Mit 24 Jahren schließt er seine Meisterprüfung zum Maßschneider als Jahresbester in NRW ab. Genau 50 Jahre später siegt er beim ZDF-Kochwettbewerb „Küchenschlacht“. Das ist die Klammer des Lebens von Heinz Günther Adolphs.

Heinz Günther Adolphs
Der Inhaber des gleichnamigen Herrenmoden-Geschäfts direkt unterhalb der Dionysiuskirche und ambitionierte Gourmetkoch hat den Erfolg scheinbar in den Genen. Meint man. Heute blickt der nur 1,65 Meter große in geneigter Haltung daherkommende 77-Jährige mit der Halbglatze, den wachen Augen hinter runden Brillengläsern und den wunderbaren Geschichten über Mode, Männer und Manager auf ein (erfolg)reiches Leben zurück. Ein Leben, das allerdings sehr traurig begann.
„Meine Geburt war höchst dramatisch, fast lebensbedrohend. Die Ärzte gaben mir eine Überlebens-Chance von nur einer Woche“, erzählt Heinz Günther Adolphs sichtlich bewegt. Seine Hände, mit denen er sich auf der Plexiglasplatte seiner Auslage im Ladenlokal abstützt, zittern. Aber seine Stimme bleibt stark, als er weiter erzählt, dass er sich fürs Leben entschieden hat.
Es macht Spaß, Heinz Günther Adolphs zuzuhören. Viele seiner Antworten auf unsere Fragen sind persönliche Statements. Wie dieses auf die Frage, ob Krawatten noch „in“ seien: „Krawatten sind nicht out. Es gibt zu viele Menschen, die glauben, sich erlauben zu können, Spielregeln, die mit Kultur zu tun haben, über Bord zu werfen. Ich halte es für flegelhaft, wenn Menschen, die ein Vorbild sein sollen, sich dadurch ,auszeichnen‘, dass sie Dinge, die zu einer gepflegten Erscheinung gehören, einfach außer acht lassen. Und es ist ein Irrglaube, eine Krawatte sei unbequem, man könne sie deshalb weglassen und sich – weil es ,in‘ ist – einen Schal um den Hals drehen. Die Krawatte ist nicht unbequem. Wahrscheinlich ist das Hemd unbequem. Die Krawatte wird wieder ihren Platz bekommen.“ Auch der Fliege sagt der sympathische Geschäftsmann, der optisch an Heinz Erhardt erinnert, eine Renaissance voraus. Allerdings neu interpretiert, zum sportlichen Polohemd. Wobei die Fliege bei Heinz Günther Adolphs „Schleife“ heißt. „Fliege“ sei nur ein Spitzname, denn: „Ich habe ein Band und binde eine Schleife. Das sieht dann aus wie eine Fliege und hängt am Hals.“ Punkt.
Der ehemalige Maßschneider und immer noch agile Einzelhändler hat 40 Jahre lang sein Handwerk leidenschaftlich ausgeübt und vielen jungen Menschen eine solide Ausbildung vermittelt. Viele wurden später im Beruf sehr erfolgreich als Führungskräfte in renommierten Textilunternehmen wie beispielsweise van Laack oder als Selbständige im Einzelhandel. Maßangefertigter Mode haftet oftmals das Attribut der Unbezahlbarkeit an. Adolphs aber wiegelt ab: „Unbezahlbar“ gibt es nicht. Wichtiger ist die Frage, was einem die Sache wert ist. Wenn jemand etwas ständig Gültiges tragen möchte, wird er im Endeffekt vielleicht sogar mit einem sehr hochwertigen Produkt günstiger dastehen als der Kunde, der glaubt, nach kurzer Zeit seine komplette Garderobe wechseln zu müssen.“
Selbstredend, dass der Maestro der Maßschneiderei selbst Maßanfertigungen bevorzugt. Auch bei Schuhen. Die Sonderanfertigungen des Schuhmachers John Lobb aus London werden ihn wahrscheinlich überleben. Gerne erinnert sich Heinz Günther Adolphs auch an einen Krefelder Großindustriellen, für den er vor vielen Jahren einen, wie er sagt, „Gestrüpp sicheren“ Jagdanzug komplett von Hand genäht hat: „Da war keine Maschine dran. Den hat der Mann 30 Jahre getragen.“ Als „äußerst dezent und elegant“ beschreibt der Herrenschneider, der in seiner Laufbahn höchste Auszeichnungen für seine Modelle gewonnen hat, seinen eigenen Kleidungsstil und ergänzt: „Solange ich die Maßschneiderei hatte, habe ich deutsche Top-Manager angezogen. Denen tritt man in feiner Zurückhaltung gegenüber, in Brioni oder Ermenegildo Zegna. Heute trifft man Heinz Günther Adolphs auch schon mal im Hemd mit legerer Strickjacke im Laden an. Aber immer auch mit Krawatte.
