Eine gemütliche Kneipe in Krefeld-Mitte. Nicht eine von diesen schicken Lokalitäten, die mit ihrem modernen Interieur auffallen, sondern eine, die eher für ihr Inneres bekannt ist: Den Menschen, die sich dort treffen. Die Stammgäste haben einen Deckel hinten an der Theke, auf denen der Wirt die Getränke und Speisen, die sie verzehrt haben, aufschreibt. Einer dieser Stammgäste ist Johannes Floehr. Moderator, Workshop-Leiter, Poetry-Slammer und vor allem eines: mit ganzem Herzen Krefelder.
2016 war für Johannes Floehr ein besonderes Jahr. Neben dem dritten Platz, den er bei den NRW-Meisterschaften im Poetry Slam gewonnen hat, war es für ihn auch das erste Jahr, in dem er komplett von seinen selbstständigen Projekten leben konnte: „Ich lebe zwar nicht auf Rosen, aber ich komme finanziell mit den Dingen durch, die ich mache und liebe“, erzählt er zufrieden und meint damit eine überraschend breite Palette an kulturellen Aktivitäten. So war Floehr erst im Dezember 2016 in Estland, eingeladen vom Auswärtigen Amt, um dort an zwei Schulen das Konzept Poetry Slam zu erklären: „Die Kunstform ist in Estland noch nicht weit verbreitet und es war eine tolle Erfahrung, sie den Schülern nahezubringen“, so der Wortakrobat, der nicht nur selbst gern auf der Bühne steht, sondern auch leidenschaftlich gern den Nachwuchs fördert. Wie zum Beispiel bei diversen Poetry Slam-Workshops an Schulen, die im letzten Jahr zum ersten Krefelder Schul-Slam führten. Dabei gehe es dem Poetry Slammer nicht etwa darum, „fertige Schriftsteller aus den Schülern zu machen, sondern viel mehr darum, Freude am Texte schreiben und Vortragen zu erzeugen.“ Dass ihm das gelungen ist, zeigt nicht nur die Fortsetzung des Schul-Slams in diesem Jahr, sondern auch die Tatsache, dass Floehr es geschafft hat, die U-20-NRW-Poetry Slam-Meisterschaften 2018 nach Krefeld zu holen. „Der Gewinner des zweiten Krefelder Schul-Slams hat einen Startplatz bei den U-20-NRW-Meisterschaften sicher“, so Floehr, der deshalb ab Februar in der Mediothek eine Schreibwerkstatt zur Vorbereitung der hiesigen Teilnehmer anbietet.
Mittlerweile hat sich die Kneipe gefüllt. Floehr ist unter den Gästen kein Unbekannter. „Wie geht’s? Länger nicht gesehen“, ruft der Tausendsassa einem Bekannten zu und ist kurz darauf in ein Gespräch verwickelt. Der 25-Jährige ist mit Abstand der Jüngste im Raum, das sei er aber gewohnt, betont er lässig: „Hier in Krefeld bin ich immer überall der Jüngste“, lacht er. „So ist das halt oft hier und es stört mich nicht. Im Gegenteil: Gerade deshalb hätte ich auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich aus Krefeld weggehen würde“, erklärt der gebürtige Willicher, der ab seinem achten Lebensjahr in Krefeld aufwuchs.
Wovon er da spricht, weiß er genau. Denn es gab eine Zeit, in der er wegging: „Von 2012 bis 2014 habe ich ‚aus Versehen‘ in Paderborn gewohnt“, berichtet Floehr von einer Verlagstätigkeit in Ostwestfalen-Lippe. „Ein normaler Achtstundentag – Das tut meinem Geist überhaupt nicht gut“, gesteht der Freigeist nachdenklich, „ich brauche viel Freiheit, um meine Kreativität ausleben zu können.“ Deswegen ist er mit seiner Selbstständigkeit wesentlich ausgefüllter und zufriedener. Und obwohl Floehr auch in Paderborn Slams moderierte, war es ein anderer Faktor, der ihn nach zwei Jahren des Pendelns in die Seidenstadt zurückgeführte: „Ich war dort irgendwie nur ein Gastarbeiter. Ich war halt in Paderborn und nicht Zuhause.“
„Ich war halt in Paderborn und nicht Zuhause.“
Zuhause – das ist für Floehr ganz klar Krefeld. Und dazu gehört für ihn der KFC Uerdingen wie die Luft zum Atmen. Nicht ohne Stolz zeigt er seinen Terminkalender, in dem auf einer Seite alle Spiele des KFCs stehen: „Seit 15 Jahren gehe ich, wenn es passt, einmal in der Woche zum KFC“, erklärt der Fußballfan-Fan, der immer wenn eine Moderations- oder Slam-Anfrage kommt, zunächst einen Blick auf die Spieltermine wirft: „Manchmal klappt es dann natürlich auch nicht mit den Spielen, aber ich versuche schon, regelmäßig hinzugehen.“
