Sollte dem umtriebigen KR-ONE-Leser am 24. oder 26. September eine ziemlich lange Schlange in der Nähe der Peter-Lauten-Straße auffallen, kann er sich völlig beruhigt einreihen und das Spektakel genießen. Es handelt sich nämlich weder um eine fragwürdige Demonstration, noch um einen Flashmob 50 plus. Diese fröhlichen, mit Thermoskannen, Klappstühlen und Skatkarten ausgestatteten Menschen stehen an, um Karten für das neue Programm der Krieewelschen Pappköpp zu erwerben. Das Marionettentheater in Mundart ist inzwischen Kult, und einmal im Leben sollte jeder Krefelder sich dieses Vergnügen gegönnt haben. Der Vorverkauf gehört für das treue Stammpublikum inzwischen genauso zum Spaß dazu, wie die kniehohen Puppen und deren freches Mundwerk. In der Warteschlange wurden schon Freundschaften geschlossen; wer nicht flüssig Krieewelsch Platt spricht, kann hier schon einmal einen freundlichen Übersetzer für den kommenden Theaterabend kennenlernen.

Ralf Kochann, Gründungsmitglied und Regisseur der Pappköpp
Noch ist das Programm der nächsten Spielzeit in Arbeit. Das 14-köpfige Pappköpp-Ensemble hat wie immer traditionell seine Sommerferien geopfert, um frische Episoden und Mäuzkes zu schreiben. Jetzt treffen sie sich regelmäßig in ihrem Theater, einer ehemaligen Kirche, um bei jeder Menge Kaltgetränken und Gummibärchen zu probieren. „Wenn uns bei den Sprechproben die Tränen vor Lachen die Wangen herunterlaufen, dann gefällt es in der Regel auch dem Publikum“, erklärt Ralf Kochann, Gründungsmitglied und Regisseur des Marionettentheaters. Seit 38 Jahren treten er und seine Mitstreiter an jedem Abend einer Spielzeit den Beweis an, dass eine im Jazzkeller geborene Idee auch nüchtern betrachtet noch Substanz haben kann. Denn bei aller Spielfreude ist der Theaterbetrieb im Kleinformat eine gewaltige Herausforderung.
Mit den Jahren sind die Autodidakten zusehends in ihre Profession hereingewachsen; nahezu alle Ensemble-Mitglieder können an mehreren Positionen vor, auf und hinter der vom inzwischen verstorbenen Rüdiger Tiefers liebevoll gestalteten Bühne eingesetzt werden. Um auch nur eine der insgesamt 50 Puppencharaktere zum Leben zu erwecken braucht es bereits zwei Personen: einen Spieler und einen Sprecher. Deshalb kommt es in der Probenzeit besonders darauf an, dass eine Harmonie zwischen Text und Puppenspiel entsteht. Denn bei den späteren Aufführungen werden die Spieler auf der Bühne und die Sprecher in den Kabinen hinter der Bühne keinen Sichtkontakt mehr haben. Doch auch mit kleinen Hängern gehen die Pappköpp inzwischen entspannt um: „Wenn irgendetwas danebengeht oder sich jemand von uns verspricht, das finden die Leute immer ganz besonders herrlich“, erzählt Christa Bürgers, „und trotzdem fragen auch immer noch Menschen, ob die Stimmen vom Band kommen.“
„Wenn irgendetwas danebengeht oder sich jemand von uns verspricht, das finden die Leute immer ganz besonders herrlich.“
Wer in dem atmosphärischen Saal vor der Bühne gemütlich bei Bier und Brötchen den Anekdoten der Puppen zuhört, kann kaum erahnen, was hinter den Kulissen auf engstem Raum alles vor sich geht. Bühnenbildumbauten, Kostümwechsel, Lichttechnik und die musikalische Leitung finden dort Platz. Dazu die Puppen, die auf ihren Auftritt warten. „Einige der Charaktere, wie Matthes und Schäng, die Traut oder auch Berta, sind den Krefeldern so ans Herz gewachsen, dass sie in keinem Programm fehlen dürfen“, so Ralf Kochann. Natürlich werden sie das auch im kommenden Programm mit dem Titel „Mal so jesacht…“ nicht. Selbstverständlich wird Herr Nösemes es sich nicht nehmen lassen, wieder brandheiße Interna aus dem Stadthaus auszuplaudern. Und Opa Angermanns wird nicht fehlen. „Bei ihm haben wir es lediglich zur Auflage gemacht, dass er nach seinem 100. Geburtstag 2010 / 11 nicht mehr älter wird, damit er uns den Altersdurchschnitt nicht weiter kaputtmacht“, sagt Walburga Watzlawik und lächelt. Aber in der letzten Spielzeit konnten mit Patrick Biallas, Vanessa Feld und Volker Matter immerhin schon drei jüngere Mitglieder für das Ensemble gewonnen werden. „Wir beobachten, dass auch immer mehr jüngere Zuschauer unsere Vorstellungen besuchen“, freut sich Ralf Kochann. „Mit jünger meine ich unter 40-Jährige, die das Krieewelsch Platt noch von ihrer Oma mitbekommen haben.“ Tatsächlich hat die Krefelder Mundart selbst einen großen Anteil am Erfolg der Pappköpp. Manche Zuhörer haben allein schon ihre Freude daran, wenn sie fast vergessene Wörter mal wieder laut ausgesprochen hören. Zudem sind die Texte und Themen der Programme immer mit Lokalbezug- und kolorit angereichert. „Wir sind manchmal beim Schreiben der Texte auch ein bisschen respektlos“, räumt Christa Bürgers ein, „aber das muss unser Publikum aushalten können.“ Den Puppen verzeihen die Zuschauer ohnehin alles. Dass die Illusion auch für ein erwachsenes Publikum bereits kurz nach Vorstellungbeginn hergestellt ist, macht die Faszination dieses eigenwilligen Theaters aus. Und den Machern immer wieder selbst Spaß. Von November bis März werden sich die Tischreihen mit Platz für 160 Personen mit Blick zur Bühne 26 Mal füllen. Um kurz nach 19 Uhr ist der Saal zuverlässig proppevoll. Die Pappköpp sitzen dann hinter den Kulissen, hören die Stimmen durcheinanderschwirren und die Gläser klirren. Wenn dann das Saallicht gedimmt wird, die Puppen und Spieler beginnen und sich aus der gespannten Stille das erste Lachen bahnbricht, dann wissen sie, wofür sich die ganze Mühe auch diesmal wieder gelohnt hat. Knatschpitter und Krawallschachteln dürfen gerne draußen bleiben.
Marionettentheater Krieewelsche Pappköpp, Peter-Lauten-Str. 62, 47803 Krefeld, VVK im Pappköpp-Theater: Sa, 24.9. von 9 bis 12 Uhr und Mo, 26.9. von 18 bis 20 Uhr. Eintritt: 15 Euro, Einlass jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. Programmdauer etwa eineinhalb Stunden mit einer Pause. Weitere Infos: www.krieewelsche-pappkoepp.de.