„Das geht mit Vibration und Bildern!“

Krefelder Ballettschule ruft Kurs für gehörlose Kinder ins Leben

 

„Gebärdensprache fand ich schon immer faszinierend“, erklärt die heute 29-jährige Letha Monique Maughan. „Meine Mutter erzählt mir immer, dass ich sie als kleines Kind gefragt habe, was die da tun, als ich zum ersten Mal Gehörlose ‚reden‘ gesehen habe. Vielleicht hat mich ihre Antwort: ‚Diese Menschen können nicht hören, daher sprechen sie eine eigene Sprache, die man lernen kann, wie Deutsch oder Englisch‘, dazu gebracht, später genau diesen Weg zu gehen.“ Die geborene Südafrikanerin – deren Vornamen man übrigens wie“ „Liessa“ ausspricht – studierte nicht nur Anglistik und Geschichte auf Lehramt. Sie lernte auch Gebärdensprache. Jetzt steht Letha kurz davor, aus ihren zwei größten Leidenschaften etwas völlig Neues, Spannendes zu kreieren: Sie will einen Ballettkurs für gehörlose Kinder anbieten. 

Franziska Ballenberger

Ballettschulinhaberin Franziska Ballenberger

Die Möglichkeit, diesen Kurs Wirklichkeit werden zu lassen, bietet ihr Franziska Ballenberger mit ihrer Krefelder Ballettschule. Die hatte sich bis vor kurzem gar nicht mit Gehörlosigkeit beschäftigt. „Erst durch Letha wurde ich auf das Thema aufmerksam. Bis dahin war mir nicht bewusst, wie hervorragend manche Gehörlose tanzen können“, erklärt sie lächelnd. Ein Beispiel, das in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit bekam, ist die junge Tänzerin und Schauspielerin Kassandra Wedel, die mit vier Jahren durch einen Unfall ihr Gehör verlor. Bereits als Jugendliche absolvierte sie eine Ausbildung zur europaweit ersten gehörlosen Tanzlehrerin, spielte Rollen im Tatort und Polizeiruf 110 und gewann im November 2016 den ersten Platz bei der Pro-Sieben-Show „Deutschland tanzt“. (Kassandra Wedel spielt übrigens im März noch zweimal die Hauptrolle in der Oper „Aschemond“ im Wuppertaler Opernhaus.)

„Bei allen Kursen bleiben die Gehörlosen nicht unter sich, sondern werden immer zusammen mit Hörenden ausgebildet.“

Eine andere Erfolgsgeschichte ist Sarah Neef, die trotz Gehörlosigkeit tanzt, Psychologie studierte, vier Sprachen spricht und vor acht Jahren ihr Buch „Im Rhythmus der Stille“ veröffentlichte. „Wenn man sich ernsthaft mit einem Thema beschäftigt, bekommt man immer mehr Input. So ging es mir auch, mit Tanz und Gehörlosigkeit“, berichtet Franziska Ballenberger und erzählt weiter: „Die Ballettschule ‚Telos‘ in Stuttgart ist ein leuchtendes Beispiel für die Möglichkeiten der tänzerischen Ausbildung von Gehörlosen. Dort gibt es Mutter-Kind-Gruppen, Unterricht für Jugendliche in verschiedenen Tanztechniken und schließlich Ausbildungsmöglichkeiten für den Tanzberuf. Und bei allen Kursen bleiben die Gehörlosen nicht unter sich, sondern werden immer zusammen mit Hörenden ausgebildet.“

Letha Monique Maugham, Franziska Ballenberger

Letha Monique Maugham und Franziska Ballenberger sind schon seit ihrer Kindheit ballettbegeistert

