„Wenn der Deichbau abgeschlossen ist, fängt unsere Arbeit erst richtig an“, erklärt Petra Weber, die Projektleiterin der Stadt Krefeld für die aktuelle Uerdinger Rheindeichsanierung. „Hochwasserschutz erschöpft sich nicht darin, das Wasser mittels Deichen von den Menschen fernzuhalten. Wir müssen uns auch immer Gedanken machen, was passiert, wenn das Wasser doch einmal über den Deich kommt, welche Maßnahmen wir dann treffen müssen und wie wir mögliche Schäden minimieren können.“ Dabei will Petra Weber nicht bestreiten, dass Deiche eine wichtige und notwendige Schutzmaßnahme sind, die sich bei der Wasserabwehr seit Jahrhunderten bewährt haben. „Eine hundertprozentige Sicherheit lässt sich aber nie erreichen“, weiß sie zu berichten. „In Ostdeutschland zum Beispiel gab es innerhalb der elf Jahre vor 2013 vier Jahrhunderthochwasser. Statistisch gesehen hätte das gar nicht passieren dürfen. Ist es aber trotzdem.“
„Es gibt trotzdem keinen Grund zur Panik“, beruhigt die Projektleiterin. „Die Krefelder Rheindeiche sind auf ein 500-jährliches Schutzziel ausgelegt. Das heißt, nur wenn der Wasserstand des Rheins höher steigt, als es statistisch alle 500 Jahre vorkommt, schwappt das Wasser über den Deich.“ Ein solch hohes Schutzziel ist am Niederrhein allerdings auch erforderlich, da die vorbeifließenden Wassermassen hier wirklich riesig sind – 14.000 Kubikmeter pro Sekunde, das ist etwa das Gewicht von 14.000 Kleinwagen. Seine Schutzfunktion kann ein Deich aber nur voll und ganz erfüllen, wenn er baulich intakt ist, und das war der Uerdinger Rheindeich vor den aktuellen Sanierungsmaßnahmen nicht mehr. „Schon in den 90er Jahren wurde festgestellt, dass der Deich in weiten Teilen zu steil war, so dass bei Hochwasser eine Abrutschgefahr bestand. Außerdem war das Material des Deichs nicht mehr dicht genug“, berichtet Bauleiter Christian Kocks. „Als wir den Deich dann im vorigen Jahr geöffnet haben, mussten wir feststellen, dass er sogar noch maroder war, als angenommen. Aber das haben wir ja jetzt behoben.“
Begonnen haben die Baumaßnahmen am Uerdinger Rheindeich im Mai 2014. Nach der gründlichen Untersuchung – alleine um zu sondieren, ob alte Kampfmittel im Deich verborgen sind, wurden fast 400 Bohrungen durchgeführt – begannen die eigentlichen Bauarbeiten. Bereits Anfang Juli wurden die etwa zehn Meter langen Stahlspundwände, das Kernstück des neuen Deichs, eingebaut. „Zum Beginn der Hochwassersaison Ende Oktober war der Uerdinger Deich so wieder voll intakt“, versichert Bauleiter Kocks. „Danach kamen die städtebaulichen Maßnahmen.“ Der Deichbau hat nämlich nicht nur Uerdingens Hochwassersicherheit erhöht, sondern Krefelds Rhein-Stadtteil auch zu einer neu gestalteten Promenade verholfen. Die Deichkrone ist jetzt mit einer Mauer markiert, die die neue Grünfläche und den Promenadenweg von der Hafenzone am Fuße des Deichs abgrenzen. An einigen Stellen wurden kleine Plätze geschaffen und Bänke aufgestellt. Der alte Baumbestand wurde weitgehend erhalten.
