Rauchschwaden hüllen den Durchgang zur Linner Vorburg in unheilvolles Licht. 15 Meter entfernt betätigen sechs Feuerwehrmänner in preußischen Uniformen mit Muskelkraft eine historische Handdruckspritze. Die Zeit drängt. 58 Schläge pro Minute sind notwendig, um das Wasser aus dem 300 Liter fassenden Wasserkasten in den Feuerwehrschlauch zu pumpen. Zwei Feuerwehrmänner zielen mit der Spritze auf den Brandherd. Nach fünf Minuten ist der Spuk vorbei. Eine Szene aus einer Übung des Historischen Feuerlöschzugs Linn.

Vielfach dramatischer verliefen die tatsächlichen Einsätze der Freiwilligen Feuerwehr Linn, die 1892 gegründet wurde. Das erste Spritzenhaus befand sich übrigens an der Mauerstraße. Mittlerweile ist es in die Remise der Vorburg umgezogen und leistet dort einen wertvollen Beitrag zur Linner Zeitgeschichte. Der damalige Leiter der Linner Museen, Dr. Christoph Reichmann, war so beeindruckt vom Engagement einiger Linner Bürger, dass er ihnen 2004 die reparaturbedürftigen Räumlichkeiten überließ. Vorangegangen waren Überlegungen, die Kompanien des Linner Schützenvereins durch eine weitere Truppe zu bereichern. Die alte Freiwillige Feuerwehr aus Linn sollte so originalgetreu wie möglich wiederbelebt werden. Heute kann man sagen: Das ist mehr als gelungen.

Zusätzlich zur einjährigen Herrichtung der Remise wurden original Ausrüstungsgegenstände angeschafft. Mittlerweile besitzt der historische Feuerlöschzug Linn einen Mannschaftswagen, einen Requisitenwagen mit Schläuchen, Löscheimern und Werkzeugen, eine historische Handdruckspritze aus dem Jahr 1865, eine 1.000 Liter fassende Wassertonne und eine Karrenleiter aus dem Jahr 1896. Sämtliche Gerätschaften sind entweder Originale oder wurden in Eigenregie nach historischen Vorlagen hergestellt oder umgebaut. Auch die preußischen Uniformen mit schwarzen Hosen, blauen Röcken, Koppel und Helm wurden bis ins kleinste historische Detail rekonstruiert.

Hauptmann Peter Winkmann

 

Historische „Feuerwehr-Bibel“ als roter Faden der Vereinsarbeit

Große Hilfe war ein fast 400 Seiten starker Wälzer aus dem Jahr 1899, den die  Feuerwehrleute zufällig entdeckten. Der „Katechismus des Feuerlösch- und Feuerwehrwesens“ führt haarklein aus, wie eine Feuerwehr zur Jahrhundertwende gegliedert war, wie Uniformen und Ausrüstung auszusehen hatten. Darüber hinaus sind Dienstvorschriften, Löschgeräte und deren Handhabung beschrieben. Wer die historische Feuerwehr in Linn bei ihren Übungen beobachtet, stellt fest: Sie ist nach altem preußischen, militärischen Muster aufgebaut. Neben Hauptmann Peter Winkmann und Feldwebel Theo Tissen gibt es eine Steiger-, eine Spritzen- und eine Ordnungsmannschaft. „Wir machen auch Musik und proben alte Feuerwehrlieder“, erklärt Peter Winkmann, der selbst Trompete und Horn spielt und unterstützt wird von Akkordeonspieler Reinhard Werkes. Die Lieder werden zum Beispiel beim Marschieren während des Schützenfestes gesungen. Geselligkeit wird trotz aller historischen Bedeutsamkeit großgeschrieben. Das „Strafbuch“ von Spieß Theo Tissen ist ein Beispiel dafür. Jede Verfehlung wird durch eine Geldstrafe zwischen einem und fünf Euro geahndet. Dazu zählen unter anderem das Zuspätkommen („Es zählt die Uhr vom Spieß“), fehlende Knöpfe oder ein ungeputzter Helm. Aus den Strafgeldern, die im Laufe eines Jahres zusammenkommen, wird ein zünftiger Kameradschaftsabend gestaltet.

Der Linner Löschzug besteht aus 17 erwachsenen Feuerwehrmännern und drei Nachwuchskräften: Tion-Finn (12), Florian (8) und Mats (2). Man freut sich weiterhin auf jugendliche Neuzugänge, denn die Übungen und auch die Wettbewerbe der rund 30 historischen Feuerwehren in NRW erfordern eine körperliche Fitness, die nicht mehr alle der „Altgedienten“ auf Dauer aufbringen können. Wie fit die Freiwilligen der historischen Linner Feuerwehr aktuell sind, beweist ein Duell, das sie sich vor einiger Zeit mit der Berufsfeuerwehr aus dem Kreis Viersen geliefert haben. Dabei waren sie mit ihrer hölzernen, ausziehbaren Karrenleiter schneller als die Profis mit ihrem modernen Leiterwagen.

 

Auf dem Flachsmarkt: Feuerlösch-Aktionen zum Mitmachen

So einheitlich gekleidet, wie die Mannen der Linner Feuerwehr bei ihrem Hobby aussehen, so unterschiedlich sind ihre bürgerlichen Berufe. Es gibt einen Spediteur, städtische Angestellte, Berufsfeuerwehrleute und selbständige Handwerker. „Die sind besonders wichtig für uns, denn wir müssen ja alle Geräte einsatzbereit halten. Weil es keine Ersatzteile gibt, wir aber jede Menge Verschleiß haben, müssen wir manche Teile authentisch nachbauen. Da ist es sehr hilfreich, wenn sich jemand mit alten Gewerken auskennt,“ erklärt Peter Winkmann. Er selbst verfügt als Hausmeister des Museumszentrums Burg Linn über handwerkliche Fähigkeiten und sogar ein Kaltblut, das man vor den sprichwörtlichen Feuerwehrkarren spannen kann.

An den Flachsmarkttagen über Pfingsten stiegen auch in diesem Jahr alle wieder in ihre „Blauröcke“ und brachten am Ufer des inneren Burggrabens in der Nähe der Vogelwiese tausenden Zuschauern das Feuerlöschwesen zwischen 1860 und 1920. So nah, dass es manchmal auch ein bisschen nass wurde. Während die Väter mit Muskelkraft Handdruckspritzen in Gang setzen mussten, durften nämlich die Kinder mit dem Strahlrohr „Feuer“ löschen. Aus Sicherheitsgründen wurde das allerdings durch Holzaufsteller oder das Zünden von Rauchpatronen simuliert.