Einen integrativen Kurs für Hörende und Gehörlose wollen auch Letha Monique Maughan und Franziska Ballenberger bald ins Leben rufen. Als erstes fand am 1. April ein Workshop in der Hülser Gehörlosenschule Luise Leven statt. Daraus wollen die beiden gerne eine Workshop-Reihe in der Ballettschule machen. „Unsere Ansprechpartner in der Gehörlosenschule waren von der Idee sehr angetan. Jetzt kommt es darauf an, das Angebot gut zu organisieren. Da diese Kinder oft sehr ‚vertaktet‘ sind, dürfte ein regelmäßiger Abendkurs schwierig sein“, erzählt Franziska Ballenberger. „Eine der wichtigsten Aufgabe unseres Kurses wird es sein, Hemmschwellen abzubauen“, ergänzt Letha Maughan, „und das bei Hörenden und Nichthörenden. Auch wenn sie gut tanzen können, fühlen sich Gehörlose in Kursen, die nur aus Hörenden bestehen, meist unsicher. Diese Hürde werden wir ihnen von Anfang an nehmen.“

Fuß, Stange, BallettEine Frage, die Außenstehende oft stellen, ist, wie es Gehörlose schaffen, zu Musik zu tanzen, die sich gar nicht hören können. „Das geht mit Vibration und mit Bildern“, weiß Tanzlehrerin Letha und führt weiter aus: „Musik ist Schall, der Vibrationen erzeugt – vor allem, wenn man viel mit Bässen arbeitet. Dazu werde ich meine Anweisungen immer in Bilder fassen, also zum Beispiel sagen, die Kinder sollen laufen wie ein Pferd oder hüpfen wie ein Frosch. Außerdem können viele Gehörlose Lippen lesen, so dass sie auch über meinen Mund Informationen bekommen. Und wenn wir gemischte Kurse haben, können die Kinder auch wunderbar voneinander lernen.“ „Später möchten wir Percussions oder auch andere Musikinstrumente in die Kurse integrieren“, ergänzt die Ballettschulinhaberin begeistert und sagt: „Am Ende jedes Kurses soll eine kleine Performance stehen, bei der Hörende und Gehörlose mitmachen und die Besucher überhaupt nicht erkennen können, wer von den Tänzern wer ist. Im Sommer können wir uns auch eine Wochenendveranstaltung mit Barbecue, Sekt und Saft für die Eltern vorstellen. Wir haben hier ja ein sehr schönes Außengelände. Letha und ich freuen uns riesig, wenn es endlich losgeht.“

Franziska Ballenberger„Ballett Ballenberger“ ist noch ziemlich neu am jetzigen Standort über den Räumen des Modehauses Greve. Von der Wilhelmshofallee ist Franziska Ballenberger erst im vorigen Sommer hierhin gezogen. Die 39-Jährige hatte bereits als kleines Kind mit Ballett angefangen und schon mit 16 an der Hamburgischen Staatsoper unter John Neumann getanzt. Ein Begabtenstipendium führte sie sogar bis nach New York. Bereits im zarten Alter von vier Jahren stand Letha Maughan in Südafrika zum ersten Mal auf dem Tanzboden. In Deutschland knüpfte sie nahtlos daran an und begann eine Ausbildung bei der deutschen Sektion der britischen Royal Academy, die sie mit 12 Jahren mit Bravour abschloss. Mittlerweile gibt sie selbst Kurse an der Akademie. Zu Ballett Ballenberger kam Letha vor einigen Monaten und leitet dort mit Begeisterung Kinderkurse.

Mehr zu den Gehörlosenworkshops findet man demnächst auf der Internetseite der Ballettschule. Dort werden auch die anderen Angebote, wie zum Beispiel Pilates an der Ballettstange, Jazzdance und Ballett für Erwachsene und Senioren, vorgestellt. Einen kleinen Einblick in die Arbeit von Franziska Ballenberger bekommt man auch auf Facebook.

Ballett Ballenberger, Hülser Straße 214, 47803 Krefeld, Telefon: 0177-6576744, www.ballett-krefeld.de, www.facebook.com/ballettballenberger