Freunde des guten Geschmacks sollten ab sofort Platz im Navi für eine neue Adresse schaffen. Denn: rund sechs Minuten hinter der Krefelder Stadtgrenze hat es eine Wachablösung gegeben. Aus dem „Ausflugslokal“ Gasthof Neue Mühle in Moers-Kapellen ist ein Restaurant geworden, das sich mühelos mit den Vertretern der hiesigen Beletage messen kann, ohne dabei in Karottenschnitzereien zu verfallen oder andere Attitüden vermeintlicher Gourmet-Tempel an den Tag zu legen. Das, was in der neuen Neuen Mühle auf den Tisch kommt, nennen die Betreiber schlicht Landhausküche ohne Schnickschnack. Verständlich, haben sie in ihrer bisherigen Laufbahn mehr Sterne gesehen als eine Produktions-Straße von Mercedes Benz. Trotzdem hat ihr Konzept mit gewöhnlicher Landhausküche herzlich wenig zu tun. Anstelle von Schnitzel und Pommes warten hier ausgewählte Produkte aus der Region von Meisterhand veredelt auf die Gäste.

 

Mitten im vorstädtischen Naturidyll, zwischen Moers, Duisburg, Krefeld und Neukirchen-Vluyn gelegen, steht die Neue Mühle äußerlich so unaufgeregt neben einer Weide wie ein Schwabe im Karneval. Öffnet sich allerdings die Tür, offenbart sich ein Ambiente, das bis in den letzten Servietten-Knick die gastronomische Leitlinie der Inhaber Jürgen Stachels und Andreas Michel widerspiegelt. Edle Anthrazit-Töne, ein hochwertiges Mobiliar und die feine Keramik korrespondieren dabei gelungen mit dem immer noch gut erkennbaren Sennhütten-Flair vergangener Tage. Die Verquickung von Alt und Neu setzt sich auch in den Bildern an den Wänden fort. Eine Schwarz-Weiß-Mixtur aus historischen Luftaufnahmen der Stadt Moers und geschmackvoll-dezenten Erotik-Portraits. Landhaus-Atmosphäre 2.0: bodenständig, aber dennoch modern. Nicht überkandidelt und trotzdem anspruchsvoll. Ein optischer Vorbote der Speisekarte, die ebenso wie das Interieur einer klaren Philosophie folgend von Stachels und Michel entwickelt wurde.

„Wir wollten raus aus dem straffen Korsett der Spitzengastronomie, das jeden Spielraum für Individualität erstickt“, beginnt Stachels zu erzählen. Er und Michel kennen sich seit Kindertagen. Während Stachels sich einst zum Küchenchef aufschwang und über zwei Dekaden bei den besten Adressen Deutschlands, Englands, Frankreichs, Seouls und Kuala Lumpurs arbeitete, verdingte sich Michel über denselben Zeitraum als Hotelökonom in nicht minder guten Sterne-Residenzen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den USA und Italien. „Dann haben wir durch einen Zufall davon erfahren, dass die Mühle frei wird. Danach ging alles ziemlich schnell“, so der 44-Jährige weiter. Mit der gleichen Stringenz, die sie in ihrem „ersten Leben“ erfolgreich machte, drückten sie ihrem Herzensprojekt den Stempel auf. Neuer Gastraum, neue Küche und mit dem zuvor für Nelson Müller arbeitenden Thomas Manschke lotsten sie auch einen neuen Küchenchef an den Niederrhein, der nebst Stachels für das Credo „Aus der Region, für die Region“ verantwortlich ist. Was bei vielen zur bloßen Plattitüde verkommt, wird in der Neuen Mühle wahrlich gelebt. Das Wagyu-Rind stammt vom Bauern nebenan, Wild wird am Hülser Berg geschossen und die Schweine kommen vom Thönes Naturverbund, der sich zertifiziert zu höchsten ethischen Standards bei Haltung, Tötung und Transport verpflichtet hat. Lediglich die Gans stammt aus Qualitätsgründen aus Norddeutschland, weil regional kein vergleichbares Produkt zu finden ist. Doch nicht nur Karnivoren kommen an der Stadtgrenze Krefelds voll auf ihre Kosten, auch Veganer werden hier mit raffinierten Kreationen verwöhnt, die den Vergleich mit Nischen-Restaurants nicht scheuen brauchen. Für den Begleiter jeder guten Speise, den Wein, hat Michel viele gute Partner aufgetan, die den vorgelebten Qualitäts-Anspruch teilen.

Vegane Variation von der Kichererbse mit kleinen Rübchen, Curry, Humus, Blumenkohl und Romanesco

Gleich das erste uns kredenzte Gericht offenbart einen weiteren löblichen Grundsatz des versierten Gastro-Duos. „From nose to tail“, also in Gänze verarbeitet, lässt „Das beste vom Hülser Reh“ schon durch seinen Geruch die Geschmacksknospen tanzen. Der rosa gebratener Reh-Rücken unter einer Kruste von weißem Pfeffer wird von einem 60 Stunden bei 64 Grad geschmorten Schulterstück flankiert und nebst Leber mit Schmorzwiebelcrème, Herz, Selleriepüree und in Essig marinierter Rote Beete angerichtet. Ja, es schmeckt genauso lecker wie es klingt – und das, so viel sei vorweg verraten, gilt auch für den zweiten Gang. Eine vegane Variation von der Kichererbse mit kleinen Rübchen, Curry, Humus, Blumenkohl und Romanesco, die mit einer Geschmacksintensität und -tiefe besticht, die selten in veganen Speisen zu finden ist. Unser persönliches Highlight ist allerdings das nächste Gericht: Brust und Keule von der Freilandgans mit Rotkohl, Bratapfel, Maronen und Kartoffelklößen an einer Gänsejus, die vor Kraft strotzt. Kross auf der Haut und zart im Fleisch sticht diese Komposition mit voller Wucht in die Phalanx der bekannten Gänsessen-Hotspots und tut dies noch bis zu den Feiertagen, denn die Mühle empfängt ihre Gäste auch am 1. Weihnachtsfeiertag zwischen 12 und 19 Uhr sowie am 2. Feiertag von 12 bis 14:30 Uhr, ehe sie anschließend die Ferien bis zum 08. Januar einläutet.

Ob Gänseessen, Steaks aus dem Southbend-Grill mit 800 Grad oder vegane Speisen jenseits liebloser Gemüseplatten, die Neue Mühle ist für jeden einen Besuch wert, der den Geschmack gehobener Restaurants auf dem Teller, aber nicht die normalerweise damit einhergehenden Zahlen auf der Rechnung sehen möchte. Jürgen Stachels und Andereas Michel haben damit einen Ort geschaffen, der nicht nur für Veranstaltungen jeder Art, À la carte-Genießer und Mittagsgäste zur Verfügung steht, sondern inmitten der örtlichen Gastrokultur ein Novum darstellt: Landhausküche 2.0.

 

An der Neuen Mühle 22, 47447 Moers
Web: www.gasthof-neue-muehle.de
Tel.: 02841/8818318
Mail: info@gasthof-neue-muehle.de