Unsere Zähne sind im Laufe des Lebens einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt. Selbst bei bester Pflege halten sie diesen nicht immer stand. Karies durchsetzt den Zahn und verursacht dabei nicht selten großflächige Zerstörungen. Auch alte, schadhafte Füllungen hinterlassen nach dem Herausbohren manchmal kraterähnliche Defekte, die beim herzhaften Biss ins Frühstücksbrötchen in einer Fraktur münden können. Wann immer große Löcher entstehen oder gar bereits Teile des Zahnes abgebrochen sind, droht ein gefährlicher Verlust der Zahnstabilität. Genau in diesen Fällen greifen viele Zahnärzte zur vermeintlichen Ultima Ratio – der Krone! Bei einer Kronen-Versorgung wird der Zahn bis auf ein Minimum weggeschliffen und übernimmt anschließend die Funktion eines Sockels, auf dem die künstliche Krone befestigt wird. Dieser Ansatz widerstrebt dem aktuellen Stand der Wissenschaft allerdings massiv, in der das Credo lautet, so viel Zahn wie möglich zu erhalten.

Im September 2018 veröffentlichte das größte zahnärztliche Standesmagazin, die Zahnärztlichen Mitteilungen, den aktuellen Stand der Forschung zu genau diesem Thema. In einem Beobachtungszeitraum von 20 Jahren wurden in über 12.000 Fällen die langfristigen Erfolgsquoten von Kronen mit denen substanzschonender Vollkeramik-Versorgungen verglichen. Tatsächlich ist in fast allen Situationen, in denen Kollegen zur Krone raten und den Zahn zu einem kleinen Zapfen herunterschleifen auch eine sogenannte defektorientierte Vollkeramik-Versorgung möglich. Bei dieser werden ausschließlich die fehlenden Teile des Zahns vom Zahntechniker nachempfunden und passgenau vom Zahnarzt eingebracht. Die gesunden Zahn-Teile bleiben also stehen! Sie erhalten also ein präzises, individuelles Zahn-Ersatzteil. Fest verklebt und mit dem Restzahn dicht verbunden, bietet diese Variante Stabilität und Langlebigkeit zugleich.

Und was glauben Sie, wer bei der Langzeituntersuchung in Bezug auf Langlebigkeit in Kombination mit Substanzerhalt klar die Nase vorn hat? Natürlich die defektorientierten Vollkeramiken. Zu Ihrer Beruhigung sei gesagt: die Kosten einer voll verblendeten Krone und einer defektorientierten Restauration sind beinahe identisch. Um zu erkennen, ob Sie wirklich eine Krone brauchen oder auch eine Versorgung mittels Inlay, Onlay, Table Top oder einer Teilkrone möglich ist, gilt folgende Faustregel: Sollte mehr als ein Höcker eines Seitenzahns vorhanden sein, ist fast immer eine defektorientierte Präparation des Zahnes machbar – und vor allem sinnvoll! Sollte Ihnen dennoch die Krone als einzige Alternative präsentiert werden, sagen sie Nein! Auch wenn ich nun wieder Gefahr laufe, böse Anrufe von meinen Kollegen zu erhalten, vertrete ich lediglich den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und möchte Ihnen das nötige Rüstzeug an die Hand geben, um in diesen Fällen mündig reagieren zu können. Wer vorschnell zur Krone greift, tut dies entweder aus Unwissenheit oder veralteten Routinen. Doch Sie sollten deswegen nicht die Leidtragenden sein.

 

Wojtek Honnefelder