Ein liebevoll gemaltes kleines Schild deutet auf die Marionettenwerkstatt in einem Hinterhof in Dinslaken. Annette Schreiner, eine attraktive brünette Mittfünfzigerin mit wachen Augen, öffnet uns strahlend die Tür. Und lässt uns in ihre kreative Welt schauen. Eine Welt aus Holz, Holzmehl, Leim, Schaumstoff, Schrauben, Ösen und Nylonfäden. Eine Welt aus Naturhaar, Pelz, Stoff, Leder, Filz, Perlen, Knöpfen und Accessoires. Aus diesen Materialien entstehen mit künstlerischem Talent und bildhauerischem Geschick ihre Marionetten.

Marionettenbauerin Annette Schreiner
Das Entreé vom Marionetten-Atelier wirkt wie ein kleines Theater. Hier präsentiert die Künstlerin einen Teil ihrer Figuren: den freundlichen italienischen Eisverkäufer Giovanni hinter seinem Eiswagen, einen Bücherwurm, einen Gähner und einen fantasievollen Pilzmann mit einem unglaublich warmen Gesichtsausdruck. Auffallend detailliert sind Gesichter, Hände und Füße modelliert. Die gemalten Augen ziehen den Betrachter magisch an. Jedes einzelne Fingerglied ist naturalistisch nachempfunden. Die Kleidung fügt sich aus vielen verschiedenen Materialien zusammen. Und fast jede Figur von Annette Schreiner trägt eine zum Typ passende Kopfbedeckung.
A propos „Typ“: Das künstlerische Anliegen der Marionettenbauerin ist es, Typen zu erschaffen. Deshalb haben die meisten ihrer Figuren das 50. Lebensjahr deutlich überschritten. Sie erläutert, weshalb: „Charakter und Ausdruck entstehen erst in einem älteren Gesicht. Das reizt mich.“
Bis eine Marionette am Fadenkreuz schwebt, sind viele Arbeitsgänge notwendig. Sie beginnen beim Entwurf, manchmal als Zeichnung auf dem Papier. Oft entsteht dieer aber auch einfach im Kopf. Dann folgen das Modellieren des Kopfes, das Fertigen von Händen, Füßen und Schuhen aus Holzmehl, das Bemalen des Gesichtes, der Holzbau, das Nähen oder Filzen von Kleidung und schließlich das Hinzufügen von Accessoires. Das kann ein Schirmchen aus geklöppelter Spitze, eine Holzflöte oder eine Mandel aus dem letzten Griechenlandurlaub als Kopfschmuck für ein mystisches Waldwesen sein. Doch über allem Handwerk steht die Kreativität. „Neue Figuren zu kreieren, ihnen eine Seele einzuhauchen, ist schöpferisch anstrengend, ist Begabung und Talent. Das entzieht sich dem Erlernbaren, dem Verstand. Es ist somit nicht jederzeit auf Knopfdruck abrufbar. Das ist beglückend“, schwärmt die Marionettenbauerin. Die gelernte Diplom-Geografin mit Schwerpunkt Stadtplanung hat vor 25 Jahren ihren Beruf aufgegeben und ist ihrer Berufung gefolgt. Am Figurenkolleg Bochum und bei Figurenbildner Jürgen Maaßen in Düsseldorf hat Annette Schreiner das Handwerk erlernt.
Auf dem Flachsmarkt zeigt die Marionettenbauerin ihre Unikate, die zwischen 350 und 1.200 Euro kosten. Die Figuren sind zwischen 40 Zentimetern und einem Meter groß und bestehen aus bis zu 60 Einzelteilen. Entdeckt wurde sie übrigens beim letzten Kunsthandwerker-Weihnachtsmarkt auf Schloss Moyland. Ihre Teilnahme beim Flachsmarkt ist für Annette Schreiner eine Auszeichnung: „Es ist ein Ankommen auf der Straße des gehobenen Kunsthandwerks.“
Termine nach Vereinbarung, Werkstatt: Klosterstraße 40,
46535 Dinslaken, Handy: 0170-2169577