Heftiger Überjazz aus Krefeld

 

„Überjazz“(frei beschrieben nach H. Hansen): Wortart: Substantiv, Häufigkeit: selten,  Wortrennung: Über-jazz. Das Wort Überjazz setzt sich aus den Teilwörtern „über“ und „Jazz“ zusammen. Jazz ist eine aus der Volksmusik der nordamerikanischen Gebiete entstandenen Musik mit Rhythmusinstrumenten, die frei improvisierend miteinander eine eingehende Melodie erschaffen. „Über“ ist hierbei als Präpositionsersatz verwendet und bezeichnet, dass das Ausmaß die Grenzen des herkömmlichen Musikstiles überschreitet. Die Musikrichtung „Überjazz“ ist erstmals mit dem Krefelder Jazzmusiker Horst Hansen in Verbindung zu bringen und beschreibt ein unverwechselbares Spektakel, das mit Groove und Show alle menschlichen Sinne berührt.

Horst Hansen Trio

Hamburg, Prag, Berlin oder Leipzig: Die Straßenkapelle reist aktuell mit ihren Instrumenten durch die Weltgeschichte

 

Wenn jemand das Horst Hansen Trio fragen würde, hätte der Begriff „Überjazz“ schon lange einen Eintrag im Lexikon verdient: Denn schon seit mehr als zehn Jahren bringen die jungen Musiker in schief geknöpften Hemden und Retrosocken Überjazz auf die Bühne. Was als Schülerprojekt mit Rollenspielcharakter begonnen hat, verfolgt heute eine ernstzunehmende Vision von fünf Profimusikern: Lukas Weber, Carsten Hackler, Lars Leibl, Tobias Foller und Till Menzer möchten Jazz als Musikrichtung für junge Menschen erlebbar machen. Mit ihrer Straßenkapelle reisen sie dafür im Moment durch Deutschland, Tschechien, Frankreich, und die Schweiz.

„Jazz hat bei jungen Leuten häufig noch ein verstaubtes Image“, erklärt Saxophonist Lukas Weber. „Wir transportieren aber Musik, die in unserer Generation ankommt. Zu unserer Musik wird getanzt, es wird gefeiert und abgegangen. Das sollen die Leute sehen.“ Dafür nimmt das Horst Hansen Trio die klassischen Vorurteile der Jazzszene auf die Schippe und schafft einen Showcharakter: Die jungen Krefelder haben eine Geschichte, fast schon einen Mythos, um die eigene Band gesponnen. Auf der Bühne nennen sie sich Eckbert, Manfred, Eberhardt, Hans-Dieter Zimmermann und Hubert. „Da erwartet doch der Zuschauer schon eine langweilige Darbietung alter Jazzer“, sagt Bassist Lars Leibl und grinst. „Wir kommen dann mit dem Gegenteil auf die Bühne.“ Ihrem Publikum erzählen sie immer die gleiche Gründungsgeschichte: Wahr daran ist, dass es einen Trompeter mit dem Namen Horst Hansen in Krefeld gab, der nicht nur am Niederrhein, sondern auch in Europa mit seiner Jazzmusik große Erfolge feierte. In den 90er-Jahren löste sich die Band um Horst Hansen schließlich auf. Seit 2010 führen die fünf jungen Krefelder Musiker das „Horst Hansen Trio“ zu Ehren des Trompeters unter seinem Namen fort. Die jungen Musiker sind damit die selbsternannten Pioniere des „heftigen Überjazz“. Diesen einzigartigen Musikstil nicht aussterben zu lassen, sei nun ihre Lebensaufgabe.

„Wir verbinden Jazz mit Show und schaffen so ein einmaliges Spektakel“, erklärt Gitarrist Tobias Foller. „Das kommt an.“ Der Grund dafür ist vor allem eine erfolgreiche Symbiose: Die unterhaltsame Geschichte rund um die Band verbinden die jungen Musiker mit anspruchsvollen Melodien, gekonnten Improvisationen und einem geübten Zusammenspiel. Ihre Stücke mit Titeln wie „Stuttgart 5000“, „Born Wild to Be“ oder „Ihr erster Flug“ orientieren sich an politischen Missständen, an Naturerlebnissen oder einfach nur an amüsanten Situationen, an die sich die Fünf gerne zurückerinnern. In Krefeld ist das Horst Hansen Trio längst bekannt. Auch über die Grenzen hinaus sind die Musiker zuletzt auf dem Fringe Festival in Recklinghausen, der Jazzrally in Düsseldorf und den Leverkusener Jazztagen aufgefallen. „Nun gilt es, unsere Vision in der Welt zu verbreiten“, sagt der Gitarrist fast schelmisch lächelnd. „Dafür gehen wir auf die Straße.“

Bereits im letzten Jahr hat die Band ein Set-Up zusammengezimmert, das für Straßenmusiker einmalig ist: In großen Holzkisten verstaut befinden sich Lautsprechertürme. Über zwei Autobatterien werden die Boxen betrieben und das Keyboard befeuert. Angebrachte Rollen ermöglichen Mobilität, mitgebrachte Solistenteppiche und bunte Lichter verwandeln die Straße kurzerhand in eine Bühne. Das Autohaus Tölke und Fischer stellt der Band einen Sprinter zur Verfügung, um das Equipment von Stadt zu Stadt zu transportieren. Immer mit dabei: Filmemacher Ben Nowarra, der mit seiner Kamera die Erlebnisse und Begegnungen auf den Straßen dokumentiert. Auch das gehört zum Konzept: Modern und medial zu zeigen, wie Jazz wirken kann.

Horst Hansen Trio

„In Hamburg haben wir im Schanzenviertel unser Set-Up aufgebaut und losgelegt“, erzählt Weber mit strahlenden Augen. „Auf einmal war ein Feuerkünstler neben uns und hat zu unserem Groove die Keulen geschwungen und eine Hulla-Hoop-Tänzerin hat daneben performt. “ Immer mehr Menschen blieben stehen, wurden Teil des Geschehens und fieberten mit dem Saxophon mit, das in voller Improvisation die Tonleiter hoch und runter flog, um sich dann wieder in die eingehenden Melodien einzufügen.

Die Auftritte verhelfen den jungen Musikern zu einem spannenden Netzwerk: Erst kürzlich wurden sie für den Geburtstag eines Tschechen gebucht, der sie auf der Straße entdeckt hatte,  anschließend ging es weiter zum Povalec Festival in den Westen des Landes.

„Das hätten wir uns zu Schulzeiten nie träumen lassen“, schwärmt Lukas Weber, der nach einem erfolgreich abgeschlossenen Medizinstudium inzwischen Saxophon in Köln studiert. „Horst Hansen  ist mittlerweile leider verstorben, aber wir verfolgen die Vision, die er als Musiker auch hatte: Wir möchten Menschen mit unserer Musik, unserem Überjazz, in den Bann ziehen und begeistern.“

 

 

Horst Hansen Trio

Die Band hat ein Crowfundingprojekt ins Leben gerufen, um Filmemacher Ben Nowarra, der ehrenamtlich das Straßenmusikprojekt begleitet, die Unkosten der Reise zu refinanzieren. Informationen dazu finden Sie auf der Webseite der Band.

Musik und Videos von der Tour gibt es online auf horsthansentrio.de oder im Youtube-Kanal auf www.youtube.com/user/horsthansentrio