Keine Angst vor Kunst
In der Nase kitzeln Farben, die hohen Wände erstrahlen vor bunten Kolorierungen, und hölzerne Skulpturen durchbrechen die Fläche des Raumes. Das Auge weiß nicht, wo es sich lassen soll, wenn es die einzigartigen Räumlichkeiten des Kunstverlag Heselmann an der Siempelkampstraße zum ersten Mal erkundet. Das, was Michael Dückers und seine Mitarbeiterin Claudia Scholten in der alten Industriehalle haben entstehen lassen, riecht nach Schaffenskraft, nach Klasse und Kreativität und ist in Krefeld in dieser Art einmalig: So kann der Besucher in den Räumen vom „K22“ innerhalb des Kunstverlags im Atelier Künstler bei der Arbeit beobachten, spricht der Ausstellungsraum mit unterschiedlichen Stilrichtungen jede Persönlichkeit an.
- Ein kreatives Team: Mitarbeiterin und Künstlerin Claudia Scholten und Inhaber Michael Dückers
Dückers selbst weiß, wovon er spricht: Denn der Kunstverlag Heselmann ist zu der Zeit entstanden, als große Möbelhäuser zum ersten Mal „richtige“ Kunst ins Sortiment aufnahmen. Vor mehr als 40 Jahren gründete Werner Heselmann den Verlag in Kleve und belieferte bundesweit Galerien, Möbelund Kaufhäuser. Dückers trat damals als junger Vertriebler in den Betrieb ein. „Ich konnte mir nicht vorstellen, für immer nur an einem Ort zu arbeiten“, sagt der sympathische 50-Jährige und lacht. „Die Zeiten sind lange vorbei.“ Keine acht Minuten benötigt der Kunstliebhaber heute zu „seiner“ Galerie, denn der Verlag ist inzwischen seit zehn Jahren in Krefeld ansässig, und auch der Vertrieb der Kunst in den Großhandel findet nur noch vereinzelt statt.
Dafür ist das Handwerk dazugekommen: Inmitten der Ausstellungsfläche steht eine große Säge, und diverse Leistenteile liegen auf dem Tisch, denn das Team ist über die Grenzen der Seidenstadt hinaus für Einrahmungen
bekannt. „Das ist wirklich unser Spezialgebiet, denn egal, wie außergewöhnlich das Kunstwerk ist, wir tüfteln so lange, bis die Rahmung den Ansprüchen des Kunden genügt“, schildert Claudia Scholten und zeigt auf ein frisch
gerahmtes Exemplar: Ein Werk vom bekannten Krefelder Künstler Herbert Zangs erstrahlt hinter Glas. „Die Besitzer hatten es viele Jahre im Keller liegen, weil sie nicht wussten, wie sie es hinbekommen, dass das Glas nicht auf die Arbeit drückt“, beschreibt Scholten weiter. „Sowas ist für uns kein Problem.“ Das individuelle Eingehen auf den Kunden ist die Spezialität des Kunstverlages, denn auch die Anfertigung von Einzeloriginalen in besonderen Maßen kann über das Team bestellt werden. Das Geheimrezept dafür liegt in der Verbindung des Verlags zu den Künstlern: Denn wer bei Heselmann ausstellt, ist meistens durch Mundpropaganda in die Seidenstadt gekommen. „Wir sind stolz darauf, dass zum Beispiel Edelgard Wittkowski auf uns zugekommen ist“, schwärmt Dückers. „Seit Januar stellen wir ihre Kunst aus.“ Als studierte Malerin am Novalis-Hochschulverein erschafft die Künstlerin durch das Zusammenspiel von ausdrucksstarken Farben zu einem harmonischen Arrangement intensive Kompositionen, die an die Gesetzmäßigkeiten der Natur erinnern. „Ihre Kunst gefällt mir sehr“, beschreibt Dückers.
Angetan ist er auch von den Werken des Persers Reza Momen, der sich ebenfalls in die Reihe der studierten Künstler einreiht und diverse Preise in Deutschland einsackte. In seinen Bildern werden internationale Einflüsse seiner Zeit in Teheran, Tokio, Singapur, Nagoya und Istanbul sichtbar: Die Bewegung und das Farbspiel, gepaart mit Licht und Schatten, erschaffen einzigartige Meisterwerke. „Roland hat mir Reza Momen empfohlen“, erklärt der Kunstliebhaber. „So passiert das hier oft.“ Mit „Roland“ meint Dückers den Kempener Künstler Roland Ploch, der vor vielen Jahren sein Atelier in die Räumlichkeiten des „K22“ verlegte. Auf einem großen Tisch sammeln sich seine Acrylfarben, seine Arbeitsinstrumente und auch Entwürfe sind zu entdecken. Mit dem Rücken zu ihm arbeitet Claudia Scholten an ihren Darstellungen, denn sie ist nicht nur Mitarbeiterin des Verlages, sondern auch selbst als freiberufliche Künstlerin aktiv. Ganz bewusst traf sie vor sechs Jahren die Entscheidung, mit ihrer Werkstatt in den Kunstverlag einzuziehen. „Kunst braucht gute Laune, sonst wirkt sie gezwungen oder steif“, erklärt die quirlige Krefelderin. „Mein künstlerisches Wirken hat hier ein Zuhause gefunden. Es profitiert vom Austausch mit anderen.“ Auch Elke van Bracht, Carla Gieseking, Lea Bach und Evelyn Shahravan haben ihre Wirkungsstätten an die Siempelkampstraße verlegt und bis vor einigen Monaten wirkte auch der verstorbene Krefelder Max Müller hier.

Wie Edelgard Wittkowski kommen viele Künstler auf die renommierte Galerie zu, um hier auszustellen
„Mit Max haben wir einen guten Freund verloren“, beschreibt der Inhaber. „Wir befinden uns eigentlich immer noch im Schockzustand.“ Dabei lebt der Bildhauer, Glaskünstler und Maler im Kunstverlag weiter: In so vielen Nischen sind seine außergewöhnlichen Holzskulpturen zu finden, einige Bilder strahlen von den Wänden, und auch in der gemeinsamen Cafeteria ist seine Handschrift auf der bemalten Wand zu erkennen. „Max hat viel bei uns gearbeitet, und es war wahnsinnig, ihm bei der Arbeit zuzuschauen“, beschreibt Dückers. „Davon haben wir auch Videoaufnahmen. Irgendwann werden wir eine Ausstellung über ihn machen, die nur ihm gewidmet ist.“ Mit der Kettensäge beschnitt der 73-Jährige fast bis kurz vor seinem Tod an den Ostertagen Holz und erschuf auf diese Art kurvige Frauen, Frösche in der Bewegung und andere meterhohe Motive. „Max brauchte keine Vorgaben und keine Konzeption, er packte einfach an und legte los“, beschreibt Dückers. „Und das ist genau der Spirit, den wir hier an der Siempelkampstraße vermitteln: Wir machen Lust auf Kunst.“
Kunstverlag Heselmann
Siempelkampstraße 22, 47803 Krefeld
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9-18.30 Uhr, Samstag 10-14 Uhr
Telefon 02151-565 12 90
Web: www.kunstverlag-heselmann.com