Wäre es für jemanden wie ihn, der kulturell so engagiert ist, nicht auch denkbar, in eine Metropole wie Berlin zu ziehen? „Niemals“, sagt der Künstler energisch, „das ist ja kulturell gesehen ein gemachtes Nest. Krefeld ist keine Kulturstadt, aber gerade das reizt natürlich auch, hier etwas auf die Beine zu stellen.“
„Die Leute hier haben Bock, nach Mönchengladbach zu fahren, aber nicht in die eigene Innenstadt zu gehen. Es wäre echt cool, wenn es mehr bunte Abende gäbe, wie beim Welcome Now-Festival, wo auch Krefelder Künstler die Möglichkeit bekommen, auf der großen Bühne aufzutreten.“
Mehr bunte Abende für Krefelder Künstler
Manches stimmt den überzeugten Krefelder aber auch nachdenklich: „Die Leute hier haben Bock, nach Mönchengladbach zu fahren, aber nicht in die eigene Innenstadt zu gehen. Es wäre echt cool, wenn es mehr bunte Abende gäbe, wie beim Welcome Now-Festival, wo auch Krefelder Künstler die Möglichkeit bekommen, auf der großen Bühne aufzutreten“, so Floehr, der das Festival moderiert hat. Ebenfalls moderiert er seit 2012 den monatlich stattfindenden Poetry Slam im Jules Papp und hob 2014 eine weitere Veranstaltung im Café Max und Moritz im Fischeln aus der Taufe.
Im Prinzip war für Floehr bereits in der Schule klar, dass es Richtung Sprache gehen werde: „Ich habe immer schon Texte geschrieben, und als ich 2010 in der Zeitung von einem Poetry Slam im Stadtwald gelesen habe, bin ich einfach mal direkt dahingegangen und habe es mir angeschaut.“ Mittlerweile tritt der Krefelder „eigentlich immer irgendwo auf“ und trägt den Leuten seine Texte vor. „Es macht einfach Bock, die Leute mit den eigenen Worten, egal ob bei einer Moderation oder als Slammer abzuholen.“
Kein Wunder also, dass Floehr sich auch in zehn Jahren noch genau hier sieht: „Einen Plan B? Habe ich nicht. Ich habe ja gerade mal einen wackligen Plan A. Wenn der aber weiter funktioniert, ist das toll“, lacht der sympathische Künstler. Denn schließlich „kann ich ja nichts anderes, als Leute zu unterhalten.“ Dass er das aber durchaus gut macht, zeigen nicht nur diverse Siege bei Slam-Meisterschaften, sondern auch die ausverkauften Slams und die stetigen Moderationsanfragen, die der Krefelder bekommt.
Vollkommen bodenständig, so wie seine Lieblingskneipe, die längst sein „vergrößertes Wohnzimmer“ geworden ist, wie er selbst erklärt, unterhält sich der Poetry Slammer mit neuen Gästen, die die Kneipe betreten. Das gehört nämlich zu einer seiner Lieblingstätigkeiten: „Entweder ich stehe irgendwo auf der Bühne oder ich hocke in einer Kneipe rum. Ich kann abends nicht alleine rumsitzen. So kriegt man auch viel mehr mit und kann am Stadtleben teilnehmen“, sagt Floehr und bestellt sich noch flugs eine Kartoffellauchsuppe beim Wirt, um weiter mit den Leuten aus der Stadt zu schnacken, dem sein Künstlerherz gehört.
Der Poetry Slam im Jules Papp, findet an jedem letzten Sonntag im Monat statt. Der Poetry Slam im Café Max und Moritz an jedem zweiten Freitag im Monat. Weitere Informationen zu Veranstaltungen von und mit Johannes Floehr gibt es auf seiner Internetseite: www.herrsalami.de.
Der Poetry Slam im Jules Papp, findet an jedem letzten Sonntag im Monat statt. Der Poetry Slam im Café Max und Moritz an jedem zweiten Freitag im Monat. Weitere Informationen zu Veranstaltungen von und mit Johannes Floehr gibt es auf seiner Internetseite: www.herrsalami.de.
Infokasten: Ein Poetry Slam ist ein Wettbewerb, bei dem verschiedene Künstler ihre Texte vor Publikum vortragen. Die Texte müssen selbstgeschrieben sein und für den Auftritt dürfen keine Requisiten verwendet werden. In der Regel hat jeder Slammer, so nennen sich die Wortakrobaten, maximal eine Zeit von sieben Minuten für seinen Vortrag. Das Publikum stimmt darüber ab, wer weiter kommt und am Ende der Veranstaltung der Sieger ist.