Über das Micro-Mini-Hörerlebnis.

Als Musikliebhaber hatte ich bisher die Anschaffung einer dieser Micro-Mini-Stereoanlagen abgelehnt. Ich konnte nie glauben, dass zwei Lautsprecher von der Größe membranbespannter Eierbecher mein Bedürfnis nach perfektem Musikgenuss befriedigen könnten. Irgendwie aber wollte ich mich nun doch nicht länger dem High Fidelilliput-Hype verschließen und so musste eines dieser kleinen Klangwunder her. „Aber bitte nur für die Küche!“ Erwartungsfroh verbluetoothte ich ein Gerät mit meinem Handy, das in Größe und Form auch der Herzschrittmacher eines indischen Wasserbüffels hätte sein können. Als der Beschallungszwerg dann zwischen Toaster und Mikrowelle seine Möglichkeiten entfaltete, weckte das meine spontane Hilfsbereitschaft und ich schaltete zu seiner Unterstützung meine basslastige Spülmaschine und die mittig dröhnende Dunstabzugshaube hinzu. Nichts für ungut. Zweifellos macht solch ein tönender Minimops seinen Job, aber der hat halt wenig mit dem zu tun, was mir seit jeher wichtig war.

Mir fällt die Zeit ein, wo sich ganze Armeen von Jugendlichen auf der Suche nach dem ultimativen Hörerlebnis in den Olymp immer größerer Soundsysteme verstiegen, um daraufhin in den wirtschaftlichen Ruin zu stürzen. Da war mein Freund Thomas, der Mitte der Siebziger mit der Puksäge die Ecken seines Kinderzimmerschranks kappte, weil sie in den Abstrahlwinkel seiner Pioneer CS-R 700 Lautsprecher hineinragten. Ich denke an das Jahr 1982, als der stereobesessene Hotte seine ehrfürchtige Fangemeinde mit den ionisierenden Flammen des Plasma Hochtöners der Magnat Transpuls MP-X 088-Boxen verzauberte und sie dann hinterher um ‚ne Mark für ein Bier anpumpen musste. Da waren die vorprogrammierten Achsenbrüche, die in die Knie gehenden Autobatterien und die umherfliegenden Scheibenwischer unserer Opel Mantas und Golf GTIs, wenn wir die mit Beton ausgegossenen Selbstbauboxen im Kofferraum zündeten. Wer aber glaubt, es sei uns nur um die Lautstärke gegangen, der irrt. Viel wichtiger war der warme Schalldruck des bis an die Grenzen ausgereizten Frequenzspektrums von Pink Floyds „Dark Side of the Moon“ oder von Alan Parsons „Tales of Mystery & Imagination“.

Klangfülle ist nun mal wesentlich von Größe abhängig und das, was das wohlige Gefühl in der Magengegend verursacht, kann von vielen kleinen Lautsprechern eben nicht wiedergegeben werden.

Ich frage mich, was wohl Herbert von Karajan sagen würde, wenn er wüsste, dass sich an Klassik interessierte Kids seine Interpretation von Gustav Mahlers grandioser Fünften Symphonie über kleinhühnerfaustgroße Mini-Speaker reinziehen. Vielleicht würde er vor Frust seine Kontrabassisten nach Hause schicken, denn deren tiefes A ist auf den akustischen Babybels eigentlich nicht zu hören und kann nur durch tontechnische Tricks der Produzenten generiert werden. Und überhaupt. Da sitzen die Bohlen’s, die Timbaland’s und Jay Z’s dieser Welt hinter ihren sündhaft teuren Aufnahmepulten und mixen sich einen Wolf, um ihre Musik auf die Fähigkeiten der billigen kleinen Klangwunder zuzuschneiden. Was soll’s? Meine Micro-Mini-Stereoanlage erfüllt ihren Zweck beim Spiegelei braten oder im Sommer auf der grünen Wiese und den Meisten dürfte der gute Sound dieser niedlichen Kraftpakete auch ausreichen. Wer aber das Ganze will, der sollte sich damit nicht begnügen. Deshalb meine Empfehlung, besonders an die Kids: „Think big – es lohnt sich.“

 

Ihr Wolfgang Jachtmann