Es war eine schwierige Situation für Angela W. (51)* aus Krefeld. Eigentlich wollte die geschiedene Mutter von zwei mittlerweile studierenden Kindern vor fünf Jahren wieder in ihren erlernten Beruf als Finanzbuchhalterin einsteigen, den sie vor 26 Jahren zugunsten der Kindererziehung aufgegeben hatte. Aber just in dem Moment, als sie wieder einmal an sich denken konnte, erkrankte ihr Vater an Demenz. Angela W. übernahm seine Betreuung, bis er vor einem Jahr in ein Pflegeheim kam. Mit individueller Hilfe der Agentur für Arbeit in Krefeld gelang es ihr schließlich, das finanzielle und emotionale Loch, das sich vor ihr aufgetan hatte, zu füllen.

Auslöser war ein Infozettel der Agentur für Arbeit in der Mediothek, der zu einem kostenlosen Workshop für Wiedereinsteigerinnen in den Beruf einlud. Angela W. nahm teil, absolvierte eine Software-Schulung und bewarb sich. Mittlerweile arbeitet sie in Teilzeit in ihrem erlernten Job und hat neue Kraft und neues Selbstbewusstsein getankt. Professionelle Starthilfe für Erfolgsgeschichten wie diese zu geben, ist Job und gleichermaßen Herzensanliegen der beiden Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit und beim Jobcenter in Krefeld. Gaby Wienges-Haupt kümmert sich bei der Arbeitsagentur um Wiedereinsteigerinnen und Frauen, die zwar bereit wären, unter bestimmten Bedingungen wieder zu arbeiten, sich aber nicht arbeitssuchend gemeldet haben. Claudia Brüker unterstützt und berät im Jobcenter langzeitarbeitslose Frauen, Eltern und Alleinerziehende.

Agentur für Arbeit

Gaby Wienges-Haupt

Worin liegt Ihr Kerngeschäft?
Claudia Brüker und Gaby Wienges-Haupt: Wir beraten Frauen bei ihrem beruflichen Wiedereinstieg, führen Infoveranstaltungen durch, konsultieren Unternehmen zum Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ und sind in vielen regionalen Netzwerken aktiv. Dazu gehört die Stadt Krefeld mit ihren Fachbereichen wie der Gleichstellungsstelle, Bildungsträger wie die VHS, die Wirtschaftsförderung sowie Wohlfahrtsverbände u.v.w.

Viele Frauen tun sich schwer, nach einer längeren Auszeit auf dem Arbeitsmarkt den Wiedereinstieg anzugehen. Wie können Sie sie motivieren, über- haupt erst einmal den Kontakt zu Ihnen aufzunehmen?
Gaby Wienges-Haupt: Ich gehe dorthin, wo ich Frauen erreichen kann: in Cafés, auf Wochenmärkte, in Kindertageseinrichtungen und Sportstätten. Dort können wir durch Gespräche und Einladungen zu unseren kostenlosen Workshops potenzielle Wiedereinsteigerinnen erreichen. Vereine nutzen auch ihre Facebook-Präsenz, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Claudia Brüker: Bei mir im Jobcenter sind die Kundinnen und Kunden ja bereits bekannt. Trotzdem gehe auch ich an Orte, wo ich außerhalb der Behörde mit ihnen in Kontakt kommen kann. Oftmals fällt es den Erziehen- den leichter, sich dort zu öffnen.

Welches sind die Hauptsorgen potenzieller Wiedereinsteigerinnen?
Claudia Brüker: Vor allem Alleinerziehende sorgen sich, nicht dauerhaft für den Unterhalt der Familie aufkommen zu können. Hinzu kommt die Angst davor, überhaupt eine neue Arbeit zu finden, weswegen viele zu früh resignieren und sich eine Arbeitsaufnahme nicht mehr ohne weiteres zutrauen. Viele machen sich auch zu Recht Gedanken über ihre nicht ausreichende Altersabsicherung. Hierzu kann ich das Buch empfehlen „Ein Mann ist kein Vermögen“ von Stefanie Kühn.

