
Beate und Christoph Leiders mit Schafbock Sülemann
Wenn Sauen mit ihren Ferkeln an der frischen Luft bei natürlichem Licht leben, in Stroh- und Heuhaufen ihrem Wühlinstinkt nachkommen können und Rückzugsmöglichkeiten in Boxen haben und wenn Hühner ohne kupierte Oberschnäbel auf einer Naturweide mit Kleegras einen riesigen Auslauf genießen, dann sind das Vorzeigemodelle für eine vorbildliche und respektvolle Tierhaltung. Auf dem Stautenhof in Anrath werden die Bedürfnisse aller Tiere geachtet.
Der Stautenhof ist eine „Eins-a“-Adresse für biologisch bewusste Kunden. Und das hat nichts mit der Adresse „Darderhöfe 1a“ zu tun. Familie Leiders praktiziert auf ihrem Biohof ein Modell, das in Nordrhein-Westfalen einmalig ist. Vom Futteranbau über die Aufzucht und Schlachtung von Schweinen und Hühnern bis zur Verarbeitung und zum Verkauf findet alles unter einem Dach statt. „Kreislaufwirtschaft“ nennen das die Fachleute.
Beim Rundgang mit Biohof-Inhaber Christoph Leiders (50) spürt man seine Identifikation mit den Tieren. Manchmal scheint es sogar, als würde er in die Seele seiner Sauen oder Weidehähnchen eintauchen. Dann fallen Sätze wie dieser: „Das Tier soll nicht dem Stall angepasst werden, sondern der Stall dem Tier.“ Das 40-köpfige Team vom Stautenhof tritt in jedem Bereich seines 60 Hektar großen Geländes den Beweis an, dass ausschließlich ökologischer Ackerbau und tierfreundliche Haltung moralisch verantwortbar sind. Aus dieser tiefen Überzeugung heraus sind alle Abläufe auf eine nachhaltige Landwirtschaft ausgelegt. Das bedeutet für Ökobauer Leiders auch, „unseren Kindern eine Welt zu hinterlassen, die wir möglichst wenig negativ beeinflusst haben. Wichtig ist uns auch ein gutes Betriebsklima“.
Es weht ein guter Geist im Stautenhof. Egal, wo man Mitarbeitern begegnet – ob im Sauenstall, auf dem Feld oder in der Hofbäckerei – überall werden freundliche Worte mit dem Chef gewechselt und dabei kurze Absprachen getroffen. Das betriebliche Konzept wurde vor zwei Jahren sogar mit dem bundesweiten Förderpreis Ökologischer Landbau ausgezeichnet. Beate Leiders (49) leitet die Direktvermarktung. Bevor die Produkte aber in der Metzgertheke des liebevoll eingerichteten Hofladens mit Bistro oder in der Kantine von Esprit in Ratingen landen, stehen der hofeigene Anbau von Futtermitteln und die Aufzucht der Tiere.

Ein „glückliches“ Huhn: der Oberschnabel ist nicht gestutzt
Direkt an der Auffahrt gegenüber einer malerischen Weide mit zwei Haflingern, einigen neugierigen Kühen, vier Mutterschafen und dem anhänglichen Schafbock Sülemann liegt der Gruppenstall für Muttersauen. Hier residiert Eber „Eberhard“ mit acht Sauen und rund 80 Ferkeln. Der Blick fällt auf den offenen Außenbereich. „Von 40 Millionen Schweinen in Deutschland leben kaum noch welche draußen“, betont Landwirtschaftsmeister Christoph Leiders. Einige Sauen genießen die letzten Sonnenstrahlen, eine säugt ihre Ferkel. Ein Teil des Nachwuchses läuft quiekend zwischen dem Auslauf und der Stallgasse hin und her. In eine der zahlreichen Boxen hat sich eine tragende Sau zurückgezogen. Sie wird in den nächsten Stunden ferkeln und findet hier auf Stroh die nötige Intimität. Der Biobauer erklärt, dass dieser Stall mit Außenbereich, Fressbereich, Bewegungsbereich und Schlafbereich den Sauen etwa dreimal soviel Platz bietet als in der konventionellen Haltung. Dort steht den Tieren meist nur ein einziger Raum zur Verfügung, in dem sie fressen und schlafen und vor allem auch ihrem eigenen Kot ausgesetzt sind. Das widerspricht dem Urverhalten der Tiere, die sehr reinlich sind und von Natur aus ihren Kot- und Liegebereich strikt voneinander trennen. Diese Möglichkeit bekommen sie auf dem Biohof.
