„Gurken Madl – Gurken Bub.“ Über das Gender Marketing

Männer improvisieren gern und überall, so auch im Haushalt. Da wird das verlorengegangene Zopfgummi der Tochter schon mal durch einen Kabelbinder und der zerrissene Keilriemen der Lichtmaschine notfalls durch Mamas Nylonstrumpfhose ersetzt. Ich selbst habe einmal wegen eines kaputten Rührstabes einen schmackhaften Fruchtmilchshake mit meinem Akkuschrauber samt einem 8er Holzbohrer zubereitet. Dass ich dabei nach Meinung meiner weiblichen Familienangehörigen die Grenzen des guten Geschmacks überschritt, war mir so ziemlich egal. Eine andere Grenze würde ich jedoch nur schwerlich überschreiten, denn was für Dracula das Knoblauch und für Superman das Kryptonit, das ist für mich von Kind auf die Farbe Rosa. Hätte ich meine letzte Rasierklinge bis auf den Halter heruntergeraspelt, so würde ich meine Dreitagefussel eher mit der Heckenschere oder dem Trennschleifer stutzen als mit dem rosafarbenen Lady Shaver Silk-épil meiner Partnerin. Schuld daran ist die Tatsache, dass ich früh gelernt habe, dass das rosa getünchte Puppenhaus meiner Schwester und die blaue Polizeistation mir gehört und dass ein Überschreiten der blaurosa Demarkationslinie zwischen Mädchen und Jungs das spontane Abfaulen meiner Männlichkeit nach sich ziehen könnte. Warum ich das erzähle? Weil ich mich darüber aufrege, dass wir uns die Gleichstellung zwischen Mann und Frau wünschen und anscheinend nicht mitbekommen, dass sich das Gender-Marketing den blau-rosa Effekt zunutze gemacht hat und immer mehr geschlechtergetrennte Produkte auf den Markt bringt. Die Werbemanipulation ist so perfekt, dass wir uns in ernsthaften Schwierigkeiten wähnen, wenn wir aus Versehen beim nächsten Grillabend keine Männerbratwurst und Frauenbratwurst vorhalten. Ja, schlimmer noch. Nach dem Willen der Food-Strategen könnten wir einen Soßenkrieg provozieren, wenn wir Männer einen Frauendip auf unsere Senfpeitsche gießen. Jahrhundertlang haben Männer und Frauen in das gleiche Schwein oder Rind gebissen. Seit einiger Zeit muss ich mir vorstellen, dass es demnächst Gender-Bauernhöfe gibt, in denen die für die Männer be­stimmte Hälfte der Rindviecher mit einer Mischung aus Stacheldraht und Gras gemästet und die für die Frauen mit einem Gänseblümchen-Magerquark-Mix hochgepäppelt wird. Und was oben getrennt eingefahren wird, das soll unten getrennt entsorgt werden. Jedenfalls, wenn es nach den Wünschen der Industrie geht. Die erwartet nämlich, dass zum Beispiel der Berliner Yuppie einen zweiten Klorollenhalter für das „Hakle Lady“-Toilettenpapier mit dem einzigartigen Wohlfühlkissen an die Wand schraubt, damit er nicht Gefahr läuft, dass ihm sein weiblicher One-Night-Stand eine Szene wegen vorsätzlicher Körperverletzung macht. Andererseits planen Berliner Politiker aus Anti-Diskriminierungsgründen die Einrichtung von Unisex-Klos in Berliner Behörden, weil unter anderem der Besuch einer „binär geschlechtergetrennten“ Toilette die inter- und transsexuellen Menschen vor große Herausforderungen stelle. Ja, was denn nun? Ich bin für die Gleichstellung von Mann und Frau. Wir sollten unsere Produkte nicht nach der Prämisse „für die Dame“ oder „für den Herrn“, sondern nach dem Grundsatz: „für welchen Zweck, für welche Situation“ wählen, aber dann müssen wir diese Marketing-Psychobremse lösen. Schließlich können wir auch nicht so einfach sagen: „Wir leben auf einem blauen Planeten, und Blau ist die Farbe der Jungs.“

 

Ihr Wolfgang Jachtmann