Seit über 100 Jahren wird in der Marienstraße Bier gezapft und ebenso lange werden hier Frikadellen gebraten. Hier feiern Schützen- und Karnevalsvereine, hier trifft man sich zum Frühschoppen und zur Hochzeitsfeier. Doch noch vor einem halben Jahr sah es so aus, als ob das alles bald vorbei sein würde. Manfred Gietz, Burghof-Wirt in der dritten Generation, wollte aufhören und fand keinen geeigneten Nachfolger. So drohte das definitive Ende einer Fischelner Institution, womit auch einer der letzten großen, für Traditionsveranstaltungen geeigneten Säle verschwinden würde. Zum Glück finden sich zwölf Fischelner mit ausgeprägten Bürgersinn, die bereit sind, in die Bresche zu springen. Sie gründen eine GmbH, die den Burghof übernehmen soll und suchen einen geeigneten Pächter für den Gastronomiebetrieb. Nach längerer Suche werden sie dann endlich fündig: Alex Georgiadis, der Betreiber des Meerbuscher Brauereiausschanks „Gulasch“ zeigt sich interessiert.

Gulasch im Burghof - Fischeln

Doch ganz so glatt, wie es anfangs aussieht, gestaltet sich der Übergang dann leider doch nicht. Nach der ersten Besichtigung sind Georgiadis und sein Küchenchef Rene Simon von dem 1906 erbauten Jugendstilhaus hellauf begeistert: „Toller Laden! Das machen wir“, sind sie sich spontan einig. Doch dann kommen dem Vollblutgastronomen mit griechischen Wurzeln die Zweifel. Er bespricht sich mit seiner Frau, überlegt hin und her: „Soll ich mir das wirklich antun? Kann das funktionieren? Geht dabei nachher das Gulasch vor die Hunde?“ Schließlich sagt er ab und die Fischelner Bürgerinitiative steht wieder am Nullpunkt. Anscheinend. Denn der Burghof-Virus hat Alex Georgiadis doch erwischt. „Ich stand in Holland in der Badehose auf einer Düne, da wusste ich plötzlich, du willst das machen“, erzählt er, und dabei merkt man ihm seine damalige Anspannung noch immer an. „Ich habe dann Josef Krings, den Sprecher der Fischelner Gruppe angerufen und einen zweiten Termin vereinbart. Dann ging alles ganz schnell und ich war Pächter des Fischelner Burghofs.“

Nach der Vertragsunterzeichnung fängt die Arbeit dann richtig an. Der Burghof ist zwar ein sehr schönes Jugendstilgebäude mit großem Biergarten, Kegelbahn, Festsaal und stilvollem Mobiliar, aber Renovierungsbedarf gibt es trotzdem. Die winzige Küche zum Beispiel entspricht nicht annähernd den Anforderungen des neuen Küchenchefs. Da muss ordentlich Geld und Zeit investiert werden. Doch wann kann man den Betrieb für einige Wochen schließen, ohne laufende Verträge platzen zu lassen. Gerade im Winter, der klassischen Saure-Gurken-Zeit der Gastronomie, ist der Saal Gietz immer ausgebucht, ein Karnevalsverein gibt dem nächsten die Klinke in die Hand. Es bleibt schließlich nur ein schmales Zeitfenster zwischen Karneval und Ostern. Und das wird genutzt. Zum Glück sind alle sehr kooperativ – auch die Krefelder Behörden. So kann bereits der traditionelle Fischelner Mundartabend Ende März stattfinden, obwohl die neue Küche noch nicht eingebaut ist: „Wir haben für fast 300 Leute in einer Holzhütte im Hof gekocht“, erinnert sich der Küchenchef. „Das schmutzige Geschirr haben wir per Shuttlebus nach Meerbusch gefahren. Kochen mit drei Leuten auf 27 Quadratmetern, dass macht wirklich keinen Spaß. Und drei Tage bevor die Küche dann endlich eingebaut werden konnte, habe ich mir die Schulter gebrochen. Das war dann die Katastrophe.“

