„Kino-Sinfonie“ an der Rennbahn - Luftige Musikanten

Andreas Fellner, Kapellmeister der Niederrheinischen Sinfonie und Dirigent vom Theater Krefeld und Mönchengladbach

Zum Abschluss der SWK-Open-Air-Kino-Saison am 14. und 15. August 2015 dirigiert Andreas Fellner als Kapellmeister der Niederrheinischen Sinfoniker die Musik zum Stummfilm „Das Phantom der Oper“. KR-ONE traf den Dirigenten vom Theater Krefeld und Mönchengladbach zum Interview an der Rennbahn, an dem die „Kino-Sinfonie“ erklingen wird – angeleitet von einem Mann, der die künstlerische Herausforderung unter freiem Himmel lächelnd annimmt.

// KR-ONE: Herr Fellner, am 14. und 15. August 2015 werden Sie auf der Krefelder Rennbahn die „Kino-Sinfonie“ auf einer großen Open-Air-Bühne zum Stummfilm „Das Phantom der Oper“ aus dem Jahr 1925 dirigieren. Worin besteht für Sie dabei die Herausforderung? Andreas Fellner: „Unter freiem Himmel gibt es natürlich nicht so eine Akustik, wie in einem Konzert- oder Theatersaal. Es wird eine enge Zusammenarbeit mit den Toningenieuren geben müssen; zu einem wesentlichen Teil werde ich mich auf das Mischpult verlassen müssen. Andererseits mache ich mir keine Sorgen darüber; ich habe die Leute, die am 14. und 15. August für den Ton zuständig sein werden, schon kennengelernt, das sind alles tolle, gute Leute.“

// Worin, glauben Sie, liegt die Faszination in der Kombination von Kino und Klassik? „Die Kombination haben Sie ja eigentlich bei jedem Film im Kino: jeder Kinofilm hat auch Musik und lebt ein Stück weit durch die Musik, das fällt nur nicht so auf, man nimmt den Film als Gesamtpaket wahr und die Musik als gegeben hin. Bei der ,Kino-Sinfonie‘ können die Menschen ausnahmsweise ganz differenziert wahrnehmen, wie viel Emotionen und wie viel Spannung aus dem Film über die Musik transportiert werden. Die Kinobesucher werden beides getrennt voneinander, und doch auf einzigartige Weise zusammen wirkend, erleben. Da werden sie erst merken, dass jeder Film ohne Musik nur halb wäre.“

„Jeder Kinofilm hat auch Musik und lebt ein Stück weit durch die Musik, das fällt nur nicht so auf, man nimmt den Film als Gesamtpaket wahr und die Musik als gegeben hin.“

// Beim „Phantom der Oper“ haben die Menschen natürlich die bekannten Musical-Melodien von Andrew Lloyd Webber im Kopf. Die Musik des amerikanischen Komponisten Carl Davis, der den „Phantom“-Stummfilm aus den Zwanziger Jahren 1996 nachvertont hat, ist aber eine andere. Warum werden die Besucher der Kino-Sinfonie trotzdem restlos begeistert sein? Weil die Musik so unglaublich gut zum Film passt. Sie ist weder im Stil der Zwanziger, noch im Stil der Neunziger. Sie passt einfach. Ich kann gar nicht genau sagen, warum. Die Musik vermag es, die Handlungen und Spannungsbögen so gut und effektiv weiterzuführen, sie hebt den Film auf eine andere Ebene. Die Menschen im Publikum werden einen unvergesslichen Abend erleben, da bin ich mir sicher.

// Sie sind gebürtiger Österreicher, am Theater Krefeld und Mönchengladbach haben Sie seit Ihrem Einstand im Herbst 2010 zahlreiche Premieren, Opern-, Operetten- und Ballettvorstellungen dirigiert. 2014 erhielten Sie den Joachim-Fontheim-Preis zur Förderung des künstlerischen Nachwuchses. Sie haben schon viel erreicht, immer mit Geräuschkulisse im Hintergrund. Nun dirigieren Sie einen Stummfilm. Was im Leben lässt Sie ganz persönlich verstummen? Wenn ich höre, wie Menschen mit fatalem Eifer und ohne ausreichender Sachkenntnis über wichtige Themen diskutieren. Aktuell zum Beispiel, wenn strengere Flüchtlings- und Asylbestimmungen gefordert werden, während Menschen im Mittelmeer ersaufen. Wo Diskussionen nicht weiterführen, verstumme ich lieber, denke mir meinen Teil und handle auf meine Art. Verstummen könnte ich aber auch bei vergleichsweise ,kleineren‘ Dingen. Wenn ich beispielsweise gezwungen bin, Musik als Hintergrund aushalten zu müssen, etwa bei einem Besuch in einem Café. Musik ist etwas Besonderes. Deshalb würde ich sie am liebsten überall zuerst abdrehen, bevor ich zu sprechen beginne.

// Was gibt Ihnen das Dirigieren? Eine große künstlerische Genugtuung. Ein Werk authentisch im Stile des Komponisten mit meinen Mitteln umzusetzen, das ist eine schöne Aufgabe. Wenn ich eine Partitur in der Hand halte, bringen die Noten ein Bild in meinem Kopf zum Klingen. Speziell bei der Musik für den Stummfilm ,Phantom der Oper‘ wird dieses Bild vielleicht noch kompakter als sonst, weil ich die Szenen und Bilder aus dem Film bereits im Hinterkopf habe.

„Kino-Sinfonie“ an der Rennbahn - Luftige Musikanten

// Jeder Dirigent lässt viel von seiner eigenen Persönlichkeit in sein Dirigieren mit einfließen, das macht seinen Stil aus. Was von seiner Persönlichkeit lässt ein Andreas Fellner einfließen? Alles.

// In welchen Bereichen Ihres Lebens dirigieren Sie sonst noch gerne?
Ich würde sagen, das Dirigieren ist ein Wesenszug von mir, der sich durch alle Lebensbereiche zieht.

// Dann sind Sie ein bestimmender Mensch? Ja, das kann man wohl sagen.

// Was im Leben dirigieren Sie gerne von sich weg? Eigentlich gar nichts. (Überlegt) Vielleicht die Steuererklärung. (Lacht)

// Wie finden Sie die Rennbahn als Ort für ein solches Ereignis wie die Kino-Sinfonie? Sehr unüblich. Gleichzeitig passt sie super. Ich liebe auch Pferde, ich bin früher viel geritten. Pferde sind schöne, majestätische Tiere, sie sind sehr intelligent und kaum zu überlisten. Die Rennbahn hat außerdem ein tolles Ambiente; ich könnte mir keinen schöneren Ort für so ein Ereignis wie die ,Kino-Sinfonie‘ vorstellen.

// KR-ONE: Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Almut Steinecke