
Janis McDavid
Für viele junge Menschen geht Freiheit einher mit der Abwesenheit von etwas. Mit der Abwesenheit von Mutters strengem Blick beim heimlichen Griff ins Bonbonglas, dem Entfernen der Stützräder vom ersten Fahrrad oder der Befreiung vom Matheunterricht durch Schule schwänzen im Café. Freiheit ist in der Jugend geprägt vom Wegfall von Kontrolle und Beschränkungen. Die Freiheit zu etwas markiert den Übergang ins Erwachsenenleben. Oft, ohne weiter reflektiert werden zu müssen. Für Janis McDavid war die in unserer westlichen Welt unbedingte Freiheit, erwachsen werden zu können, keineswegs selbstverständlich. Und sie definierte sich für den jungen Mann ganz klar über die Anwesenheit von etwas – einem Auto.
Dass Janis McDavid heute quer durch die Republik fährt, um Studium, Vorträge und Fortbildungen unter einen Hut zu bekommen, ist für ihn die pure Freude. Der Führerschein ist in seinem Fall die Eintrittskarte in ein normales Leben, mit Freunden, Reisen und Uni. Denn: das 24-jährige Energiebündel kam ohne Arme und Beine zur Welt.
„Von klein auf hatte ich immer davon geträumt, selbst einmal hinterm Lenkrad zu sitzen und alleine entscheiden zu können, wohin ich fahre. Ich wollte so werden wie alle Erwachsenen: frei, spontan, selbständig! Nur das ‚Wie?’ sollte sich erst später herausstellen. Glücklicherweise fanden meine Eltern und ich eine Firma, die die passenden Lösungen anbietet und mir 14-Jährigem versicherte: Auto zu fahren wird für dich kein Problem sein! Ich war überglücklich, geradezu euphorisch: Ich würde richtig erwachsen werden können – mit Auto!“, erinnert sich Janis McDavid. Unvergessen bleibt seine erste Autofahrt, ganz allein auf der Autobahn nach Wattenscheidt. Seitdem hat er nicht nur Deutschland, sondern gemeinsam mit Freunden die ganze Welt bereist. Und sich so manches Rennen mit dem einen oder anderen Porsche geliefert. Sein umgebauter Transporter, den er liebevoll ‚Silberpfeil’ nennt, macht jedes Abenteuer mit.
„Von klein auf hatte ich immer davon geträumt, selbst einmal hinterm Lenkrad zu sitzen und alleine entscheiden zu können, wohin ich fahre. Ich wollte so werden wie alle Erwachsenen: frei, spontan, selbständig!“
Seine bisherige Lebensgeschichte hat der Student der Wirtschaftswissenschaften jetzt in einem Buch festgehalten, das andere Menschen – unabhängig von der Anzahl ihrer Gliedmaßen – motivieren und inspirieren soll. Vorstellen wird er es auf der diesjährigen Handicapmesse bei Tölke und Fischer in Krefeld. Die Messe rund um den individuellen Ausbau von Nutzfahrzeugen besucht Janis McDavid dieses Jahr zum dritten Mal. Christian Kothes, Verkaufsleiter der VW Nutzfahrzeugabteilung bei TöFi und Veranstalter der besonderen Ausstellung, ist selbst schon mit Janis und seinem Silberpfeil mitgefahren. „Es ist schon beeindruckend, wie Janis McDavid dieses riesige Geschoss überall hinsteuert, wo er hinmöchte“, erzählt Christian Kothes. „Und für uns ist es natürlich immer schön zu sehen, wenn unsere Ideen Realität werden.“ Es gebe kaum noch etwas, dass technisch nicht zu lösen sei.
Dafür ist Janis McDavids ausgebauter Transporter der beste Beweis. Gesteuert wird dieser über einen Joystick links am Fahrersitz. „Eigentlich ist alles bequem elektrisch steuerbar, was ich benötige, um ohne fremde Hilfe loszufahren“, berichtet sein Besitzer nicht ohne Stolz, „Hecktüren, Hublift, Fahrersitz, Spiegel und sogar die Sonnenblende. Eine Freisprecheinrichtung und eine gute Musikanlage, vernetzt mit meinem Handy, sind für mich die Verbindung zur Welt, auch von unterwegs: Ich telefoniere, bin in Telefonkonferenzen, entspanne bei guter Musik und möchte immer mit meinen Mitmenschen verbunden sein, auch wenn ich mal wieder sieben Stunden unterwegs bin.“

Christian Kothes – Verkaufsleiter Tölke&Fischer VW Nutzfahrzeuge
Selbstverständlich benötigen nicht alle Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen all diese Ein- und Umbauten. Vor jedem Autokauf steht eine gründliche individuelle Bedarfsanalyse. Fragen nach der Häufigkeit der Nutzung, den zurückzulegenden Stecken und Vorlieben gilt es zu klären. „Bei all diesen Wagen handelt es sich um Maßanfertigungen für den jeweiligen Fahrer“, so Christian Kothes. „Für Menschen mit Handicap ist ihr Auto oft auch eine Erweiterung ihres Körpers. Da sollte schon alles gut sitzen, wie bei einem Anzug auch.“ Einige spannende Umbauten hat das TöFi-Nutzfahrzeuge-Team bereits mit seinem Know-How sowie guten Kontakten zu Ausbauspezialisten begleitet und möglich gemacht. „Solche Erfolge sind auch für mich und meine Kollegen immer toll mitzuerleben“, sagt Christian Kothes. Oft entstünden auch enge persönliche Beziehungen zu den Kunden über den Autokauf hinaus. Seit sechs Jahren ist die Handicapmesse, die inzwischen überregional bekannt ist, auch eine Gelegenheit, diese Freundschaften zu pflegen. Sich auszutauschen
und neue Ideen gemeinsam zu entwickeln. „Wir sind bemüht, möglichst viel Information und Fachwissen in einem angenehmen Rahmen zu präsentieren“, verrät der 35-jährige Verkaufsleiter die Intention der Ausstellung.
Viele Menschen mit Handicap wissen gar nicht, welche Möglichkeiten zur Autonomie sich ihnen heute bieten. Die technische Entwicklung ist in diesem Bereich ein Segen. Am 30. April wird nicht nur die Handicapmesse, sondern auch das große Volkswagenfest mit der Premiere des neuen Tiguan gefeiert. Janis McDavid wird trotzdem sein eigenes Auto mitbringen, um zu zeigen, was alles möglich ist. Das dürfte auch für Arm-und-Bein-Menschen interessant werden. Vielleicht schafft die Bekanntmachung der speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Handicap auch einen gesellschaftlichen Wandel. Während der Weltenbummler im Rollstuhl in Großbritannien, den Niederlanden und Barcelona auf wenig Barrieren gestoßen ist, definieren die Krankenkassen hierzulande ein Auto für körperlich Beeinträchtigte als „Luxus“. Luxus, den sie selbstverständlich nicht gerne finanziell unterstützen. Ein Umdenken der Politik, das würde Janis McDavid sich wünschen. Denn für ihn ist sein Auto nichts Geringeres als die pure Freiheit. Und das Recht darauf ist doch im Grundgesetz, Artikel 2, verankert, oder etwa nicht?
TöFi Handicapmesse 2016 am 30. April 2016 ab 10 Uhr im Volkswagen Nutzfahrzeug Zentrum Krefeld, Heideckstraße 177. Plus großes Volkswagenfest schräg gegenüber im Volkswagen Zentrum Krefeld, Gladbacher Straße 345.
Buchtipp: Janis McDavid: Dein bestes Leben. Vom Mut, über sich hinauszuwachsen… Herder Verlag 2016.