aus der Pattsituation.

„Während die einst mit wildem Wein überwucherte Vorderseite des Gärtnerhauses mit seiner einprägsamen roten Klinkerfassade aufpoliert und weitestgehend in seinem ursprünglichen Zustand erhalten wurde, ist die Rückseite und Raumgestaltung heute ein beeindruckendes Zeugnis zeitgenössischer Architektur.“

Das Gärtnerhaus am Stadtwald: Prunkbau, Politikum und Büchse der PandoraEin architektonisches Mammutprojekt

„Mein Vater war schon immer gestaltungsaffin und hat große Freude daran, Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen. Eines Tages kam er auf einem Spaziergang am zum Verkauf stehenden Gärtnerhaus vorbei und beschloss dann rasch, es zu kaufen“, erinnert sich Engeln und schmunzelt: „Hätten wir vorher gewusst, was auf uns zukommt, hätten wir uns vermutlich nicht darauf eingelassen.“ Was folgte, war nicht nur ein architektonisches Mammutprojekt, das in enger Absprache mit der interessierten Nachbarschaft umgesetzt wurde, sondern auch das erste und bis heute größte Altbau-Sanierungsprojekt der jungen Architektin. „Wir haben keinen Stein auf dem anderen gelassen. Bis auf die Rohmauern und die markante Fassade an der Front wurde alles verändert, ohne dabei den ursprünglichen Charme des Gebäudes zu verwässern. Es ist ohne Zweifel das aufwändigste Projekt meiner Karriere.“ Die größten Veränderungen waren dabei der Rückbau der zahlreichen innenliegenden Wände, die Freilegung der Sichtachse vom Eingangsbereich in den Garten, die eine Verlegung des Treppenhauses erforderte und die Errichtung eines zehn Meter hohen an die rückseitige Fassade angepassten Glasanbaus samt innenliegendem Balkon. Neben diesen ohnehin schon aufwändigen Maßnahmen, barg das Gärtnerhaus während der Umbaumaßnahmen jedoch darüber hinaus zahlreiche unangenehme Überraschungen, wie sich Engeln erinnert: „Während der Baumaßnahmen trafen wir auf alte Stahlträger, Probleme im Mauerwerk und fanden pro Etage bis zu drei unterschiedliche Deckenkonstruktionen vor. Zwischenzeitlich konnte man vom Keller bis in den Dachstuhl sehen.“

Das Gärtnerhaus am Stadtwald: Prunkbau, Politikum und Büchse der PandoraZeitgenössische Architektur trifft auf behutsame Restauration

Allen architektonischen Widrigkeiten zum Trotz konnte das Umbauprojekt jedoch in seinen Grundzügen Ende 2011 abgeschlossen werden – mit einem mehr als eindrucksvollen Ergebnis. Während die einst mit wildem Wein überwucherte Vorderseite des Gärtnerhauses mit seiner einprägsamen roten Klinkerfassade aufpoliert und weitestgehend in seinem ursprünglichen Zustand erhalten wurde, ist die Rückseite und Raumgestaltung heute ein beeindruckendes Zeugnis zeitgenössischer Architektur. „2013 feierten wir nach Abschluss aller Arbeiten eine große Einweihung mit Nachbarn, Handwerkern und der lokalen Presse. Die Resonanz war groß und durchweg positiv und man konnte die emotionale Verbundenheit zum Gebäude spüren“, freut sich Engeln. Die Geschichte des Gärtnerhauses samt ihrem positiven Ausgang ist ein schillerndes Beispiel dafür, wie stadtbildprägende Architektur mit viel Leidenschaft und unermüdlichem Einsatz erhalten werden kann.