Der Modellbau ist seit Jahrtausenden ein beliebtes Hobby für Jung und Alt. Heute scheint die feinmotorische Geduldsaufgabe aus der Zeit gefallen zu sein. In einer digitalisierten Welt der schnellen Reize, in der der nächste Dopamin-Kick nur einen Fingerwisch entfernt liegt, bringt kaum noch jemand die Zeit und Muße auf, sich stunden-, tage-, oder gar wochenlang einem Modell zu widmen. Der Modellbau ist vom Aussterben bedroht. Mit seinem privaten Museum am Krefelder Nordwall stellt sich Peter Kelm seit Jahrzehnten gegen diesen Trend und lädt Interessierte regelmäßig in seine persönliche Schatzkammer ein.
„Es gibt zwei Gruppen von Menschen, die den Weg in mein Museum finden. Die ältere Generation ist tatsächlich am Modellbau interessiert, kennt das Hobby aus der eigenen Jugend und will vielleicht sogar wieder einsteigen. Jüngere Menschen hingegen kommen in der Regel her, um Fundstücke aus Nachlässen von Verwandten zu spenden“, beschreibt Peter Kelm den überschaubaren Besucherkreis seines Modellschiffmuseums. Jeden dritten Sonntag im Monat öffnet der 45-jährige hauptberufliche Sonderpädagoge die Räumlichkeiten im Erdgeschoss seines privaten Wohnhauses kostenfrei für die Öffentlichkeit. „An einem Öffnungstag erscheinen vielleicht fünf oder sechs Personen – allesamt aus dem Umkreis von Krefeld. Jegliche Versuche, mein Museum in der überregionalen Presse bekannt zu machen, sind bisher gescheitert“, erzählt Kelm und ist bemüht, seine Enttäuschung zu verbergen. Menschen für den Schiffsmodellbau zu begeistern, da ist sich der gebürtige Krefelder sicher, sei heute kaum mehr möglich. „Die Digitalisierung hat die Gesellschaft verändert. Wenn man mich fragt, nicht unbedingt zum Positiven. Natürlich ist manche moderne Technik nützlich, aber die mit ihr einhergehende Beschleunigung des Alltags halte ich für gefährlich“, sagt der studierte Soziologe, der heute als Lehrer in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie arbeitet.
- Peter Kelm, hauptberuflicher Sonderpädagoge und leidenschaftlicher Modellbauer
Das mit einfachen Mitteln liebevoll dekorierte Museum von Peter Kelm ist der manifest gewordene Gegenentwurf zur von ihm immer wieder skizzierten Highspeed-Gesellschaft. 1995 eröffnet, ist die Ausstellung im Laufe der Jahre immer weitergewachsen und hat heute beeindruckende Ausmaße erreicht. In den drei mit maritimen Bildern und Fundstücken ausgeschmückten Räumen stehen thematisch sortiert etwa 100 Modellschiffe der verschiedensten Schiffstypen, Größen und Macharten: Mississippi-Dampfer treffen auf Segelschiffe und Zerstörer. Für den Laien erstreckt sich die Bandbreite der Exponate von unspektakulär bis unfassbar kurios. Manche Modelle faszinieren auf den ersten Blick, andere beziehen ihren Reiz aus den Hintergrundinformationen und Anekdoten, die Peter Kelm zu jedem der Schiffe parat hat. Da gibt es den maßstabsgetreuen Nachbau der Gorch Fock, für den in mühevoller Handarbeit geschätzte 50.000 Streichhölzer geköpft und aneinandergeklebt wurden. Oder ein Dampfschiff mit irrwitzigen Details, an denen der vorherige Besitzer und Erbauer über Jahre hinweg gearbeitet hatte. Zum Teil sind die Schiffe sogar voll motorisiert und schwimmfähig. In Sachen Quantität und Qualität sei eine solche Sammlung in Deutschland, vielleicht sogar in ganz Europa, einzigartig, so Kelm.
„Die Digitalisierung hat die Gesellschaft verändert. Wenn man mich fragt, nicht unbedingt zum Positiven. Natürlich ist manche moderne Technik nützlich, aber die mit ihr einhergehende Beschleunigung des Alltags halte ich für gefährlich.“
Größtenteils handelt es sich bei den Exponaten um Modelle, die Kelm von Spendern erhalten und anschließend minutiös restauriert hat, andere sind zufällige Flohmarkt-Fundstücke. Nur ein kleiner Teil wurde vom Modellbau-Enthusiasten mithilfe von Bausätzen komplett selbst gebaut. „Die meisten Ausstellungsstücke sind bereits lange nicht mehr im Handel erhältlich. Viele sind mehrere Jahrzehnte alt, und das älteste Modell, ein holländisches Frachtschiff, stammt sogar aus dem 19. Jahrhundert“, sagt der Modellbauexperte stolz. „Es gibt heute kaum noch Fachgeschäfte, und selbst im Internet ist der Markt inzwischen sehr klein geworden. Angebot und Nachfrage sind einem wechselseitigen Prozess immer weiter zurückgegangen“, so Kelm, der in einem vierten Raum seines Museums nebenbei noch eine nicht minder beeindruckende Sonderausstellung präsentiert. Etwa 750 Muscheln, Schnecken und andere Fossilienaus dem Nachlass eines Spenders – sozusagen die natürliche Variante des Modellbaus – haben hier seit einigen Jahren ihren Platz gefunden. Neben den künstlichen und natürlichen Modellen beherbergt das Museum auch Kelms persönliche Bibliothek, bestehend aus hunderten Fachbüchern und Zeitschriften zu maritimen Themen aller Art. „Zuerst war die Faszination für den Modellbau da. Dass es ausgerechnet Schiffe wurden, war eher ein Zufall“, erinnert sich der Museumsleiter an die Anfänge seiner Leidenschaft, die sich bis heute ausschließlich auf miniaturisierte Abbilder der Wirklichkeit be-schränkt. „Echte Schiffe und das Meer interessieren mich nur bedingt. Ich fahre zum Beispiel niemals ans Meer, um Urlaub zu machen. Wenn man so viel Maritimes in seiner Freizeit um sich hat, ist das mehr als genug für eine Person“, schmunzelt Kelm.
Ein Besuch im Krefelder Modellschiffsmuseum fasziniert und stimmt nachdenklich zugleich. Ist unsere Gesellschaft wirklich so hektisch und ungeduldig geworden, dass es in ihr keinen Platz mehr für Kontemplation gibt? Fragen wie diese lassen sich bei einem entschleunigenden Rundgang durch das Krefelder Modellschiffsmuseum hervorragend mit Peter Kelm besprechen, der sich nach vorheriger Vereinbarung jederzeit über interessierte Besucher freut.
Modellschiffsmuseum, Nordwall 69, 47798 Krefeld
Tel.: 02151 614526
Mail: peter.kelm@t-online.de
Web: www.modellschiffmuseum.de