Unweit der Kreuzung von Moerser und Leyentalstraße finden Freunde alter Automobile, versteckt hinter einer unscheinbaren Einfahrt, den Schaffensort von Jörg Enger. Der gelernte Autosattler repariert und polstert an diesem Standort seit fünf Jahren tagein tagaus traumhafte Liebhaberwagen. Doch sein erlerntes Handwerk nutzt er nicht allein für Automobile.
Entfacht durch eine Abenteuergeschichte im Lesebuch der 1. Schulklasse wurde Jörg Enger schon als Kind zum Autofan. „Das Buch heißt ‚Fangt fröhlich an‘. Es geht um eine Schülergruppe, die ein altes Auto findet, aufbaut
und dann damit um die Welt fährt. Das ist einfach der Knaller. Hat mich wohl frühzeitig geprägt“, erzählt der gebürtige Krefelder schmunzelnd. Inzwischen sei er selbst bereits mehr Marken gefahren als der Normalverbraucher Autotypen kennt. Sein überregional bekannter Betrieb ist auf Polsterung, Innenausstattung und Verdecke historischer Fahrzeuge spezialisiert, für die Enger und sein Mitarbeiter mit den unterschiedlichsten Materialien und – wenn nötig und möglich – auch mit traditionellen Handwerksmethoden arbeiten. Seine umfassenden Kenntnisse in Sachen Stoff, Garn und Schnitt nutzt der Oldtimerspezialist inzwischen seit mehr als zwei Dekaden auch für die professionelle Polsterung von Rollstuhlsitzen für Menschen mit schweren Behinderungen. Ein berufliches Kontrastprogramm.
Jörg Enger
„Meine Kunden sind Sanitätshäuser, die Sonderbauten ausstatten möchten. Ich werde wirklich nur da tätig, wo man nichts mehr nehmen kann, was ‚von der Stange‘ ist.“
Wenn das Leben im Sitzen stattfindet: Maßanfertigungen für Rollstuhlfahrer
„Meine Kunden sind Sanitätshäuser, die Sonderbauten ausstatten möchten. Ich werde wirklich nur da tätig, wo man nichts mehr nehmen kann, was ‚von der Stange‘ ist. Angefangen hat das Ganze vor 25 Jahren. Damals hatte
ein Kunde sein Motorrad bei mir abgegeben. Danach kam er zu mir und fragte mich, ob ich einen Kopfhalteriemen für eine Bekannte machen könne, die im Rollstuhl sitzt. Das habe ich gemacht, und so entwickelte sich dieser Bereich weiter. Meine ersten Arbeiten damals waren dann Kinderrollstühle“, erzählt er rückblickend. Ganz anders als in Engers Hauptgeschäft geht es bei den medizinischen Rollstuhl-Sonderanfertigungen um reine Funktionalität. Für Sonderwünsche ist in diesem Bereich kaum Platz. „Ein Rollstuhl ist eh schon wahnsinnig teuer. Aber es ist kein Luxus- sondern ein Gebrauchsartikel. Da geht keiner
her und sagt ‚Ich will jetzt vergoldete Räder‘ oder sowas. Die Leute möchten in allererster Linie so weit wie möglich autark und mobil sein“, erzählt der 51-Jährige. Dennoch versucht Enger, sich trotz aller funktionsbedingter Einschränkungen möglichst nach den ästhetischen Präferenzen seiner Kunden zu richten. „Ich hatte schon mal einen jungen Mann, der war Schalke-Fan. Dem habe ich den Sitz dann blau-weiß gestaltet. Ab und zu bekomme ich von Kunden auch Aufnäher vom Lieblingsverein, die werden dann natürlich auch aufgebracht“, erzählt der Spezialist für Bezüge und Polsterungen, der bei der Umsetzung seiner Aufträge auch proaktiv gestalterisch tätig wird.
Nur, wenn der Stoff auch zu Kern und Form des Sitzes passt, erhält der Kunde schlussendlich ein Fortbewegungsmittel, in dem er unter Umständen den gesamten Tag verbringen kann – dafür ist ab und zu auch ein wenig Fantasie gefragt. Für viele Aufträge erhält der Krefelder lediglich einen stichpunktartig ausgefüllten Spickzettel und Markierungen auf den Sitzformen als Leitfaden. Nur selten gibt es festgeschriebene Vorgaben – das hat auch seine Gründe. „Das, was ich hier mache, macht kein anderer, weil kaum jemand genug Erfahrung dafür hat. Man muss ganz genau das Material und die Problemstellung kennen. Es gibt ganz unterschiedliche Stoffe, die sich für die verschiedensten Dinge eignen“, beschreibt Enger und deutet auf eine aktuelle Auftragsarbeit. „Hier sieht man zum Beispiel vorgemalte Linien. Das sind Richtlinien für die Nähte. Ich werde da aber keine Nähte setzen, weil ich weiß, wie das Material sich verhält. Und zudem ist das hier die Stelle, wo später der Oberschenkel aufliegt. Wenn wir hier eine Naht setzen würden, hätte der Patient später eine Druckstelle. Also setze ich sie dort, wo kein Bein hinkommt.“
Den Endabnehmern begegnet Enger fast nie. Umso erstaunlicher ist es, dass Gespür und Erfahrung ausreichen, ihnen ein Stück Lebensqualität zu erschaffen. Mehrere tausend Aufträge sind bereits durch die Hände des versierten Handwerkers gegangen. Inzwischen nimmt die Arbeit im Krankenausstattungsbereich rund ein Viertel seiner monatlichen Geschäftszeit ein – und neben dutzenden Ledern, Kunstleder-, Velours- und Schaumstoffrollen ist ein großes Lagerregal ausschließlich den kunterbunten Stoffen für Spezialrollstühle vorbehalten, auf die mehr als sieben Millionen Deutsche tagtäglich angewiesen sind.
Der Oldtimerservice GmbH
Moerser Straße 75, 47803 Krefeld
Öffnungszeiten: Mo-Fr 9-18 Uhr
Telefon: 02151-3612138
www.deroldtimerservice.de