Wenn in einem gewachsenen Quartier Neues entstehen soll, muss die Tradition des Ortes berücksichtigt werden. Fügt sich das neue Gebäude harmonisch ins Stadtbild ein, wird es zu einem identitätsstiftenden Statement: für die Bewohner und letztlich für alle Krefelder. Am Beispiel des Brempter Hofs im denkmalgeschützten Stadtkern von Uerdingen, für den es einen Verkaufsbeschluss der Stadt Krefeld als Eigentümerin gibt, sind wir gemeinsam mit allen potentiellen Beteiligten fiktiv sämtliche Schritte eines Neubaus vor dem Hintergrund der Historie durchgegangen: von der Gestaltungsidee bis zur gesetzmäßigen baulichen Umsetzung. Schritte, die ein künftiger Investor auch gehen wird.

„In einer nicht durchdachten Architektur fühlen wir Menschen uns nicht wohl.“ (Rainer Lucas, Architekt)“

„Selten erfüllt ein Bauvorhaben zu hundert Prozent die rechtlichen Anforderungen des Bebauungsplans“, weiß Christian Salm, Abteilungsleiter des Fachbereichs Bauaufsicht der Stadt Krefeld. Für eine reibungslose Umsetzung müssen daher die Kompetenzen aller Beteiligten gebündelt werden. Und das sind in unserem Beispiel der leitende Architekt, Denkmalpfleger, Stadtplaner, der Gestaltungsbeirat der Stadt Krefeld, die Bauaufsicht, die Politik und eine auf Baurecht spezialisierte Anwaltskanzlei. Ein solch komplexes Unter-fangen kann nur gelingen, wenn eine offene Kommunikation herrscht. Denn allein bis zur Genehmigung des Bauantrags sind zahlreiche Stufen zu nehmen.

Den Geist  des Ortes spüren - Eine fiktive Fallstudie: Der Umbau des Brempter Hofs in Uerdingen zu einem Wohn- und Bürokomplex

„Eine ganzheitliche Sichtweise hilft dem Projekt vom Anfang bis zum Ende“, bringt Architekt Rainer Lucas die Thematik auf den Punkt. Hinter dieser scheinbar banalen Aussage stecken das Einhalten eines komplexen Regelwerks aus rechtlichen Grundlagen, Kompromisse zwischen gestalterischen Wünschen und Vorgaben der Denkmalbehörde, dauerndes Controlling durch den leitenden Architekten und die Bauaufsicht sowie ein immerwährender Blick auf die Kosten. Nicht zu Ende gedachte Planungen führen zu Schadstellen, die später nicht mehr korrigiert werden können. Ganz zu schweigen von Anwalts- und zusätzlichen Baukosten. Diese Erfahrung mussten leider schon viele Bauherren machen.

In unserer Fiktion läuft es rund. Der Brempter Hof an der Alten Krefelder Straße in Uerdingen soll zu einer Anlage mit Wohnungen und Büros umgebaut werden. Die Bestandsaufnahme ergibt: Der Komplex besteht aus vier Gebäudeteilen, von denen eins vom Uerdinger Heimatbund genutzt wird. Dazu kommt ein Hof- und Gartenbereich. Erste Erkenntnis bei der Grundlagenermittlung ist, dass sich der Brempter Hof innerhalb der Grenzen der Denkmalbereichssatzung Krefeld-Uerdingen befindet. Außerdem ist er als Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Damit sind alle Teile des Denkmals zu erhalten. Dazu gehören unter anderem die Fassade, die hölzernen Treppenanlagen, vereinzelte Holzvertäfelungen und Parkettböden, Fenster und Flügeltüren aus Holz sowie die Grundriss-Strukturen.“

„Kunststofffenster wird es bei einem solchen Objekt niemals geben, und auch keine Glasfronten mit sieben Metern Länge und drei Metern Höhe. Bei einem Baudenkmal sind alle Veränderungen erlaubnispflichtig.“