Die Tiere werden unruhig. Es gibt Futter, Silage. Das ist durch Vergärung von Milchsäure haltbar gemachtes Grünfutter vom eigenen Weideklee-Feld nebenan. „Zusätzlich bekommen die Sauen unser selbst geschrotetes und gemischtes Futter aus Weizen, Gerste, Mineralstoffen und Eiweißfuttermitteln wie Erbsen und Bohnen“, ergänzt der ambitionierte Landwirt. Die Art der Fütterung unterscheidet sich ebenfalls von der konventionellen Haltung. Christoph Leiders dazu: „In intensiven Mastbetrieben bekommen Schweine eine sehr energiereiche Mastration und sind innerhalb von 30 Minuten abgefüttert. Dann haben sie den Rest des Tages Langeweile und beginnen, ihre Kollegen anzuknabbern, meist am Schwanz. Deshalb kopiert man diesen Schweinen die Schwänze. Das ist in der Ökohaltung verboten und auch nicht notwendig, weil unsere Tiere durch die verschiedenen Funktionsbereiche genug Abwechslung haben.“
Christoph Leiders über Glyphosat: „Das ist ein Total-Herbizid. Deshalb darf man es eigentlich nicht ,Pflanzenschutzmittel‘ nennen. Es zerstört sämtlichen natürlichen grünen Aufwuchs. Es sei denn, die Pflanzen sind gentechnisch verändert.“
Die Frage, ob die Psyche eines Bioschweins vor dem Schlachten stabiler ist als die eines Schweins aus Massentierhaltung, beantwortet der Ökobauer mit einen klaren Ja: „Denn bei uns übernehmen die Landwirte, bei denen die Tiere aufwachsen, das Schlachten und nicht der Metzger, der sie zum ersten Mal sieht.“ Dieses Vertrauensverhältnis werde dann allerdings ganz zum Schluss einmal enttäuscht, schiebt er schmunzelnd hinterher, wohl wissend, dass die Sauen dann nichts mehr spüren. Jede Woche werden auf dem Stautenhof, der insgesamt 50 Zuchtsauen, zwei Eber und rund 450 Mastschweine beherbergt, 20 Schweine geschlachtet.
Das Unternehmen Tönnies schlachte 3.000 in einer Stunde, so Christoph Leiders. Die Weiterverarbeitung des Fleisches findet in der hofeigenen Metzgerei statt. Und so landen kurze Zeit später Filets, Bauchfleisch Schälrippchen und Gehacktes in der Fleischtheke des Hofladens.
Der Clou: Mobile Hühnerställe
Weitere Besonderheit des Stautenhofs sind die großzügigen Weiden mit üppigem Kleegras. Hier leben Weidehähnchen und Puten ganzjährig in mobilen, fahrbaren Ställen auf großen Ausläufen. Jedes Tier hat im Schnitt vier Quadratmeter Weidefläche für sich allein und somit stressfreie Lebensbedingungen. So kommt es auch nicht zum gegenseitigen Picken und Kannibalismus, was in der Massentierhaltung immer wieder passiert. Hühner aus Massenhaltung wird daher generell der Oberschnabel weggebrannt, um Verletzungen zu verhindern. „Das Schnäbelkürzen hat außerdem zur Folge, dass die Tiere nicht mehr in der Lage sind, gezielt Körner zu picken“, erläutert Christoph Leiders. In der ökologischen Hähnchenhaltung ist das verboten. Mit seinen mobilen Hühnerställen ist der Stautenhof einer der Vorreiter in Nordrhein-Westfalen.
