Ein sonniger Herbstnachmittag in Krefeld-Uerdingen. Jerzy Chartowski steht konzentriert vor einem weiß lackierten Metalltor in seinem lichtdurchfluteten Atelier und begutachtet sein neuestes Werk kritisch – irgendetwas fehlt noch. „Jetzt darf man Jerzy nicht stören“, flüstert die Frau des Künstlers augenzwinkernd. Dann plötzlich ein letzter gekonnter Strich mit dem in schwarze Acrylfarbe getränkten Pinsel und der majestätische Jaguar in Lebensgröße ist vollendet. „Jetzt fehlen nur noch die Gitterstäbe“, verkündet Chartowski zufrieden, legt den Pinsel nieder und beginnt den Hintergrund seiner neuesten Malerei zu erläutern, die für den renommierten Künstler den Aufbruch in ein ganz neues Kapitel seines Schaffens markiert.
Chartowski, der vor drei Jahren von Düsseldorf nach Krefeld-Uerdingen zog, holt einen Karton mit Konzeptzeichnungen und Fotos hervor. Es ist eine Ansammlung an Vorschlägen, den öffentlichen Raum in der Seidenstadt zu verschönern – ein faszinierendes Füllhorn künstlerischer Ideen und Blaupause für ein ambitioniertes Vorhaben. „Wenn ich mir Krefelder Parkanlagen und Spielplätze ansehe, bemerke ich oft, dass sie alle dem typischen Standard entsprechen. Graue Bänke für die Eltern, ein paar Spielgeräte aus Metall, eine Schaukel, eine Rutsche, vielleicht eine Wippe“, beklagt der Kunstmaler und zieht eines der Fotos aus dem Karton. Es zeigt den Spielplatz im Uerdinger Stadtpark. Auf dem Bild sucht man die bemängelte Tristesse und Gleichförmigkeit der Spielplätze vergeblich. Die Spielgeräte und Sitzbänke sind bunt bemalt und verschiedene lebensgroße Tiere zieren im Hintergrund einen Container für Spielzeuge, für den auch das Metalltor mit dem Jaguar bestimmt ist. Die Farbenpracht und Malerei auf dem Spielplatz im Uerdinger Stadtpark ist das Pilotprojekt von Chartowski und soll, so wünscht er es sich, nur das erste Projekt einer ganzen Reihe an Kunstaktionen im öffentlichen Raum sein.
„Gerade Kinder sind sehr sensibel gegenüber Formen und Farben und brauchen von Anfang an eine besondere und inspirierende Umgebung, um ihre Kreativität entwickeln zu können“, sagt Chartowski und deutet auf einige Pappmodelle ausgefallener Spielgeräte auf seinem Arbeitstisch. „Es gibt aber auch jenseits von Spielplätzen viele Möglichkeiten, die Stadt mit Kunst zu verschönern“, ergänzt er und blättert wieder durch die zahlreichen Konzeptfotos, die abstrakte Skulpturen, bunte Fahnen, Park-Schilder und Wandmalereien in verschiedenen städtischen Parks und auf öffentlichen Plätzen zeigen. „Was fehlt, sind Sponsoren und weitere Mitstreiter, die das Vorhaben gemeinsam mit mir umsetzen wollen. Ob Künstler, städtische Entscheider, Firmen oder Privatpersonen – Wenn das Projekt einmal angestoßen ist, wird es zum Perpetuum mobile und Krefeld eine buntere Stadt“, sagt Chartowski überzeugt und blickt aus dem Fenster.