Wichtige Zusatzinformationen für den Bauherrn kommen von Gerhard Hanisch. Der Denkmalpfleger der Stadt Krefeld macht darauf aufmerksam, dass bei einem Gebäude in einem Denkmalbereich sämtliche Maßnahmen, die aus dem öffentlichen Raum durch die Allgemeinheit wahrgenommen werden, genehmigungspflichtig sind. Das sind unter anderem der Anstrich, die Fassadenstruktur und die Fenster. „Kunststofffenster wird es bei einem solchen Objekt niemals geben, und auch keine Glasfronten mit sieben Metern Länge und drei Metern Höhe. Bei einem Baudenkmal sind alle Veränderungen erlaubnispflichtig“, so Hanisch. Trotz aller Vorgaben greift aber ein großes Plus: die Abschreibungsmöglichkeit für den Bauherrn.

„Kunststofffenster wird es bei einem solchen Objekt niemals geben, und auch keine Glasfronten mit sieben Metern Länge und drei Metern Höhe. Bei einem Baudenkmal sind alle Veränderungen erlaubnispflichtig.“

„Neubauten in gewachsenen städtebaulichen Strukturen müssen identitätsstiftend sein.“ (Markus Bernthaler, Stadtplaner)

Darüber hinaus regelt das Bauordnungsrecht sämtliche Veränderungen, die die reine Baumasse betreffen, wie Geschosshöhen und die Größe der einzelnen Baukörper. Im Fall des Brempter Hofs muss sich der Architekt am baulichen Umfeld orientieren, das aus zwei- bis dreigeschossiger Bebauung besteht. Rainer Lucas stellt sich bei seiner Auseinander-setzung mit dem Ort außerdem die Frage: „Inwieweit kann ich die bauliche Historie des ehemaligen Vierkanthofes wieder aufnehmen und interpretieren? “

Eingangstür, Glas

„Wichtig ist eine offene, ständige Kommunikation zwischen Bauherr, Architekt und Bauaufsicht.“ (Ulf Prechtel, Fachanwalt für Baurecht)

Sämtliche Informationen von „A“ wie Altlasten bis „Z“ wie „Zulässige Nutzung“ fließen in die Vorplanung des Architekten ein. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und nach intensiven Vorgesprächen mit Fachleuten und städtischen Ämtern erstellt er einen ersten Entwurf mit einer vorläufigen Kostenermittlung und einer Rentabilitätsberechnung für den Bauherrn. Dieser Entwurf mündet in einen sogenannten Vorhabenerschließungs-plan, den das Planungsamt dem Gestaltungsbeirat der Stadt Krefeld vorgelegen wird, weil das Projekt eine städtebauliche Relevanz hat. Das siebenköpfige Gremium besteht aus Mitgliedern des Bundes Deutscher Architekten (BDA), des Verbandes der freischaffenden Architekten (VfA), des Bundes deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB), des Deutschen Werkbundes (DWB) sowie des Bundes deutscher Landschaftsarchitekten (BDLA). Der Gestaltungsbeirat erarbeitet nun eine Empfehlung für die Stadtverwaltung. Denn es ist der Stadtrat, der die endgültige Verkaufsentscheidung trifft. Der Bauwillige ist in dieser Phase noch nicht der Eigentümer.

„Sämtliche Informationen von „A“ wie Altlasten bis „Z“ wie „Zulässige Nutzung“ fließen in die Vorplanung des Architekten ein. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und nach intensiven Vorgesprächen mit Fachleuten und städtischen Ämtern erstellt er einen ersten Entwurf mit einer vorläufigen Kostenermittlung und einer Rentabilitätsberechnung für den Bauherrn.“