Der Ökobauer erklärt, dass wie bei den Schweinen auch hier die Haltung den Gewohnheiten der Tiere angepasst wird: „Ein Huhn hat die Angewohnheit, in der Nähe vom Stall zu bleiben. Das hat zur Folge, dass dieser Bereich so stark beweidet wird, dass die Grasnarbe kaputt geht. Unsere mobile Haltung ermöglicht es, den Stall dann einfach ein paar Meter weiter auf frische Weideflächen zu ziehen.“ Das natürliche Grün ist frei von Keimen oder Parasiten und somit das optimale Tierfutter. Deshalb ist das für einen Biohof die ideale Form, Geflügel zu halten, das auch später für den menschlichen Organismus völlig unbedenklich ist.

Sofie Leiders (82) kocht einmal in der Woche für die landwirtschaftlichen Mitarbeiter. An den anderen Tagen bereitet sie zusammen mit einer ehemaligen langjährigen Mitarbeiterin Speisen für das Bistro vor. Heute sind es 40 Kilo Kartoffeln.
Die modernen Hühnerställe verfügen auch über eine Lichtsteuerung, die zu wenig Tageslicht in den Wintermonaten ausgleicht und über Auslaufklappen, die per Zeitschaltuhr geöffnet und geschlossen werden. Wer selbst Hühner hat, weiß, dass sie sich beim Sonnenuntergang von alleine in den Stall zurückziehen. Dann schließen auch die Klappen, und die Hühner sind geschützt von natürlichen Feinden wie Marder und Fuchs. Um die freilaufenden Hühner vor Greifvögeln zu schützen, stellt das Stautenhof-Team auf jeden Auslauf einen Hänger. „Wenn die Tiere darunter grasen, wird ein Bussard sie nicht im Sturzflug erwischen können. Dafür reicht sein Anflugwinkel einfach nicht“, erläutert der Mann mit dem „tierischen Wissen“.
Eier gibt’s zum Kilo-Preis
Wo Hühner sind, gibt es auch Eier. Logisch. Eine Besonderheit im Stautenhof ist aber, dass die Bio-Eier nicht nach Größen sortiert werden. Beate Leiders: „Da die Eier der jungen Hühner am Anfang noch recht klein sind, mit zunehmendem Alter aber größer werden, haben wir uns überlegt, den Preis der Bio-Eier auf Kilogramm-Basis zu berechnen.“
Christoph Leiders und sein Team können stolz sein auf die Entwicklungen der vergangenen 20 Jahre, in denen der Stautenhof zu einem über die Region hinaus bekannten Ökobetrieb geworden ist. Und weil er darüber hinaus ein anerkannter Demonstrationsbetrieb für ökologischen Landbau ist, macht er seine Abläufe auch transparent. Nicht nur für die KR-ONE, sondern auch bei Führungen. Jeden ersten Samstag im Monat wird ein Betriebsbereich vorgestellt. Am 1. Oktober geht es um die Hähnchen-Haltung, am 5. November wird der hochmoderne Rinderstall vorgestellt.
Das ist schon die nächste Neuerung. Bislang standen nur einige der hofeigenen Weide-Rinder aus dem Kooperationsbetrieb in der Eifel kurz vor der Schlachtung in Anrath. In Zukunft werden rund 40 Rinder in ihren letzten Wochen die Vorzüge artgerechter Haltung genießen: mit einem Außenauslauf, der sogar laut Bio-Verordnung nicht notwendig ist. Für den Mann mit dem tierischen (Ge)Wissen aber Ehrensache.
Stautenhof, Darderhöfe 1 a, 47877 Willich-Anrath
Öffnungszeiten von Metzgerei, Naturkostladen und Bistro/Bäckerei:
dienstags bis freitags 9 bis 18.30 Uhr, samstags 8 bis 14 Uhr
Telefon: 02156-911555, www.stautenhof.de