„Im Sommer wurden in der kleinen Grünanlage gegenüber Bäume gefällt. Das hat uns sehr verärgert“, erinnert sich Danuta Chartowski, zeigt auf ein kahles Stück Wiese auf der gegenüberliegenden Straßenseite und ergänzt: „Wir haben die Stadt angerufen und sind dann mit Marc Grotendorst vom Grünflächenamt in Kontakt gekommen, der uns erklärt hat, dass die Bäume krank waren.“ Das notwendig gewordene Fällen der Bäume war die Initialzündung für Chartowskis Idee, der es besser gefunden hätte, zumindest die Baumstümpfe stehen zu lassen und mit Skulpturen zu versehen. „Herr Grotendorst war sehr aufgeschlossen, hat sich mit mir getroffen, erste Sponsoren gefunden und grünes Licht gegeben für die Verschönerungen auf dem Spielplatz im Stadtpark. Nun gilt es, Künstler und Stadt zusammenzubringen und weitere Projekte umzusetzen“, sagt der Maler. Die Bereitschaft seitens der Stadt ist dafür durchaus vorhanden, wie Marc Grotendorst auf Anfrage mitteilt: „Die Stadt Krefeld befürwortet das Engagement von Bürgern, die sich für ihre Stadt einsetzen und freut sich über Initiativen, die Parks und Grünanlagen aufwerten können. Attraktiv gestaltete und bemalte Kinderspielgeräte zum Beispiel erhöhen den Spielwert eines Kinderspielplatzes.“
„Wenn ich mir die Krefelder Parkanlagen und Spielplätze ansehe, bemerke ich oft, dass sie alle dem typischen Standard entsprechen. Graue Bänke für die Eltern, ein paar Spielgeräte aus Metall, eine Schaukel, eine Rutsche, vielleicht eine Wippe.“
Was Chartowski vorhat, lässt sich am besten als gehobene Street Art bezeichnen. In den Metropolen der Welt gibt es unzählige ambitionierte Künstler, die sich den öffentlichen Raum als Kunstfläche aneignen – teils mit Erlaubnis, teils geduldet und teils illegal. Einfach loszuziehen und ohne Erlaubnis zu malen, kommt für den gestandenen Künstler jedoch natürlich nicht in Frage. Darauf weist auch Grotendorst hin: „Ideen und Aktionen sollten unbedingt im Vorfeld mit der Stadt abgestimmt werden. Es muss beachtet werden, dass ein Kunstobjekt immer zur jeweiligen Anlage passen sollte. Vor allem bei größeren Objekten wie Skulpturen müssen die finanziellen Voraussetzungen stimmen, es müssen gartendenkmalpflegerische Gesichtspunkte abgefragt und unter Umständen die parlamentarischen Gremien einbezogen werden.“ Chartowski hofft daher nun auf weitere Unterstützung durch die Stadt und Sponsoren, um die Materialkosten zu decken. „Es geht meinem Mann bei dieser Aktion nicht darum, Geld zu verdienen, aber die Kosten für Farbe und weitere Materialien sollten gedeckt sein“, erklärt Danuta Chartowski.
Dass die Idee des polnischen Malers gut ankommt, beweist ein paar Tage später ein Besuch auf dem Spielplatz im Stadtpark. Das Tor mit dem Jaguar, der nun auch – wie es sich für ein Raubtier gehört – hinter Gitterstäben steht, wurde eingebaut und zahlreiche Kinder mustern das Tier neugierig. Auch ältere Passanten bleiben stehen und unterhalten sich angeregt über den ungewohnten Anblick. Chartowskis Kunst fällt auf und schafft mit einfachen Mitteln eine gelungene Abwechslung vom grauen Alltag. Es wird Zeit, dass auch Krefeld Street Art und den Stellenwert von Kunst im öffentlichen Raum für sich entdeckt.
Atelier Chartowski, Burgstraße 21, 47829 Krefeld, Tel.: 02151 4540986,
Mail.: jurek@chartowski-art.de, Web: www.chartowski-art.de
Jerzy Chartowski lädt am 12. und 13. November sowie am 19. und 20. November zum offenen Atelier. Interessierte sind herzlich eingeladen, sich mit Chartowski über das Vorhaben auszutauschen.