Corona ist längst kein neues Thema mehr. Inzwischen ist das Virus allgegenwärtig, faktisch wie thematisch. Gleichzeitig gewinnen Experten ständig neue Erkenntnisse über den Erreger, und jeder stellt sich den Vorgaben der Regierung folgend bestmöglich auf die Situation ein. Inzwischen sind es neben dem direkten Umfeld auch Arbeits- und Einkaufswege, ganz normale Alltagsabläufe, in denen wir uns bewähren müssen, seit es erste auflagengestützte Lockerungen seitens der Regierung gibt. Auch für diese Ausgabe haben wir Krefelder Persönlichkeiten nach ihrer Einstellung zur aktuellen Situation befragt. Ihre Perspektiven:
Thomas und Anja Lache, Inhaber Lache Concept-Stores Tommy Hilfiger, Marc O‘Polo, Rigby&Peller & Maerz
„Das erste Stadium war die Schließung. Das ist natürlich erstmal eine ziemliche Klatsche, wenn du plötzlich vor der Frage stehst: Kann es weitergehen – wird es überhaupt weitergehen? Der Einzelhandel ist ja ohnehin seit Jahren nicht auf Rosen gebettet – man ist nicht mehr in der Lage, viel Substanz aufzubauen, von der man dann eine Zeit lang zehren kann. Wir mussten uns erstmal sammeln und haben dann geschaut, wie wir das Beste aus der Situation machen können. Wir haben genau wie alle anderen erst einmal alle Möglichkeiten ausgeschöpft, uns von staatlicher Seite unterstützen zu lassen. Die Kurzarbeit einzurichten ging recht einfach vonstatten, auf die Soforthilfe mussten wir erst einmal warten. Auch mit den Vermietern haben wir ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Für unsere Kunden haben wir ganz kurzfristig einen Online-Shop aufgebaut und regelmäßig Videos veröffentlicht. Das ist sehr gut angekommen, und wir haben gutes Feedback erhalten. Wir haben festgestellt, dass jetzt nach der Wiederöffnung vor allem gezielt eingekauft wird. Da die Gastronomiebetriebe noch nicht offen haben und es generell noch nicht möglich ist, das gesamte Innenstadtangebot wahrzunehmen, gibt es gerade keine Bummler, die sich einfach ein wenig umschauen und inspirieren lassen. Insgesamt haben wir aber im Moment ein gutes Gefühl, über die Krise hinwegzukommen. Meine Frau hat mal einen Spruch gelesen, der den Nagel auf den Kopf trifft: ,Die Menschen machen ihre Stadt.‘ Das kann man mit Verweigerung machen, oder man sagt: ,Ich möchte meine Stadt attraktiv halten.‘ Und das geht nicht, ohne, dass man selber aktiv wird und das Angebot der Stadt wahrnimmt. Nur so weiß auch der Einzelhandel, was der Krefelder eigentlich haben will und kann sein Sortiment anpassen.“
Kathrin und Anna, Inhaberinnen Liesgen – Kunst & Kuchen
„Für uns war die Krise bisher sehr durchwachsen. Zum einen mussten wir fast alle unsere studentischen Aushilfen entlassen, was uns sehr traurig gemacht hat. Wir hoffen, dass wir ‚danach‘ viele wieder in unserem Team zurückbegrüßen dürfen. Zum anderen haben wir aber auch einen unglaublichen Rückhalt bei unseren Kunden erfahren. Von Anfang an haben sie uns mit Gutschein-Käufen unterstützt, und unser Kuchen-und-Quiche-Lieferdienst wird auch ganz toll angenommen. So haben wir Arbeit und machen uns nicht nur rabenschwarze Gedanken. Es ist natürlich etwas ganz anderes als das Alltagsgeschäft, aber wir lernen ganz viel gerade und tauchen in eine ganz andere Gastronomie-Seite ein. Spannend wird natürlich jetzt die schrittweise Lockerung der Maßnahmen und ob diese uns überhaupt etwas bringt. Das müssen wir ganz genau beobachten, denn mit einer sehr eingeschränkten Tisch-Anzahl etc. kann es auch sein, dass das Alltagsgeschäft nicht lukrativ ist und wir zumindest zeitweise Lieferdienst und Café-Betrieb parallel betreiben werden. Aber das wird die Zeit dann zeigen. Wir versuchen, entspannt und optimistisch zu bleiben! Und natürlich gesund! Geplant ist in jedem Fall ein Take-Away-Fensterverkauf ab Mitte Mai.“
