Schlossfestspiele Neersen:
Zahlreiche Koffer stehen auf der Bühne der Schlossfestspiele Neersen. Alte Koffer, voll mit Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Zwei Bücherregale, in denen einige lose Bücher stehen, und ein alter Sessel sind ebenfalls zu sehen. Das Schloss bildet den Rahmen um die Bühne und wird so ebenfalls zur Kulisse für das Bühnenbild von Ausstatterin Silke von Patay. Ein junges Mädchen betritt plötzlich die Bretter, die die Welt bedeuten. Freudig und lebenslustig wirkt sie und doch kommt ein Hauch Ernsthaftigkeit durch, als sie verkündet: „Mein Opa hat Alzheimer.“

Katja Winden ist
Presseassistentin bei den Schlossfestspielen Neersen
Als sich am Anfang dieser Spielzeit, am 18. Juni, die Besucher die erste Premiere dieser Saison „Michel aus Lönneberga“ anschauten, wurde damit die 34. Spielzeit der Schlossfestspiele Neersen eröffnet. Das Freilichttheater lockt jedes Jahr für zwei Monate zahlreiche Besucher nach Willich. In diesem Jahr stehen neben „Michel aus Lönneberga“ noch „Honig im Kopf“ und „Der zerbrochene Krug“ auf dem Spielplan. Als Kulisse für alle Stücke dient das Schloss, das neben den Schauspielern zum heimlichen Star der Stücke avanciert: „Die Regisseure bauen das Schloss immer mit ein. Mal geht einer durch die Tür raus, mal guckt einer durch das Fenster – alle Etagen werden mitbenutzt“, weiß Katja Winden, Presseassistentin der Schlossfestspiele. Dabei komme auch der ein oder andere Schauspieler ganz schön ins Schwitzen, wenn er von der Bühne abgehe, um ein paar Minuten später aus dem obersten Fenster des Schlosses herauszublicken. „Das ist ein gutes Sportprogramm“, verrät Winden lächelnd.
Währenddessen betreten René Hofschneider und Susanne Theil aus zwei verschiedenen Türen die Bühne. Die Schauspieler spielen die Eltern der kleinen Tilda, gespielt von Maria Arnold. Tilda versteht nicht so ganz, was es bedeutet, Alzheimer zu haben. Also versucht ihr Vater, Nico, ihr die Krankheit begreifbar zu machen: „In dem Kopf von deinem Opa ist es wie in diesen Bücherregalen. Mal fallen Bücher um und er vergisst, was darin gestanden hat. Mal kann sich aber auch ein Buch wieder aufstellen. Nach und nach fallen die Bücher aber alle aus dem Regal.“ Tilda nickt. Sie scheint ansatzweise zu begreifen, wie die Krankheit ihrem Opa schadet. Das ganze Ausmaß kann sie aber noch lange nicht verstehen.

Opa Amandus (zweiter von rechts) bringt Feuer ins Familienleben der Rosenbachs (v.l.n.r.) Mama Sarah, gespielt von Susanne Theil, Tochter Tilda, gespielt von Maria Arnold und Papa Nico, dargestellt von René Hofschneider
Neben den drei Hauptstücken finden auch zahlreiche weitere Veranstaltungen im Rahmen der Schlossfestspiele statt. Im Ratssaal werden zum Beispiel ein portugiesischer Fadoabend, das Theaterstück „Der kleine Vampir“ oder ein Impro-Battle vorgeführt. Letzteres stammt aus den jungen Schlossfestspielen und ist unter der Leitung von Sven Post entstanden: „Bereits seit drei Jahren führen wir diese Impro-Battles vor. Die Besucher dürfen Begriffe hereinrufen, die die jungen Schauspieler, die in zwei Teams gegeneinander antreten, verwenden müssen. Am Ende entscheidet das Publikum, wer gewinnt“, so die Presseassistentin über das beliebte Format. Aus den jungen Schlossfestspielen entspringen nicht zuletzt auch Talente, die sich später auch beruflich im Schauspiel orientieren. So zum Beispiel auch Berit Vander, die einst in den Jugendkursen mitspielte, und mittlerweile angefangen hat, Schauspiel zu studieren, und zusätzlich für die „Jungen Schlossfestspiele mobil“ mit einer szenischen Lesung nach dem Tagebuch der Anne Frank in weiterführenden Schulen unterwegs ist.
Obwohl Opa Amandus, gespielt von R.A. Güther, schon viele skurrile Dinge macht, wie zum Beispiel anstatt eines Kuchens ein paar Schuhe zu backen oder in den Kühlschrank zu urinieren, versucht Tildas Papa dem Ganzen noch einen gewissen Humor abzugewinnen. Währenddessen ist seine Frau Sarah über die Situation überhaupt nicht amüsiert und will, dass Nico mit seinem Vater zum Arzt geht. Der Rentner weigert sich jedoch und geht seinem normalen Alltag nach: Mit selbst gebrühtem Kaffee, der aus Kaffeebohnen, zahlreichen Stücken Würfelzucker und Cola besteht, und seiner geliebten Enkelin Tilda.

Regisseur Matthias Freihof erzählt, wie er den Film für das Freilichttheater inszeniert hat
Matthias Freihof, vielen noch bekannt aus der letzten Spielzeit, in der er eine Hauptrolle in dem Stück „Ziemlich beste Freunde“ spielte, führt in diesem Jahr erstmals bei den Schlossfestspielen Regie. Als die Anfrage vom Intendanten Jan Bodinus kam, war Freihof direkt Feuer und Flamme: „Ich finde die Art und Weise, wie das Thema behandelt wird, sehr spannend“, so der Schauspieler und Regisseur. Natürlich sei es nicht ganz einfach gewesen, einen Film für die Theaterbühne, und im Speziellen für die Theaterbühne der Schlossfestspiele, umzuschreiben: „Da wir ja nicht ständig riesige Bühnenbilder rein- und rausfahren können, habe ich stattdessen mit Musik gearbeitet“, berichtet Freihof. Immer wieder erklingen alte italienische Schlager, die Opa Amandus an seine Zeit mit seiner geliebten Margarete in Italien erinnern.
Der schmalen Grat zwischen Situationskomik und Verzweiflung, den das Stück offenbart, wird besonders deutlich, als Tilda ihren Opa fragt, wie es sich eigentlich anfühle, ständig alles zu vergessen. Nachdenklich schaut Opa Amandus das Mädchen an und sagt dann: „Wie Honig im Kopf.“
Schlossfestspiele Neersen, Hauptstraße 6, 47877 Willich-Neersen, Tel.: 02156-949 132, www.festspiele-neersen.de
Honig im Kopf ist nach der Premiere am 24. Juni bis zum 16. August an insgesamt 17 Terminen zu sehen. Am 29. Juli feiert das Stück „Der zerbrochene Krug“ mit Michael Schanze in der Hauptrolle als Dorfrichter Adam Premiere. Michel aus Lönneberga wird bis zum 20. August noch zwölfmal zu sehen sein. Weitere Informationen zum gesamten Programm gibt es auf der Internetseite der Schlossfestspiele.