Tradition pur: Seit 110 Jahren gibt es die „Drogerie Lawaczeck“ in Hüls, seit 71 Jahren wird sie geführt von Josef Lawaczeck – und der Drogist hat im August seinen 90. Geburtstag gefeiert. Trotz seines hohen Alters kommt es für Lawaczeck nicht in Frage, aufzuhören. Und die Hülser danken ihm für ein nostalgisches Geschäft mit Tante Emma-Charme – das aber auch den Druck moderner Ladenketten spürt.
„Meine Frau ist von einer Wespe gestochen worden – sooo einen Flatschen hat sie an der Wade!“ Aufgeregt steht Karl Sterken vor der Ladentheke. „Bitte, ich brauche reinen Alkohol zum Kühlen“, sagt der 66-Jährige zu Drogerie-Verkäuferin Anneliese Schmitz. Schmitz nickt, eilt in einen Nebenraum, kommt mit einem Fläschchen zurück, in der eine klare Flüssigkeit schwappt. Erleichtert nimmt Kunde Sterken es entgegen. „So etwas Spezielles bekomme ich nur hier!“, sagt er.

Inhaber Josef Lawaczeck
Karl Sterken kauft nämlich gerade nicht in irgendeiner Drogerie ein. Sondern in der Drogerie von Josef Lawaczeck in Krefeld-Hüls. Und dieses kleine Geschäft an der Konventstraße 10 bietet einen Waren-Mix, den man in anderen Drogerien so nicht mehr findet. Denn die Lawaczeck-Drogerie gibt es schon seit 110 Jahren – und ihr Besitzer Josef Lawaczeck ist stolze 90 Jahre alt. Und ist, unterstützt von seiner Mitarbeiterin Anneliese Schmitz, trotz seines hohen Alters immer noch jeden Tag im Einsatz für sein geliebtes Geschäft.
Es ist ein Freitag im August, später Vormittag. Lawaczeck sitzt auf einem Stuhl neben der Ladentheke, seine Hände liegen auf dem Knauf eines Gehstocks. „1905 hat mein Großvater, der auch Josef hieß, die Drogerie gegründet“, erzählt Lawaczeck. „1944, kurz vor dem Kriegsende, habe ich das Geschäft dann von meiner Tante Elisabeth übernommen.“ Viel verändert hat sich in all den Jahren, die er sein Geschäft betreibt, nicht.
Eine antike Waage erinnert an die Zeit, in der in einer Drogerie noch alles abgewogen wurde, „zum Beispiel Bittersalz“, sagt Lawaczeck. Im unteren Bereich eines Wandregals hinter der Ladentheke finden sich alte Holzschubladen mit Emailleschildern aus der Gründerzeit. Auf den Schildern steht, was einmal in der Schublade war: „Pfefferminzblätter“, „Schafgarbe“, „Salbei“, „Traubenzucker“ oder „Zimt“. Oder auch: „Klebemittel“. Nostalgie-Fans stoßen auf faszinierende Dinge wie den „Alba Gurkendoktor“, ein Gewürz zum Einmachen von Gurken: auf einem rotgelben Tütchen ist eine gezeichnete Gurke mit Augen, Mund und Nase zu sehen, die den Kunden freundlich anlächelt. Den Hersteller des „Gurkendoktors“, die Bielefelder Firma „Alba Gewürze“, gibt es schon so lange auf dem deutschen Markt wie Lawaczeck lebt. Gerade schraubt der 90-Jährige den Deckel einer rotweißen Dose mit dem Schriftzug „Scho-Ka-Kola“ auf und holt ein Stück fast schwarze Schokolade heraus. „Das ist koffeinhaltige Schokolade, die wurde im Krieg an die Fliegerpiloten verteilt, damit sie nicht müde wurden“, verrät der alte Herr.
