Wer einmal miterlebt hat, wie erbittert Kinder sich um die Frage streiten können, wer den Erdbeer- und wer den Kirschjoghurt bekommt, der weiß, welche Herausforderung die Organisation des Zusammenlebens von 250.000 Menschen bedeutet. Nicht selten gleicht sie einem „Drahtseilakt und Eiertanz“, und genau so heißt auch die Veranstaltung, mit der das Stadtmarketing das Perspektivwechsel-Jahr 2019 beschließt. An der Lewerentzstraße bekommen Krefelder Bürgerinnen und Bürger am 12. Oktober die Gelegenheit, auf spielerische Art und Weise der Frage nachzugehen, wie urbane Kompromissfindung eigentlich funktioniert.

Stadtmarketing Krefeld

Claire Neidhardt, stellvertretende Leiterin des Stadtmarketings

Die Lewerentzstraße kommt einem zugegebenermaßen nicht unbedingt als erstes in den Sinn, wenn es um einen geeigneten Ort für eine Straßenveranstaltung geht, aber sie wurde vom Stadtmarketing ganz bewusst gewählt: „Als Verbindungsachse von Hauptbahnhof und Fachhochschule wird sie täglich von unzähligen pendelnden Studenten beschritten“, erläutert Claire Neidhardt die Entscheidung. „Sie ist ganz entscheidend für ihr Bild von Krefeld.“ Darüber hinaus repräsentiert sie ein breites städtisches Spektrum. „Hier finden sich neben der alten Samtweberei kleine Geschäfte, Gastronomie, Unternehmen und Werkstätten, Wohnhäuser mit schöner und weniger schöner Architektur, ein Kino, aber auch den Alexander- und der Corneliusplatz als grüne Oasen“, fasst die Marketing-Expertin das Angebot zusammen.

„WIR MÖCHTEN GANZ KONKRETE ANREGUNGEN GEBEN, WIE WIR URBANEN RAUM ZUKÜNFTIG NUTZEN KÖNNEN…“

Zum großen „Drahtseilakt und Eiertanz“ wird die Lewerentzstraße auf der kompletten Länge für den Autoverkehr gesperrt, in drei Abschnitte geteilt und mit einem bunten Programm belebt. Bei allen Aktivitäten, Aufführungen und Demonstrationen geht es, wie der Veranstaltungstitel schon sagt, um Balance und Gleichgewicht. Und jenes gesunde Gleichgewicht zu finden, ist eben auch die Aufgabe, mit der jeder einzelne Bewohner Krefelds im täglichen Zusammenleben konfrontiert ist. In den Liegestühlen und Hollywoodschaukeln (passend zum Bauhausjahr vom gleichnamigen Baumarkt gespendet), die die Lewerentszstraße säumen werden, kann sich jeder Besucher ganz entspannt auspendeln – oder er erprobt an den Slacklines seine Fähigkeiten als Seiltänzer. Verschiedene Sportler, darunter die Ringer vom KSV Germania oder der BMX-Fahrer Emerson von Stülpnagel Muniz, demonstrieren, warum Balance in ihrer Sportart besonders wichtig ist. Nach einer Rede von Oberbürgermeister Frank Meyer laufen, fallen, rollen und fliegen die Fassadentänzerinnen Gabriele Koch und Irina Hortin abends in scheinbarer Schwerelosigkeit an der Wand der Samtweberei entlang, hinauf und hinab. Und im Primus-Palast dokumentiert der Film „Man on Wire – Der Drahtseilakt“ den spektakulären illegalen Hochseillauf von Philippe Petit aus dem Jahr 1974.

Stadtmarketing Krefeld

„Wir möchten aber auch ganz konkrete Anregungen geben, wie wir urbanen Raum zukünftig nutzen können“, taucht Neidhardt tiefer ins Event-Konzept ein. Was man etwa in einer autofreien Innenstadt mit den überflüssigen Parkplätzen anstellen könnte, zeigen acht über die ganze Straßenlänge verteilte Parklets. „Sie werden von verschiedenen Partnern unterschiedlich bespielt, zum Beispiel als Sandkasten, Café, Freilicht-Geschäft, Werkstatt oder Spielecke“, zählt die sympathische Krefelderin auf. „Im Sandkasten können Kinder Sandburgen bauen und wieder einreißen“, schmunzelt Neidhardt über die einfachste Form eines städtebaulichen Kompromisses. Ein weiteres ewiges Streitthema wird ab 19 Uhr mit der „Silent Disco“ ad acta gelegt, nämlich die Frage, wie man Partylaune und Ruhebedürfnis unter einen Hut bringt: Die Musik wird mittels moderner Technik auf mehreren wählbaren Kanälen direkt von den DJs auf ausleihbare Kopfhörer übertragen, sodass gegroovt und getanzt werden kann, ohne das Anwohner von den lauten Klängen gestört werden. Ihren Abschluss finden „Drahtseilakt und Eiertanz“ dann mit der ersten KlubKultur-Nacht wieder im Primus-Palast zu Live-Musik von Kotzmann und Band.

Stadtmarketing Krefeld

Aber es gibt noch viel mehr zu entdecken, und natürlich hofft das Stadtmarketing auch auf die Kreativität und Experimentiertfreude von Besuchern und Anwohnern. Schließlich soll das Event, wie alle Aktionen des Perspektivwechsels, nicht zuletzt als Einladung verstanden werden, sich selbst einzubringen, Dinge auszuprobieren, mitzumachen, Krefeld neu zu denken und mit Leben zu füllen. Krefeld ist genau das, was wir daraus machen. Wenn wir uns Mühe geben, ist für jeden Platz. Ganz gleich, ob er Erdbeer- oder Kirschjoghurt mag.

Drahtseilakt und Eiertanz: 12. Oktober 2019, 12-22 Uhr, Lewerentzstraße; Nacht der KlubKultur: Primus-Palast, 22:30 Uhr Das gesamte Programm gibt es unter: www.krefeld.de/drahtseilakt