Gulasch im Burghof - Fischeln

Alex Georgiadis, neuer Pächter des Burghofs

Aber trotz großer und kleiner Katastrophen läuft der Betrieb erfolgreich an. Wie mit Manfred Gietz und der Verwaltungsgesellschaft vereinbart, krempeln Georgiadis und Simon den Burghof nicht vollständig um, sondern versuchen so viele Traditionen wie möglich zu erhalten, was von den Fischelner Bürgern honoriert wird. Die neue Speisekarte orientiert sich wie gewohnt an klassischer Brauhausküche, das Interieur ändert sich wenig und auch das Personal des alten Burghofs bleibt weitgehend an Bord. So können sich langjährige Gäste nach wie vor heimisch fühlen. Aber natürlich reicht es den neuen Pächtern nicht, einfach nur den Staub von alten Möbeln zu wischen. Eine eigene Note wollen sie schließlich auch einbringen. Eine erste, sichtbare Änderung sind die Stehtische im vorderen Teil des Restaurants. „Zuerst konnten manche Stammgäste damit nichts anfangen“, erzählt der neue Burghof-Pächter über die Reaktionen. „Doch inzwischen stehen auch viele ältere Gäste gerne an den Tischen und manche essen da sogar ein Steak. Optimal ist die Stehtischlösung bei großen Veranstaltungen im Saal, wenn plötzlich zwanzig Schützen ein Bier im Stehen trinken wollen, gehen die an die Stehtische und blockieren nicht die Laufwege der Kellner.“

Neue Aspekte enthält auch die Speisekarte der Nach-Gietz-Ära. Als erstes zu nennen sind hier die „Rheinischen Tapas“ – leckere Häppchen, die gut zum frisch gezapften Gulasch-Alt schmecken: Mainzer Käse oder Matjestartar, kleine Bratwürstchen mit hausgemachter Currysauce im Weckglas serviert oder Kassler und Flönz mal ganz anders als Carpaccio angerichtet. Und wer die ganze Vielfalt auf einem Teller haben möchte, bestellt sich eine „Schlemmerplatte“. Dass die hervorragend schmeckt, kann die KR-ONE-Redaktion bestätigen. Eine weitere Neuerung sind kleine Gerichte für den späten Hunger. Ab 22.30 Uhr bekommt man unter anderem Mett- und Käsehappen, Gulasch mit Nudeln, mit Brot oder als Suppe. (Der Name Gulasch-Alt hat übrigens nichts mit dem ungarischen Fleischtopf zu tun, sondern leitet sich vom Spitznamen des Düsseldorfer Brauereigründers ab.) Außerdem ist ab sofort jedem Tag ein eigenes Tagesgericht zugeordnet – vom Reibekuchen-Montag bis zum Sauerbraten-Sonntag.

Nachdem die turbulente Startphase erfolgreich bewältigt ist, sehen Pächter und Küchenchef optimistisch in die Zukunft. „Es macht immer einen Riesenspaß, etwas Neues aufzubauen, und das tun wir hier gerade“, freut sich Alex Georgiadis. „Als ich den Vertrag unterschrieben habe, war mir klar, dass ich meine Familie jetzt einige Monate nicht so oft sehen werde. Aber als Gastronom weiß ich, dass ich meistens arbeite, wenn andere feiern.“ „Wichtig ist, dass man sich aufeinander verlassen kann“, ergänzt René Simon, „und das ist bei uns beiden gegeben, auch wenn wir uns zwischendurch mal fetzen.“ Seit 2010 ist Alex Georgiadis Betreiber des Meerbuscher Brauereiausschanks Gulasch, seit 2012 ist René Simon dort Küchenchef. Bereits lange vorher haben sie in der Kaiserswerther Tonhalle zusammengearbeitet. Ein eingespieltes Team. Es ist schön zu sehen, dass Fischelner Bürgersinn es ermöglicht, dass der traditionsreiche Burghof Gietz jetzt auf zugleich kompetente und kreative Weise weitergeführt wird.

Burghof, Marienstraße 108, 
47807 Krefeld, Tel.: 02151 – 301268
www.gulasch.info/fischelner-burghof-gietz