Markus Ottersbach, Geschäftsführer des Handelsverbands Krefeld – Kempen – Viersen
„Mich persönlich beschäftigt am meisten, wie einfach es ist, auch in einem demokratischen Staat, Grundrechte einzuschränken. Wie das hingenommen und befolgt wird. Dass Virologen und Epidemiologen durch ihre Bewertungen und Empfehlungen das politische Handeln bestimmen. Dass Angst stärker ist als Eigenverantwortung. Wie Sachverhalte bewertet und Prioritäten gesetzt werden. Wie schnell Wirtschaft und Gesellschaft aus den Angeln gehoben werden können. Ich denke darüber nach und habe noch kein Ergebnis. Dafür sind die Themen zu komplex. Für weite Teile des Non-Food-Handels bedeutet die aktuelle Situation einen Existenzkampf. Für mich gilt jetzt, alles dafür zu tun, dass der Handel die Situation meistert. Durch Gespräche mit der Politik, um ihnen Informationen für ihre Entscheidungen zu geben. Durch konkrete Unterstützung kleinerer und mittlerer Händler bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle. Gefreut hat mich, dass Krefelder Institutionen und Bürgern die Bedeutung des Handels für eine attraktive Stadt offensichtlich sehr bewusst ist. Zwei Beispiele: Edeka Kempken, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft und die Wohnstätte haben Einkaufsgutscheine für Krefelder Geschäfte im Wert von 100.000 Euro erworben. Damit generieren sie einen wichtigen Nachfrageimpuls in der Stadt.
Zu Beginn der Corona-Krise wurde außerdem „Heimat shoppen Krefeld“ als Social Media-Kanal auf Facebook und Instagram gestartet. Diese Kanäle sind in kürzester Zeit zu einer tollen Angebotsmöglichkeit für Händler und Gastronomen und zu einer Informationsplattform für Kunden geworden. Die Kommunikation über diese Kanäle zeigt, wie wichtig den Menschen die individuellen, lokalen Händler sind. Ich wünsche mir mehr Zuversicht und Eigenverantwortung und weniger Angst. Jeder sollte selbstkritisch prüfen, ob er einer Risikogruppe angehört und sich gegenüber seinen Mitmenschen verantwortlich verhalten. Bestimmt 80 Prozent der Bevölkerung könnten ihr Leben wie im vergangenen Jahr weiterführen, nur mit mehr Abstand zueinander. Ich wünsche mir eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der getroffenen Entscheidungen und der gesellschaftlichen Folgen, so wie es Wolfgang Schäuble angestoßen hat.“
Uwe Papenroth, Open Air-Kino-Betreiber
„Das Open Air-Kino, wie wir es sonst immer planen, konnten wir natürlich nicht umsetzen dieses Jahr. Stattdessen kam die Idee mit dem Autokino auf. Das kann man zwar dimensional nicht mit dem Rennbahn-Kino vergleichen, aber es ist eine neue Aufgabe und wird wirklich gut angenommen. Wir bekommen gutes Feedback; gerade Familien nutzen dieses Angebot gerne. Das Autokino hat diesen besonderen Retro-Charme und Eventcharakter. Viele kennen das noch von früher. Aber ich sehe darin eine temporäre Sache. So etwas auf Dauer aufrechtzuerhalten, wird nicht möglich sein, denn sobald Corona vorbei ist, werden die Plätze ja auch wieder anders genutzt werden. Ich habe den Eindruck, dass die Leute inzwischen alle sehr vernünftig mit der Situation umgehen. Und man stellt fest, dass alle wesentlich mehr in Kauf nehmen als sonst und gelassener bleiben. Gegen den unsichtbaren Feind kann man nichts machen, das scheinen viele so zu empfinden. Wenn man so will, kann man durchaus positive Effekte sehen. Jetzt wünsche ich mir, dass alle gesund werden und wir bald wieder bei schönem Wetter auf der Rennbahn zusammensitzen. Das Gesellschaftliche fehlt mir sehr.“
