Wie Katze Karla und Fritz Fuchs das Leben besser machen können

 

Grunzend stöbert ein kuscheliges Schweinchen über eine stilisierte grüne Sommerwiese und bleibt ungläubig vor einem Erdhaufen stehen. 200 Kinderaugen verfolgen in der Turnhalle der Gemeinschaftsgrundschule Buscher Holzweg gebannt, was nun passiert. Schweinchen Schnorki ruft lauthals ins Erdreich hinein, denn es weiß, dass sich unter dem Haufen etwas Tolles verbergen muss. Vielleicht ein neuer Freund? So beginnt das interaktive Resilienztheaterstück „Wie kommt der Maulwurf aus dem Loch?“ Eine Inszenierung mit Handpuppen, die deutlich macht, dass jeder Mensch mit seinen individuellen Stärken wertvoll für die Gemeinschaft ist und daher selbstbewusst durchs Leben gehen kann.

Yvonne Keßel, Theaterpädagogin, Kunsttherapeutin und dreifache Mutter, gastiert seit 2017 mit ihrem Resilienztheater in Kindergärten und Schulen der Region

Yvonne Keßel (44), Theaterpädagogin, Kunsttherapeutin und Schemacoach mit eigener Praxis in Meerbusch, hat das 50-minütige Stück geschrieben, um Kinder, Eltern und Erzieher gleichermaßen für ein wichtiges zwischenmenschliches Thema zu sensibilisieren: Resilienz. Man könnte auch „innere Stärke“ oder „Krisenfestigkeit“ sagen. Resilienz besteht aus der Kompetenz, Verantwortung zu übernehmen und möglichst mit Optimismus Problemlösungen zu finden. Mit der theaterpädagogischen Umsetzung als Geschichte mit leisen Tönen, aber auch ausgelassenen Momenten, hat die empathische Regisseurin, deren beruflicher Weg vor 20 Jahren als Erzieherin im Heimbereich begann, einen Weg gefunden, der in der Region einmalig ist.

Katze Karla holt ihre gesamte Kreativität aus sich heraus, um den Maulwurf aus dem Loch zu „singen“

Die Story: Zusammen mit Schweinchen Schnorki möchten die Wiesenfreunde Katze Karla, Hase Hops, Hund Harry, Fritz Fuchs und Bär Brummi den neuen Wiesenbewohner aus dem Erdreich locken. Jede Handpuppe verkörpert dabei einen der sechs Resilienzbereiche. Das sind Glaube/Optimismus, Kreativität, emotionale, soziale, kognitive und körperliche Fähigkeiten. Von Anfang an tauchen die Erst- und Zweitklässler in die Geschichte ein. Sie leiden mit dem Hund, der herzzerreißend jault, weil er schlechte Erfahrungen mit anderen Tieren und dem bösen Nachbarn gemacht hat. Die Kinder unterstützen den Hasen stimmgewaltig beim Kuchenbacken und die Katze beim Singen ihres selbstgedichteten Liedes für den neuen Wiesenbewohner; sie helfen dem starken Bären als Boxpartner und bewundern den schlauen Fuchs mit der Nickelbrille, der einen Plan des unteren Erdreichs erstellt hat, um dem Neuankömmling mögliche Wege ans Tageslicht aufzuzeigen, denn: „Das Leben ist keine Einbahnstraße, und es gibt immer einen Weg, wenn man seinen Kopf anstrengt.“ Erklärungen wie diese ziehen sich wie ein roter Faden durch das Stück und unterstreichen die Bedeutung der einzelnen Resilienzfaktoren, die den Wiesenfreunden nach sechs Tagen die Lösung bringen. Nachdem alle ihre Fähigkeiten eingesetzt haben, um den neuen Freund dazu zu bewegen, an die Oberfläche zu kommen, bahnt sich zum Schluss ein niedlicher Maulwurf den Weg ans Tageslicht.

