Rund einhundert Meter weit streckt sich der breite Betonkorridor unter der Hansastraße. Links und rechts ist er entlang der Wände in Nischen eingeteilt, beinahe wie in einem Parkhaus. Aber hier stehen keine Autos. Auch Menschen sind nicht zu sehen. Das war einmal anders: Vor nunmehr rund 80 Jahren kauerten hier tausende Krefelder Bürgerinnen und Bürger in Angst, suchten Zuflucht vor den Bombenangriffen der Alliierten. Der Bunker unter dem Gebäudekomplex, der das Cinemaxx und das Ibis Hotel beheimatet, war ein Ort der Hoffnung, auch wenn es heute schwerfällt, das zu glauben, so kalt und grau wie er ist. Im Juli wird sich das ändern: Dann nämlich halten hier für die Downtown Gallery 20 internationale Streetart-Künstler und mit ihnen Farbe und Leben Einzug.
Das Projekt ist im Perspektivwechsel-Jahr 2019 die Fortführung der ähnlich gelagerten Streetart-Ausstellungen von 2015 und 2017, der Wood Art Gallery am Hülser Bruch und der Rhine Side Gallery am Uerdinger Hafen. „Mithilfe der ausstellenden Künstler war es uns damals gelungen, weitgehend unbeachtete Krefelder Orte mit Kunst neu zu beleben“, resümiert Ulrich Cloos den Erfolg der Ausstellungen. Passend zum Thema „Baukultur“, dem sich der Perspektivwechsel in diesem Jahr zuwendet, wurde mit dem Bunker für die Neuauflage ein architektonisch besonders interessanter Ort ausgewählt. „Die Krefelder Hochbunker sind den meisten bekannt, aber der Bunker an der Hansastraße ist von außen absolut unsichtbar – und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich“, erläutert Cloos und fügt hinzu: „Wir hatten die Idee, dieses historisch bedeutende Bauwerk zu öffnen und den teilnehmenden Künstlern die Gelegenheit zu geben, sich vom einzigartigen Ambiente inspirieren zu lassen. Wir sind gespannt, wie sie ihre Eindrücke verarbeiten werden.“ Für die Akquise der rund 20 Street Artists aus aller Welt bedurfte es keiner großen Überzeugungsarbeit mehr: Viele von ihnen wirkten bereits an der Wood Art und der Rhine Side Gallery mit und konnten ebenso schnell für das neue Projekt begeistert werden wie Kuratorin und Streetartist Frederike „Fredda“ Wouters für die wiederholte künstlerische Leitung.

Der Bunker unter der Hansastraße ist von außen unsichtbar – und der Öffentlichkeit normalerweise unzugänglich
Dem erfolgreichen Konzept blieb man treu: Demnach ist auch die Downtown Gallery schon während der Arbeitsphase vom 24. bis 26. Juli, in der die Künstler an ihren Werken arbeiten, für Besucher geöffnet. Kunst- begeisterte können sich also nicht nur das Endergebnis der künstlerischen Arbeiten anschauen, sondern dem Entstehungsprozess live beiwohnen, mit den Künstlern das Gespräch suchen und mitverfolgen, wie sich ihre Werke vom ersten Entwurf bis zur Fertigstellung verändern. Die eigentliche Ausstellung läuft dann vom 27. Juli bis mindestens Ende August: Die Downtown Gallery steht Besuchern dann am Donnerstag von 11 bis 18 Uhr sowie Freitag, Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr offen. Auch Führungen sind geplant, zudem werden die Räumlichkeiten als 360°-Panorama im Netz ausgestellt. Cloos hat sich bei der Terminierung bewusst für die Sommerferien entschieden: „Die Erfahrung zeigt, dass sich der große Ferien-Exodus in der Stadt längst nicht mehr bemerkbar macht. Und die Zu-Hause-Gebliebenen freuen sich über das zusätzliche kulturelle Angebot.“ Als besondere Auszeichnung empfindet das Team vom Krefelder Stadtmarketing nicht zuletzt die positiven Resonanzen aus anderen Städten. So haben die Gemeinden Mönchengladbach, Neuss und Geldern die Idee der Streetart Gallerys begeistert aufgegriffen und vergleichbare Events ins Leben gerufen. Von Konkurrenzdenken kann aber keine Rede sein, im Gegenteil: Unter dem Namen „Home Street Home“ machen die vier Städte vielmehr gemeinsame Sache, bieten kreativen Streetart-Künstlern in den Sommermonaten eine attraktive Plattform und den Einwohnern ganz neue Perspektiven und Blickwinkel auf ihre Heimatstädte.
Kunst aus den Museen rauszuholen und auf die Straße, zu den Menschen, zu bringen, sie zum Teil des öffentlichen Lebens zu machen: Das ist es, was Streetart von anderen Kunstformen unterscheidet. Diese kommunikative Wechselwirkung zwischen Kunst und Mensch ist aber auch der rote Faden, der sich durch die Projekte des Perspektivwechsels zieht. Die Downtown Gallery ist vielleicht das bislang ambitionierteste von ihnen: Sie wird einen Ort des Schweigens in einen Raum der kreativen Entfaltung und des lebendigen Aus- tauschs verwandeln.
Fredda Wouters im Gespräch

Street-Artist Freddy Routers
Frederike alias Fredda Wouters wurde 1986 in Aachen geboren, wuchs aber in Kevelaer auf. Schon im Alter von 14 Jahren packte sie die Begeisterung für die Straßenmalerei, der sie sich seit 2007 professionell widmet. 2011 gründete sie das Unternehmen FreddArt Streetpainting, erstellt für verschiedene Auftraggeber Streetart- und Ausstellungskonzepte und natürlich eigene Kunst in interaktiven Performances.
Frau Wouters, was ist das Besondere an Streetart?
Das Zusammenspiel des Künstlers mit dem jeweiligen Ort. Der Raum wird in das Kunstwerk miteinbezogen, indirekt als Inspirationsquelle, aber auch direkt als Teil der Bildinszenierung. Der Aspekt der Öffentlichkeit ist ebenfalls wichtig: Der Künstler tritt in den direkten Dialog mit den Passanten.
Ein Bunker ist ein ungewöhnlicher Ort für eine Ausstellung. Was zeichnet ihn aus?
Seine Abgeschlossenheit. Künstler wie Betrachter tauchen bei Betreten in eine eigene Welt ein. Das vereinfacht es, sich auf die Erzählung, Poesie und Atmosphäre des Ortes einlassen zu können. Hinzu kommt die historische Bedeutung: Während des Aktionszeitraums kommt es zu einer Verbindung von Vergangenheit und Zukunft.
Was erhoffen Sie sich von der Downtown Gallery?
Zunächst einmal wünsche ich mir, dass einzigartige Kunst entstehen wird. Wenn es uns darüber hinaus gelingt, im Kollektiv ein einheitliches Raumer- lebnis zu schaffen, das das Publikum berührt und begeistert und zum aktiven Austausch einlädt, bin ich rundum zufrieden!
Wir sind gespannt und danken für das Gespräch!
Stadt Krefeld / Der Oberbürgermeister
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