Mit welchen Argumenten können Sie die Frauen dennoch ermutigen, wieder arbeiten zu gehen? Claudia Brüker und Gaby Wienges-Haupt: Indem wir ihnen verdeutlichen, dass ihre Arbeit wirtschaftliche Unabhängigkeit und eine vernünftige Absicherung im Alter bedeutet. Außerdem zeigen wir auf, dass ein Job auch eine größere Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bedeutet, inklusive neuer sozialer Kontakte. Und aus eigener Erfahrung können wir beide sagen, dass Arbeit Selbstbestätigung bringt und Spaß machen kann.

Bei welchen Fragen oder Problemen können Sie Frauen konkret helfen?
Gaby Wienges-Haupt: Wir zeigen jeder Kundin individuelle Stellenangebote und Qualifizierungsmöglichkeiten auf und prüfen, ob eine Ausbildung oder Umschulung Sinn macht. Wir klären, wie man eine Kinderbetreuung bekommen oder ausweiten kann und wie der Lebensunterhalt nach einer Trennung gesichert wird. Darüber hinaus helfen wir beim Verfassen der Bewerbungsunterlagen.

Welche Erfahrungen haben Sie in punkto „Einstellung von Berufsrückkeh- rerinnen“ in den vergangenen Jahren gemacht?
Gaby Wienges-Haupt und Claudia Brüker: Es ist eine „Politik der kleinen Schritte“. Aber in der letzten Zeit gewinnt das Thema an Fahrt. Der Fachkräftebedarf in einzelnen Branchen führt dazu, dass sich immer mehr Unternehmen des Themas „Vereinbarkeit in Beruf und Familie“ bewusst werden.

Agentur für Arbeit

Claudia Brüker

Wie können Sie denn Unternehmen für Ihr Vorhaben gewinnen?
Gaby Wienges-Haupt: Hier hilft das Krefelder Netzwerk „Wirtschaft und Familie“. Zusammen mit uns beschäftigen sich die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Krefeld, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft, die Unternehmerschaft Niederrhein sowie Vertreter von Stadtwerken und Sparkasse damit, dass Unternehmen ihre Firmenphilosophie familienfreundlich ausrichten und damit den Frauen einen Wiedereinstieg nach einer Familienphase in verschiedenen Formen anbieten können. Hierdurch wird die Bindung zum Unternehmen gestärkt.

Claudia Brüker: Im Rahmen des Wettbewerbs „Familienfreundlichstes Unternehmen Krefeld“ des Netzwerkes Wirtschaft und Familie besuchen wir ganz konkret Firmen, die sich bewerben und schauen vor Ort, was sie in dieser Hinsicht anbieten. Dazu gehören unter anderem flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie von Arbeitgebern, die beispielsweise alleinerziehenden Frauen den Wiedereinstieg ermöglicht haben?
Claudia Brüker: Sie sehen, dass diese Frauen oft hochmotiviert sind, weil sie Vorbild für ihre Kinder sein wollen. Sie erleben sie als engagiert, verbindlich und zuverlässig. Das sind „Goodies“, die viele Alleinerziehende im Vergleich mit anderen Mitbewerbern häufiger mitbringen.

Was raten Sie abschließend Frauen, die den Wiedereinstieg geschafft haben?
Gaby Wienges-Haupt: Wichtig ist das „Dranbleiben“ in Form von Qualifizierung. Gerade, wer längere Zeit nicht gearbeitet hat, muss in punkto Digitalisierung erst einmal den Anschluss bekommen. Dazu bieten wir alle Infor- mationen zu Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, betriebliche Einzelumschulungen, allgemeine Qualifizierungsmöglichkeiten, was alles auch in Teilzeitform möglich ist.

Wir danken herzlich für das Gespräch. 

Gaby Wienges-Haupt, Agentur für Arbeit Krefeld,
Telefon: 02151-92-2412 Krefeld.BCA@arbeitsagentur.de Claudia Brüker, Jobcenter Krefeld, Telefon: 02151-7048-705 Jobcenter-Krefeld.BCA@jobcenter-ge.de

* Es handelt sich um einen fiktiven Fall, der sich so oder ähnlich in der Realität hätte abspielen können.