Christhard Ulonska, Inhaber Dachstation Werbeagentur und Herausgeber KR-ONE Magazin
„Der Ausbruch der Corona-Infektionen war für mich seit dem Jahreswechsel zunächst nur eine neue Grippewelle, die ihren Ursprung im chinesischen Wuhan hatte und sich von dort aus über den ganzen Globus auszudehnen schien. Zu einer Krise wurde es für mich erst, als Mitte März der Lockdown zum 23. März als Gegenmaßnahme verkündet wurde. Da brach bei vielen unserer Kunden die Panik aus. So etwas hatte es in unserem Leben noch nie gegeben. Es gab keine Erfahrungen und keine Konzepte für so einen Fall. In den Tagen danach erlebte ich am Telefon die Hölle durch. Ich hörte gestandene Unternehmer schreien, weinen und panisch nach Lösungen suchen. Noch während wir versuchten, diesen Anliegen nachzukommen, erreichten uns neue verzweifelte Anrufe. Als Inhaber einer Werbeagentur und Herausgeber der KR-ONE lebe ich davon, Menschen zusammenzubringen und mit ihnen zu kommunizieren. Meine erste und dringendste Empfehlung an alle war: Auf keinen Fall die Kommunikation mit der Zielgruppe zu verlieren. Hierfür boten sich natürlich als allererstes die digitalen Medien an und hier konnten wir unsere Kunden auch am besten unterstützen. Auch für das KR-ONE-Magazin erreichten uns Absagen und Stornierungen im Stundentakt. Veranstaltungen, die abgesagt wurden, können natürlich nicht beworben werden. Umso mehr hat es mich gefreut, dass wir die gedruckte KR-ONE durch die Coronazeit dank unserer treuen Kunden weiter herausgeben können – und gleichzeitig die Online-Artikel vermehrt gelesen werden. Wir sind in der sehr glücklichen Lage, dass wir gerade in der Krise für unsere Kunden und Leser noch wichtiger geworden sind. Es freut mich, dass wir nicht nur unbeschadet, sondern gestärkt aus der Krise hervorgehen können und die Möglichkeit hatten, viele geschäftliche Partnerschaften zu vertiefen.
Die meisten Menschen fragen sich, ob die Corona-Maßnahmen angemessen oder gerechtfertigt sind oder nicht, aber fast alle halten sich an die Beschränkungen und nehmen diese ernst. Ich persönlich empfinde die Krefelder als sehr diszipliniert. Daher halte ich es auch für wichtig, die Menschen – sobald es vertretbar ist – mit Lockerungen zu belohnen. Ich finde es toll, wie solidarisch viele Krefelder die improvisierten Liefer- und Außer-Haus-Angebote der Krefelder Händler, Gastronomen und Dienstleister angenommen haben, um diese ganz bewusst zu unterstützen. Danke dafür!“
Antonios Arabatzis, Gleumes-Chef und Vorsitzender der DeHoGa Niederrhein
„Ich habe die Situation bisher ziemlich dramatisch erlebt. Die meisten Gastronomen haben Existenzängste, denn ihre Läden sind seit Wochen geschlossen. Wir von der DeHoGa beraten die Leute, informieren täglich über verschiedene Kanäle und können die Unternehmer so ein wenig beruhigen. Aber konkret tun können wir nicht viel. Die meisten können ihre Löhne und Pachten nicht zahlen. Das Kurzarbeitergeld hat lange Wartezeiten. Selbst wenn man jetzt einen Kredit aufnimmt, muss man diesen ja irgendwann zurückzahlen und das nötige Geld dafür erst einmal erwirtschaften. Da steckt ein Rattenschwanz dahinter. Es geht nur noch ums Überleben. Für viele wird es schwierig werden; nicht jeder hat die Möglichkeit, sein Geschäftskonzept auf die Gegebenheiten umzustellen. Im Gleumes konnten wir einen Rähmchenverkauf durchs Fenster anbieten, das wurde gut angenommen, und es hat gutgetan, wieder mit unseren Kunden in Kontakt