Die Kollektionen im Laden sind dezent, elegant und konservativ. Sie reichen vom hellblau-weiß gestreiften Schlafanzug-Klassiker über den grünen oder roten Pullover aus einem Baumwolle-Merino-Mix bis zu karierten und gestreiften Hemden mit andersfarbigen Bündchen (Adolphs: „Ein Trend, der mittlerweile inflationär ist“). Dazu kommen Hosen, Jacken, Unterwäsche, Bademäntel und Accessoires. Alles übersichtlich präsentiert in klassischen, weißen Regalen.
Als Trendfarben bestätigt der arrivierte Herrenmode-Senior Naturtöne wie Braun und Beige, in Kombination mit Grau. Absoluter Dauerbrenner sei Blau. Adolphs unterstreicht das auf seine humorvolle Art: „70 Prozent aller deutschen Männer tragen Blau und die anderen 30 Prozent Marine.“ Die Beliebtheit von Blau bei deutschen Männern führt er übrigens auf unsere nordeuropäische Herkunft zurück: „Blau harmoniert besonders gut mit unserem Typ.“ Heinz Günther Adolphs, der die Zeit nach dem 2. Weltkrieg sehr bewusst erlebt hat, erinnert sich gut an die Herrenmode dieser Zeit: „Als jeder ausgedörrt war, war die Kleidung voluminös. Ein Krefelder Klinikprofessor hat sich damals eine mit Watte gepolsterte Weste nähen lassen, die er unter seinem Kittel trug, damit er vor seinen Patienten ,nach etwas aussah‘.“ Damals hätte sich der angehende Maßschneider nicht träumen lassen, dass er 50 Jahre später in derselben Klinik eine Erfahrung machen würde, die bei ihm ebenso haften bleiben würde, wie das eben beschriebene Nachkriegserlebnis.
Als ambitionierter Hobbykoch mit eigener privater Kochschule, die er regelmäßig für Gäste öffnet, bekam Heinz Günther Adolphs die Chance, ein Jahr auf der Privatstation vom Helios-Klinikum zu kochen: „Das war eine wahnsinnig schöne Herausforderung, und die Reaktionen der Patienten haben mir sehr viel gegeben. Da habe ich mir gesagt: ,Wenn Du 20 Jahre jünger wärst, würdest Du für Kranke kochen.‘ Das wäre mein Beruf gewesen.“ Die Idee, auf der Privatstation des Helios-Klinikums zu kochen, wurde übrigens bei einem „KR-ONE kocht“-Event zusammen mit Professor Frieling, dem medizinischen Direktor, geboren. Dadurch wurde die Koch-Leidenschaft von Heinz Günther Adolphs in Krefeld bekannt.
Deutschlandweit bekannt wurde die Kochkunst des Maßschneiders durch den Sieg in der Kochshow „ZDF Küchenschlacht“ 2012. Der Regisseur der Sendung fand nach dem Dreh ganz besondere Worte: Er habe noch nie einen Menschen erlebt, der mit seinen Händen so andächtig ein Stück Fleisch anfasse. Das haben wir bei unserem Besuch bei Herrenmoden Adolphs auch erlebt. Nur war hier das Stück Fleisch ein grüner Pullover aus Merino- und Baumwolle.
Herrenmoden Heinz Günther Adolphs, Rheinstraße 137, 47798 Krefeld, Telefon: 02151-21795