Krefeld – die Stadt wie Samt und Seide. Böse Zungen spotten über diesen Slogan. Zu lange vergangen ist die Zeit der Edeltextilien, zu optimierungsbedürftig unsere Stadt, als dass man sie mit dem haptischen Äquivalent von Nektar und Ambrosia vergleichen könnte. Es ist wahr, dass die Hochzeiten der Webereien seit Jahrzehnten vorbei sind und diverse Krefelder „Ecken und Kanten“ mehr als Makel denn als charmante Charakteristika auffallen. Doch wo etwas schwindet oder fehlt, kann Neues entstehen. Dass hierbei ab und an ein wenig Starthilfe geleistet werden muss, wissen Oberbürgermeister Frank Meyer und IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz genau. Sie treiben die Entwicklung des Aktionsplans Wirtschaft für Krefeld voran. Ziel der Maßnahme: Eine wirtschaftsstärkere, zukunftsorientiertere und lebenswertere Seidenstadt.

Aktionsplan Wirtschaft für Krefeld

Oberbürgermeister Frank Meyer

„Früher war jeder Zweite hier in der Textilindustrie beschäftigt. Seitdem hat die Stadt einen dramatischen Strukturwandel durchlaufen“, fasst Frank Meyer zusammen. „Dennoch ist und bleibt Krefeld Samt- und Seidenstadt. Der Slogan beschreibt nicht nur einen Industriestandort, sondern die Eman- zipation Krefelds. Mit dem Aufkommen der Textilindustrie ist dieser Ort zu einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Städte des Deutschen Reichs geworden. Die Seidenindustrie war sehr stark mit Kunst und Kultur verbunden, und ihre Erben haben der Stadt viel gestiftet. Wenn ich von Samt und Seide rede, dann meine ich damit nicht das Weben von Stoffen, son- dern eine bestimmte Denkweise, die in dieser Zeit geprägt wurde und die bis auf den heutigen Tag wirkt.“ Von der einst florierenden Handelsstadt ist heute nicht mehr viel zu spüren. In einer 2018 veröffentlichten großen Standortanalyse bezeichnete die IHK Mittlerer Niederrhein den Standort Krefeld selbst als „noch ausbaufähig“, besonders in Bezug auf die Verkehrsinfrastruktur, Flächenpolitik und Breitbandausbau – aber auch mit Augenmerk auf die Weiterentwicklung einer lebenswerten Innenstadt.

Zugleich präsentierte sich die industrielle Entwicklung Krefelds als sehr vielversprechend. IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz zeigt sich optimistisch: „Krefeld ist heute weit mehr als Samt und Seide. Das wollen wir weiter entwickeln“, so der 51-Jährige. Stadtverwaltung und IHK wollen nun relevante Handlungsfelder gemeinsam angehen, um mit Krefelds durchwachsenem Image aufzuräumen und den Standort nicht nur für Unternehmen attraktiver, sondern auch für seine Bewohner lebenswerter zu machen. Der immer wieder laut werdenden Kritik an den langsam mahlenden Mühlen der Stadtverwaltung entgegnet Frank Meyer: „Wir werden im nächsten Jahr erstmals seit über 25 Jahren wieder einen ausgeglichen städtischen Haushalt erreichen und die Einschränkungen der Haushaltssicherung verlassen. Wir haben ein Schulsa- nierungsprogramm mit über tausend Maßnahmen aufgesetzt, mit einem Finanzvolumen von mittlerweile 170 Millionen Euro, da sind wir absolut im Plan. Wir haben ein KiTa-Ausbauprogramm, das umgesetzt wird. Unsere Straßen und Radwege werden kontinuierlich saniert. Das sind jetzt einige wesentliche Beispiele. In den Bereichen, die ich persönlich für wichtig erachte, befinden wir uns in einer sehr sauberen Abarbeitung.“

Aktionsplan Wirtschaft für Krefeld

V.l.n.r.: KR_ONE-Herausgeber Michael Neppeßen, Oberbürgermeister Frank Meyer, IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz

Grundsätzlich seien öffentliche Entscheidungsprozesse aber immer langwieriger als private. Ein verstärkter Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaftsexperten solle nun dazu beitragen, Krefeld auch in anderen wirtschaftlich relevanten Bereichen schnell und effizient zu optimieren. Namhafte Persönlichkeiten der Krefelder Geschäftswelt sitzen je einer Arbeitsgruppe in den Handlungsfeldern Infrastruktur, Mobilität und Flächen, Innovation, Digitalisierung und Gründung, Lebensqualität und Urbanität sowie Bildung, Fachkräfte und Arbeitsmarkt vor, die ihrerseits seit gut einem Jahr an der Formulierung sinnvoller und umsetzbarer Projekte arbeiten. „Die Stadt der Zukunft ist eine intelligent vernetzte Stadt. Deshalb widmen wir uns Themen wie Logistik und Mobilität oder Bildung und Innovation, beschäftigen uns zum Beispiel gerade mit der Umsetzung eines City Hubs“, erläutert Jürgen Steinmetz, der zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht zu viel über die geplanten Aktionen verraten möchte. „Außerdem soll es eine Coding School geben, vorangetrieben durch drei engagierte wissenschaftliche Mitarbeiter der Informatik aus der Hochschule Niederrhein“, beschreibt der IHK-Chef. „Wir werden die Projekte, die wir uns hier vornehmen, ganz eng begleiten. Und nicht nur in der Entstehungs-, sondern erst recht in der Umsetzungsphase.“

Aktionsplan Wirtschaft für Krefeld

IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz

Bleibt die Frage der Finanzierung. „Keine gute Idee scheitert daran, dass kein Geld vorhanden ist“, beantwortet Jürgen Steinmetz. „Ich bin überzeugt und sehr optimistisch, dass die Umsetzung des Aktionsplans gelingen wird. Es liegt nun an allen Beteiligten, potenzielle Geldgeber so zu überzeugen, dass sie investieren möchten.“ Die Arbeitsgruppen seien sehr engagiert, und die IHK berücksichtige bereits erste Projekte in der Wirtschaftsplanung für 2020. Für das Projekt Coding School werden noch Unternehmensspon- soren für die längerfristige Finanzierung gesucht. Eine Machbarkeitsstudie zum Projekt City Hub ist bereits in Arbeit, Ergebnisse wird es Ende des Jahres geben. Optimismus wecke auch der geplante Besuch des NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet zur großen Aktionsplan-Veranstaltung am 3. März kommenden Jahres, mit der die offizielle Umsetzungsphase des Aktionsplans eingeläutet wird.

Wie viele Großprojekte vorher, ist auch der Aktionsplan Wirtschaft kein Hauruckprojekt, sondern wird Zeit brauchen, um sein volles Potenzial zu erreichen und so einen merklichen Einfluss auf die Stadtentwicklung zu nehmen. Dennoch: Eine Aktion wie diese hat es bis dato noch nicht gege- ben. Wo früher einzelne Instanzen an unterschiedlichen Enden gestrickt haben, weben sie heute mit einem gemeinsamen roten Faden.

Im September wird ein Online-Portal veröffentlicht, auf dem Interessierte die Projektentwicklung des Aktionsplans mitverfolgen können. Für Vor- schläge der Bürger sind die Stadt und IHK offen. Allerdings sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass nicht jeder Vorschlag umgesetzt werden kann. IHK und Stadtverwaltung bitten deshalb darum, nur wirtschaftsbe- zogene, konstruktive Beiträge einzusenden.