treten zu können. Die Coronakrise hat uns Gastronomen sehr zusammengeschweißt und uns auch den Krefelder Bürgern noch nähergebracht. Die Krefelder versuchen wirklich, uns Gastronomen so weit wie möglich zu unterstützen. Das ist vor allem eine emotionale Hilfe; finanziell ist es ein Zubrot – ein wichtiges, aber keines, dass uns auf die Dauer retten kann. Jetzt ist die Politik gefragt, auf Bundes- und Landesebene. Eine Umsatzsteuersenkung zum Beispiel ist kein sinnvoller Weg. Sollten die Betriebe zu bleiben, müssen Fördertöpfe her! Das ganze Problem zieht weite Kreise. Wer zu lange zu ist, bleibt oft auch zu.“
Jürgen Maas, Leitung Fachbereich Schule, Pädagogischer und Psychologischer Dienst
„Ich glaube, es ging mir wie vielen anderen: Zunächst war Corona in China – ganz weit weg also. Doch dann ist auf einmal das Leben in Deutschland völlig auf den Kopf gestellt. Aber mein persönlicher Prozess mutierte recht schnell vom ungläubigen Staunen zu einem ‚Ärmel-Hochkrempeln‘. Und zu regeln gibt es wahrlich genug: Da waren am 16. März mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen die Schulen zu und es galt eine Notbetreuung zu organisieren für Kinder, deren Eltern in sogenannten ‚kritischen Infrastrukturen‘ arbeiten, zum Beispiel Pflegerinnen in Altenheimen und Krankenhäusern oder auch Kassierer in Lebensmittelgeschäften. Diese Information erhielten wir am Freitagmittag. Und am darauffolgenden Montag waren wir schon mit einem Verfahren online, mit dem diese Eltern ihr Kind für die Notbetreuung anmelden konnten. Da haben ganz viele Leute aus Schulen, staatlichen Stellen und der Krefelder Stadtverwaltung gemeinsam dran gearbeitet. Aktuell erleben wir fast täglich, dass zahlreiche Einschränkungen gelockert werden. Und so rechne ich damit, dass in den kommenden Wochen der Schulbetrieb auch für weitere Jahrgangsstufen wieder losgehen wird. Gemeinsam mit den Krefelder Schulen, dem Gesundheitsamt und zahlreichen weiteren Akteuren bereiten wir uns darauf vor. Unsere vorrangige Aufgabe ist es dabei, Hygienestandards für die Schulgebäude sicherzustellen. Das beginnt bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen, geht weiter über die Versorgung mit ausreichend Seife und Einmalhandtüchern und setzt sich fort mit der Bereitstellung von Desinfektionsmitteln. Da die Klassen aufgrund der Mindestabstandsregel deutlich verkleinert werden müssen, ergeben sich Fragen zur Raumverteilung und zum Personaleinsatz. Dank einer großen Offenheit aller Beteiligten und der ungebrochenen Motivation, gemeinsam etwas Pragmatisches auf die Beine zu stellen, bin ich sehr zuversichtlich, dass uns diese Aufgaben auch bei einer weiteren Ausweitung des Schulbetriebes gelingen werden.
Ganz allgemein fasziniert mich die Disziplin und Konsequenz, mit der die Krefelderinnen und Krefelder die harten Regeln des „Shutdowns“ umgesetzt haben. In meinem unmittelbaren beruflichen Umfeld durfte ich zudem Menschen erleben, die über sich hinausgewachsen sind. Jede weitere Lockerung von Einschränkungen bedeutet, dass der Staat den individuellen Abwägungsprozess zwischen persönlichen Freiheiten und eigenem Ansteckungsrisiko wieder mehr in die Hände jedes Einzelnen zurückgibt. Das finde ich persönlich gut und richtig so. Die Verringerung von Ansteckungsrisiken wird nur dann wirksam gelingen, wenn jeder Einzelne Verantwortung selbst übernimmt. Für Schülerinnen und Schüler sind deshalb neben dem Lehrpersonal vor allem auch die Eltern gefragt, ihre Kinder immer wieder auf die Bedeutsamkeit der Einhaltung von Regeln und Hygieneritualen hinzuweisen.“