Auch sonst hat er viel zu erzählen aus seinem langen Drogistenleben. „Kurz nach Ende des Krieges bin ich einmal nach Köln zu ,4711′ gefahren, weil ich dort ein paar Döschchen Hautcreme für meine Drogerie kaufen wollte“, plaudert er. „In einem selbstgenähten Rucksack hatte ich ganz viel Altpapier dabei, um es gegen die Creme einzutauschen. Papier war damals nämlich so wertvoll, dass man damit bezahlen konnte.“ Mit einigen Dosen Creme in seinem Rucksack fuhr er dann wieder zurück nach Krefeld.
Keine gute Erinnerung war der Unfall, der kurz vor Kriegsende passierte. „Da ist mir ein amerikanischer Panzer ins Schaufenster gefahren und hat schweren Schaden angerichtet“, erzählt Lawaczeck. Schöner ist es für ihn, an die Treue seiner Kunden zurückzudenken; die Hülser haben ihm immer das Gefühl gegeben, unverzichtbar zu sein. „Wenn in irgendeiner Familie mal ein Schnuller verloren gegangen war und das Kind deswegen nicht schlafen konnte, haben mich die besorgten Eltern auch schon mal nachts aus dem Bett geklingelt“, sagt Lawaczeck und zuckt mit den Schultern. „Ich habe ihnen dann einen neuen Schnuller herausgesucht, habe sie bezahlen lassen und bin wieder schlafen gegangen.“
Heute ist es stiller geworden; Lawaczecks Laden ist, bei Licht besehen, ein kleines Verlustgeschäft. „Die Kettendrogerien machen mir natürlich große Konkurrenz“, nickt er bekümmert. Deshalb muss er sein Geschäft quasi durch seine Rente mitfinanzieren. Am besten verkauft sich noch der selbstgemachte Honig, den er von einem Hülser Imker bezieht. Und Rattengift. Und Pflanzenschutz- und Düngemittel. Oder Artikel zur Schädlingsbekämpfung für die Blumen im Garten. Und wenn der „Bottermaat“ ist, der beliebte Hülser Markt mit Handwerk, Brauchtum und Musik (das nächste Mal am Sonntag, 20. September), dann kommen die Menschen auch zu Lawaczeck. „Dann habe ich natürlich geöffnet!“

Schon seit 110 Jahren gibt es die Drogerie Lawaczeck in Hüls
Bis vor Kurzem zog auch noch eine andere Attraktion die Menschen an: eine Wanduhr, die immer zur vollen Stunde wie ein Vogel zwitscherte. Lawaczeck war früher nämlich ein begeisterter Hobby-Ornithologe. „Viele Kunden, besonders die kleinen, blieben solange, bis sie das Zwitschern zur vollen Stunde hören konnten“, erzählt Mitarbeiterin Anneliese Schmitz. Leider ist die Uhr kaputt gegangen. Lawaczeck hat sie zwar zur Reparatur gebracht, „aber das haben die nicht wieder in Gang gekriegt“, sagt er.
Auch die selbstgeschossenen Fotos gibt es nicht mehr: Bis vor einigen Jahren haben Schmitz und Lawaczeck den Kunden noch angeboten, vor einem weißen Blatt Papier an einer Tür Polaroid-Portraits zu machen, zum Beispiel für den Reisepass. „Aber seit diese Bilder biometrisch sein müssen, dürfen wir das nicht mehr“, sagt Anneliese Schmitz. Seit 1969 schon arbeitet sie in Lawaczecks Geschäft. Und ihr Chef ist sehr dankbar dafür: „In Frau Schmitz habe ich eine sehr treue und sehr fleißige Helferin“, sagt er und nickt seiner Mitarbeiterin zu.
Immer wieder hört man aber, dass Lawaczeck seine Drogerie bald schließen will. Ist da was dran? Da lacht der alte Herr, winkt ab. Bevor er einem in die Augen guckt. Und eine klare Antwort gibt: „Wann ich hier schließe, das wird im Himmel entschieden.“
Drogerie Josef Lawaczeck, Konventstraße 10, 47839 Krefeld, Tel.: 02151 730197