Über die Sache mit den bekannten Unbekannten
Irgendwann treffen die meisten von uns auf einen Menschen, der uns bewusst aufs Kreuz legt oder nach Jahren der Freundschaft vorsätzlich enttäuscht. Wir sind wütend, verzweifelt, rat- oder machtlos, und um uns besser zu fühlen, feuern wir mitunter den finalen Rettungsschuss ab und ernennen den „Sowieso“ oder die „Sowiesa“ zur unerwünschten Person. So feierten ein ehemaliger Freund und ich im letzten Monat in aller Stille unser zehnjähriges Schweigen der Männer. Vor zehn Jahren nämlich lieferten wir uns ein heftiges Wortgefecht, an dessen Ende wir lautstark beschlossen, uns ab sofort nicht mehr zu kennen. Das war völliger Quatsch, denn standen wir uns danach bei einer plötzlichen Begegnung gegenüber, schnaubten wir uns an wie zwei taubstumme Wasserbüffel auf Adrenalin. Dabei scharrten wir mit den Stiefeln und rümpften die Nasen wie Cowboys beim Duell in gülleverseuchter Morgenluft. Liefen wir uns irgendwo über den Weg, wechselten wir spontan die Gesichtsfarbe und die Straßenseite und provozierten dadurch Beinahe-Unfälle mit unschuldigen Radfahrern. Irgendwann vollzogen wir einen Strategiewechsel, und ab da sahen wir demonstrativ durch uns hindurch wie durch eine Carglass geflickte Frontscheibe. Aber so sehr ich mich in all den Jahren auch um Gelassenheit bemühte – meine Zündschnur wurde nur mühsam länger. Ich habe festgestellt, dass es ewig dauert, bis dass du dich beim Gedanken an deinen bekannten Unbekannten nicht mehr derartig verspannst, dass eine Zwei-Euro-Münze zwischen deinen Pobacken die Prägung verlieren würde. Es fließt auch viel Wasser den Rhein runter, bis dass du ihm auf der Straße ohne die Hoffnung hinterher siehst, dass ihm der nächste Dackel den Wadenmuskel locht. Und solange nichts schöner ist als die Info, dass er bei „Wer wird Millionär“ an der 50-Euro-Frage gescheitert ist, kannst du niemandem weismachen, dass dir dein Ex-Kumpel wirklich schnuppe ist. Aber noch eine andere Sache macht es dir schwer, den inneren Frieden zu finden: Eure gemeinsamen Bekannten konfrontieren dich mit Vorwürfen, weil sie sich den Kopf darüber zerbrechen müssen, wen von euch beiden sie auf ihre Partys einladen sollen. Da hilft es auch kaum, dich bei ihnen über das Elefantenporzellanladenverhalten des anderen zu beklagen. Sie haben ihre eigenen Klein- und Groß-Beißereien, und um nicht Partei ergreifen zu müssen, wenden sie sich mit knackigen Appellen an eure Einsicht und Toleranz. Wenn diese aber von euch abprallen wie die Schlichtungsversuche einer Tagesmutter bei den Hells Angels und Bandidos, schicken sie euch gleich beide in die Wüste. Sicher, deine wahren Freunde werden sich deine Story voller Interesse und Mitgefühl anhören. Aber wenn sie dann in bester Absicht mit dem simplen Rat um die Ecke kommen, den Bösewicht einfach zu vergessen oder links liegen zu lassen, möchtest du sie gleich mit ans Kreuz nageln. Die Sache ist eben nicht so einfach, wie sie sagen, und du fühlst dich auch von ihnen nicht richtig verstanden. Fazit: Den Gleichmut einem Ausbeuter oder falschen Freund gegenüber musst du dir zumeist alleine erkämpfen, aber wenn der am Ende merkt, dass er dir egal geworden ist, ist das Letzte, was du von ihm hörst, seine Explosion.
Ihr Wolfgang Jachtmann