„Kunststofffenster wird es bei einem solchen Objekt niemals geben, und auch keine Glasfronten mit sieben Metern Länge und drei Metern Höhe. Bei einem Baudenkmal sind alle Veränderungen erlaubnispflichtig.“, Torbogen, GartenDie Mitglieder des Gestaltungsbeirates protokollieren Anregungen und Bedenken und schicken sie dem Architekten und dem Bauherrn zu. Beratend, also ohne Stimmrecht, können bei Bedarf weitere Personen dazukommen: der Oberbürgermeister, der Beigeordnete für den Geschäftsbereich Planung, Bau und Gebäudemanagement, der Leiter und Mitarbeiter des Fachbereichs Stadtplanung, der Vorsitzende des Ausschusses für Stadtplanung und Stadtsanierung sowie je ein Vertreter der im Stadtrat vertretenen Parteien. Sprechen zu viele Argumente gegen eine Überplanung, kann das Vorhaben zu diesem Zeitpunkt gestoppt werden.

„In diesem Fall besteht für den Bauwilligen kein Anspruch, das Projekt zu Ende zu führen“, so Ulf Prechtel, Fachanwalt mit Schwerpunkt Baurecht bei der Krefelder Kanzlei GTW. Schon jetzt wird deutlich: Die Vielzahl von Entscheidungsträgern erfordert klare Absprachen in der Phase der Vorplanung. Hat der Gestaltungsbeirat sein OK gegeben, ist die Bauaufsicht am Zug. Sie prüft auf Antrag des Bauherrn die Stellungnahmen der Fachbereiche Stadtplanung, Untere Denkmalbehörde, Grünflächen und Umwelt sowie von den Versorgungsträgern und gegebenenfalls auch der Feuerwehr. Diese geben verbindliche Aussagen darüber, was erlaubt ist und was nicht. In diesem Zusammenhang ist Christian Salm von der städtischen Bauaufsicht eins ganz wichtig: „Der Antragsteller hat ein Recht auf eine Baugenehmigung, solange die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Wir möchten grundsätzlich Bauvorhaben ermöglichen und nicht verhindern.“

Den Geist des Ortes spüren - Eine fiktive Fallstudie: Der Umbau des Brempter Hofs in Uerdingen zu einem Wohn- und Bürokomplex,

Kompetent und kreativ für Krefeld (v.l.): Rainer Lucas, Gerhard Hanisch, Ulf Prechtel, Christian Salm, Markus Bernthaler

Ist die Baugenehmigung erteilt, leitet der Architekt die nächsten Leistungsstufen ein. Sie reichen von der Entwurfsplanung bis zur Vergabe an die Gewerke und die anschließende Bauleitung. Darüber hinaus werden sämtliche Arbeiten von der städtischen Bauaufsicht überwacht. Christian Salm dazu: „Es kann vorkommen, dass trotz aller Absprachen abweichend gebaut wird. Deshalb begleiten wir das Bauvorhaben bis zu seiner Fertigstellung.“ Und Denkmalpfleger Gerhard Hanisch fügt hinzu: „Selbst wenn alle Genehmigungen da sind, heißt das nicht, dass alles funktioniert. Ich kenne Fälle, in denen während der Bauphase der Schallschutzsachverständige kam und auf eine Lösung für den plötzlich aufgetauchten Zwischenraum zwischen Wohnung A und Wohnung B bestand.“

Solche nicht vorhersehbaren „Überraschungen“ werden dann umgehend behoben. Dank sofortiger Absprachen mit allen Beteiligten ist das kein Problem, sondern lediglich eine Herausforderung.

Damit das fiktive Projekt Brempter Hof reibungslos umgesetzt werden kann, bedarf es in jeder einzelnen Stufe einer intensiven Vernetzung und Kommunikation aller Beteiligten. Nur dann wird sich der Neubau am Ende so harmonisch in den historischen Uerdinger Stadtkern einfügen, dass sich beim Betrachter ein gutes Gefühl einstellt. Oder wie es Architekt Rainer Lucas philosophisch ausdrückt: „Ein Gefühl, dass uns versichert: das neue Gebäude atmet den Geist des Ortes.“