„Das war schon eine riesige Baumaßnahme mit großen Belastungen für die Uerdinger Bevölkerung“, weiß Petra Weber, die hier auch gerne liebevoll „Deichgräfin“ genannt wird. „Vor allem das Einrammen der Spundwände und die Bodenverdichtung waren für die Anwohner schon ziemlich belastend“, ergänzt Christian Kocks. „Da am Rande der Baustelle teilweise 500 Jahre alte Häuser stehen, haben wir überall Erschütterungsmesser aufgestellt, um die Gefährdungen abschätzen zu können“, Manchmal ist Petra Weber während dieser Arbeiten daher direkt zu den Leuten ins Haus gegangen, um etwas zu beruhigen. „Wir waren wirklich sehr erfreut, wie groß die Akzeptanz für die gesamte Maßnahme war – trotz Lärm, Staub und einem monatelang abgesperrten Rheinufer. Aber jetzt haben wir es ja bald geschafft. Wenn alles nach Plan läuft, kann die Absperrung Anfang April aufgehoben werden.“
Die Krefelder „Deichgräfin“ betont, dass Hochwasserschutz nicht nur eine technische Maßnahme ist, sondern zugleich politische und soziologische Fragestellungen und Aufgaben beinhaltet. „Hochwasserschutz ist immer ein Spagat“, erklärt sie. „Solange nichts passiert, sieht man keinen Effekt. Da ist es bei leeren Staatskassen oft schwierig, Millionenbeträge für diese Aufgaben verfügbar zu machen. Neben technischen Fragen geht es genauso darum, welche Nutzungen man wie nah an einem Fluss haben will, in wie weit Überflutungsflächen freigehalten werden und welche Maßnahmen man für den Fall der Fälle vorsieht. Im Raum Krefeld leben 25.000 Menschen in einem hochwassergefährdeten Gebiet, wenn der Deich wirklich einmal bricht oder überspült wird, fließt das Wasser mehrere Kilometer ins Land hinein. Da muss man sich über sehr vieles Gedanken machen: vom Verkehr über Strom- und Wasserversorgung bis hin zum Umgang mit Schadstoffen, die durch das eindringende Wasser freigesetzt werden. Aber genau diese Vielschichtigkeit reizt mich an meiner Aufgabe.“
Petra Weber lächelt, wenn sie von „ihrem“ Hochwasserschutz erzählt. Die 42-jährige hat als Sachgebietsleiterin für konstruktiven Ingenieurbau, Wasserbau und Hochwasserschutz im Fachbereich Tiefbau der Stadt Krefeld genau den Beruf, den sie sich bereits seit ihrer Jugend gewünscht hat. Die Bauingenieurin ist im Schatten des Rheins, in Duisburg-Friemersheim, direkt hinter der Krefelder Stadtgrenze aufgewachsen und hat vor ihrer jetzigen Tätigkeit unter anderem für den Bergisch-Rheinischen Wasserverband in Haan gearbeitet. „Reiner Ingenieurbau hat mich nie gereizt, für mich war immer klar, dass ich zum Hochwasserschutz will. Dieses Thema ist so vielschichtig, da geht es um Geologie, Hydrogeologie, Wetter und natürlich auch um Menschen. Im Hochwasserschutz zu arbeiten, macht mich voll und ganz zufrieden.“

Deichgräfin Petra Weber
Entsprechend ihrer Interessen und Fähigkeiten haben sich Petra Weber und ihr Mitarbeiter Christian Kocks auch die Arbeit im Krefelder Hochwasserschutz aufgeteilt: Die Sachgebietsleiterin befasst sich vorwiegend mit der komplexen Materie des Hochwassermanagements, während Kocks sich mehr um die bautechnischen Aufgaben kümmert. Christian Kocks ist auch Bauingenieur, und er ist ebenfalls vom Sog des Rheins gepackt worden. „Ich lebe auch schon immer hier in der Region zwischen Duisburg und Krefeld“, so Kocks. „Nachdem ich vor zwei Jahren in dieses tolle Team mit seinen interessanten Aufgaben gekommen bin, möchte ich nicht mehr zurück zu den Kanalbauten und Pumpstationen, die ich früher betreut habe.“ Petra Weber und Christian Kocks sind sich einig, dass gutes Teamwork und eine funktionierende Kommunikation mit allen Beteiligten die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind, ein Projekt wie den Uerdinger Rheindeich gut zu bewältigen. „Genau das hat hier in Krefeld wunderbar geklappt“, versichern beide. „Und noch eins ist entscheidend: Man darf sich persönlich nicht so wichtig nehmen, wir arbeiten hier nämlich vor allem für andere.“