Sympathisch und empathisch (v.l.): Yvonne Keßel und Marion Schneider-Lambertz

Schnorki & Co. sprechen auch Englisch

Das Stück spielen generell eine Kunsttherapeutin und ein Theaterpädagoge bzw. eine bilinguale Fachkraft. Während der Veranstaltung an der Grundschule Buscher Holzweg, die sich auch an potenzielle Interessenten aus Kindertagesstätten, Grund- und Förderschulen in Krefeld richtete, staunten die Schüler nicht schlecht, als sie ihre Englischlehrerin Marion Schneider-Lambertz, die dort als Vertretungslehrerin arbeitet, als Puppenspielerin erkannten. Sie wirkt nebenberuflich im Resilienztheaterstück mit. Im Wechsel mit Yvonne Keßel spielt Marion Schneider-Lambertz verschiedene Handpuppen und übernimmt – verkleidet als Wolke – auch immer wieder den Erzählerpart als cleveres Stilmittel, um Verhaltensweisen und Gefühle der Tiere näher zu erläutern. Nach der deutschen Fassung wurde für die Dritt- und Viertklässler in Traar die bilinguale Version gespielt. Theaterpädagogin Yvonne Keßel hat dabei wieder feststellen können, dass die älteren Grundschulkinder es spannend finden, die gerade neu zu erlernende Sprache lebendig zu erfahren. Und sie fügt hinzu: „Mit der deutsch-englischen Fassung möchten wir umgekehrt Kindern, die nicht so gut Deutsch sprechen, helfen, unsere Muttersprache besser zu verstehen. Außerdem planen wir weitere sprachliche Umsetzungen, zum Beispiel auf Arabisch.“

Resilienzförderung ohne erhobenen Zeigefinger

Das Ziel des Theaterstücks beschreibt Yvonne Keßel so: „Wir möchten Kinder, Eltern und Erzieher für das Thema Resilienz begeistern, ohne den pädagogischen Zeigefinger zu heben. Das Stück ist Teil eines umfangreichen Resilienzförderprogramms, das Yvonne Keßel entwickelt hat und seit 2017 erfolgreich in Kindertagesstätten, Schulen und Heimen umsetzt. Angeboten werden Fachtage für pädagogische Fachkräfte, Elterninformationen und Workshops für Kinder zwischen drei und 12 Jahren. „Unsere Arbeitsweise ist spielerisch und interaktiv. In Workshops stellen wir uns auf die Altersstruktur und die individuellen Bedürfnisse der Gruppen ein“, betont die Kunsttherapeutin, die auch als Supervisorin für pädagogische und therapeutische Fachkräfte und als Dozentin arbeitet. Im Optimalfall dauern die Workshops zweieinhalb bis drei Monate, mit wöchentlichen Treffen. „Die Handpuppen aus dem Stück spielen dabei eine große Rolle, denn über sie möchten wir in interaktiven Spielen die verschiedenen Resilienzbereiche vermitteln“, betont Yvonne Keßel. Auf Wunsch der Einrichtung werden die Schwerpunkte festgelegt. Das kann beispielsweise Kreativität sein, Bewegung oder Zusammenhalt. Um die erlernten Methoden und Erkenntnisse in den Alltag zu transferieren, rät die Resilienzexpertin, dass immer auch zwei interne Fachkräfte am Workshop teilnehmen.

In den vergangenen anderthalb Jahren ist das Stück über 60 Mal aufgeführt worden, unter anderem in Moers, Neukirchen-Vluyn, Duisburg, Gelsenkirchen, Düsseldorf und Meerbusch. Diese positive Resonanz beweist, dass viele Erzieher spüren, wie wichtig das Thema Resilienzförderung ist. Und sollten einmal die finanziellen Mittel nicht auf Anhieb zur Verfügung stehen, hilft die engagierte Theaterpädagogin Yonne Keßel dabei, entsprechende Wege zu finden. Und dann ist auch der Weg frei, um bisher verborgene resiliente Fähigkeiten aus den Tiefen aller Beteiligten ans Tageslicht zu befördern – um beim Bild des Maulwurfs zu bleiben.

 

Yvonne Keßel
Mail: info@mehrsein.life
Web: www.mehrsein.theater

 

Stimmen zum Stück
Birgit Meierkamp: „Wir stärken unsere Schülerinnen und Schüler darin, Lösungen für Probleme zu finden und Verantwortung zu übernehmen, und das bestenfalls mit gegenseitiger Akzeptanz und Optimismus.“ 
Sandra Poloczek, Erzieherin im Evangelischen Familienzentrum Dülkener Straße: „Ich finde es toll, wie ein schwieriges Thema  spielerisch umgesetzt wurde. Die beiden Damen haben das unglaublich gut gemacht und die Kinder mitgezogen. Für unsere Einrichtung könnte ich mir das Theaterstück und einen Workshop vorstellen.“
Kareen Houben, Leiterin des Kindergartens „Klein & Groß“ e.V. in Fischeln, wollte wissen, wie die Workshops aussehen und erfuhr, dass dabei jedes Tier seine eigene Stunde hat, in der es um den ihm zugeordneten Resilienzbereich geht.