
Schwestern: Heike Bauland, Inhaberin und Anne Pelster, stellvertretende Schulleiterin
„Ihre Nachbarin hat einen Sohn. Er braucht einen Kinderstuhl. Welche Anzeige ist die passende?“ Zwei Zeitungsanzeigen stehen zur Auswahl: ein privater Kinderflohmarkt für Kleidung und das Inserat eines Einrichtungsgeschäfts. Naura ist an der Reihe, liest die Aufgabe und die Lösungsmöglichkeiten sorgfältig vor und entscheidet sich nach kurzer Beratung mit ihrem Sitznachbarn für die zweite Anzeige. Korrekt – „Aber was bitte ist ein Kinderflohmarkt?“, fragt Naura neugierig und lacht. 25 Menschen aus vielen verschiedenen Ländern und Lebenssituationen haben sich an einem verregneten Novembertag in Krefeld an der Oppumer Straße versammelt, um Deutsch zu lernen. Ein Besuch bei LernArt, einer Bildungseinrichtung für Migranten, die sich die Vermittlung von Sprachkenntnissen sowie Wissen über das Zusammenleben in Deutschland zur Aufgabe gemacht und ihr Angebot neuerdings um einen Sprachkurs für Flüchtlinge erweitert hat.
„Unser Ziel ist es, einen wichtigen Teil zur Willkommenskultur beizutragen. Wir empfangen jeden unserer Klienten wertschätzend und schaffen die Voraussetzungen, dass sie sich integrieren und dauerhaft einen Arbeitsplatz finden können“, beschreibt Heike Bauland die Zielsetzung ihres Weiterbildungsinstituts LernArt, das sie 2005 gründete und heute gemeinsam mit ihrer Schwester Anne Pelster leitet. Bauland ist bereits seit 1988 in der Erwachsenenbildung für Migranten tätig und kann auf einen reichen beruflichen Erfahrungsschatz zurückgreifen, den man ihr anmerkt, wenn sie das komplizierte Geflecht aus angebotenen Kursen, erwerbbaren Zertifikaten und Teilnahmevoraussetzungen erläutert. „Der Erwerb grundlegender Sprachkenntnisse ist immer nur der erste Schritt auf dem langen Weg der Integration“, erklärt sie und verweist auf die Vielzahl an Broschüren auf ihrem Schreibtisch. Integrationskurs, Orientierungskurs, Berufswegplanung, Einzelcoaching und Deutsch für Flüchtlinge sind die Namen der verschiedenen Module. Welcher Kurs zu welchem Zeitpunkt von wem belegt werden kann, ist abhängig von der individuellen Situation, dem Aufenthaltsstatus und weiteren rechtlichen Bestimmungen. Ein kompliziertes Geflecht, das klar verdeutlicht, wie viel Einsatz Integration von allen Beteiligten abverlangt.
„Unser Ziel ist es, einen wichtigen Teil zur Willkommenskultur beizutragen. Wir empfangen jeden unserer Klienten wertschätzend und schaffen die Voraussetzungen, dass sie sich integrieren und dauerhaft einen Arbeitsplatz finden können.“
„Wir haben ein passendes Angebot für fast jeden Migranten. Unsere Integrationskurse richten sich an EU-Bürger oder Menschen mit einer mindestens einjährigen Aufenthaltsgenehmigung und sind zunächst nicht berufsorientiert. Eine berufliche Orientierung erfolgt hingegen im Zuge der Berufswegplanung oder den Einzelcoachings, die sich explizit an Empfänger von Arbeitslosengeld richten und aus der Arbeitslosigkeit heraus führen sollen“, schildert Anne Pelster, die 48-jährige stellvertretende Schulleiterin, und ergänzt: „Es geht uns allerdings um viel mehr als die Vermittlung von Sprachkenntnissen und Wissen. Unsere Kurse finden täglich von 8 bis 16 Uhr statt und bieten den Teilnehmern somit auch Halt, Struktur und ein soziales Umfeld.“ Das umfangreiche Angebot des anerkannten und zertifizierten Weiterbildungsträgers begleitet Migranten vom ersten deutschen Wort bis zum Einstieg in ein festes Arbeitsverhältnis und erfüllt damit eine Integrationsaufgabe, die gerade vor dem Hintergrund der zugespitzten Flüchtlingssituation relevanter ist denn je.
- Komad aus Polen und Naura aus Algerien
- Stefano aus Griechenland und Larissa aus Kasachstan
„Am 24. Oktober wurde im Bundestag beschlossen, dass ab November Gelder bereitgestellt werden, um Flüchtlinge, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, in Deutsch zu unterrichten.“, berichtet Heike Bauland. Eine politische Entscheidung, die auch die beiden Schwestern dazu veranlasste, in ihrer Institution einen Einstiegskurs für Flüchtlinge einzurichten. Teilnehmen können ab sofort all jene Flüchtlinge, die in einer Aufnahmeeinrichtung registriert und aus einem nicht sicheren Herkunftsland stammen, derzeit Syrien, Eritrea, Irak und Iran. Doch das Angebot allein genügt in der unübersichtlichen Gemengelage nicht, wie Bauland zu bedenken gibt: „Wir haben im Moment das Problem, unser Angebot mit Teilnehmern zu füllen. Es existiert nun, jedoch wissen viele Menschen das noch nicht. Wir können ja nicht einfach in ein Flüchtlingsheim gehen und Flyer verteilen. Es ist nun wichtig, an verschiedene Multiplikatoren zu kommen, um die Flüchtlingskurse bekannter zu machen.“
Auf den Fluren des Instituts herrscht reger Betrieb, die Mittagspause hat begonnen, und die Teilnehmer der verschiedenen Kurse strömen nach draußen oder verweilen im Seminarraum. Einer von ihnen ist der 27-jährige Stefanos, der vor einem Jahr von Griechenland nach Deutschland auswanderte, um der prekären Arbeitsmarktsituation seines Heimatlandes zu entfliehen. Trotz Studienabschluss gab es für den engagierten Griechen keine berufliche Perspektive. Ein dramatischer biografischer Einschnitt, den hier viele durchleben mussten. So auch die 42-jährige Krankenschwester Larissa aus Kasachstan, die vor sechs Monaten nach Krefeld kam, um ihrem Mann nach Deutschland zu folgen. Beide besuchen derzeit den Orientierungskurs, der den Teilnehmern die wichtigsten gesellschaftlichen und kulturellen Merkmale Deutschlands vermittelt. Derzeit befinden sie sich in den Vorbereitungen für die Abschlussprüfung, nach deren Bestehen sie die ersten wichtigen Zertifikate besitzen, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können. Larissa und Stefanos sehen ihrer Zukunft wieder optimistisch entgegen, denn sie haben in den letzten Monaten sehr viel gelernt, Anschluss gefunden und sich in einem Land orientiert, das ihnen vorher völlig fremd war. Das Wichtigste ist jedoch: Sie haben wieder eine Perspektive. Es sind zwei der vielen persönlichen Erfolgsgeschichten des Instituts, die auf eindrückliche Weise zeigen, wie die Mammut-Aufgabe Integration gelingen kann. //mpa
LernArt, Oppumer Straße 81, 47799 Krefeld, Tel.: 02151 1546951,
E-Mail: info@lernart-krefeld.de, www.lernart-krefeld.de