Die 24-jährige Namika, mit bürgerlichem Namen Ḥanan Ḥamdi, stürmte im vergangenen Sommer mit ihrer Hit-Single „Lieblingsmensch“ die Charts. Dass sie noch viel mehr zu bieten hat als gefällige Sommer-Hits, beweist sie mit ihrem Debüt-Album „Nador“. Untermalt von einer Mischung aus Alternative-Pop, Hip-Hop-Beats und orientalischen Klängen singt und rappt Namika über Liebe, komplizierte Beziehungen, gespaltene Identitäten und andere schmerzhafte Erfahrungen. Anlässlich ihres Konzerts in der Kulturfabrik am 20.03.2016 haben wir mit der sympathischen Frankfurterin gesprochen.

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Namika

// KR-ONE: Die letzte Zeit war für dich unglaublich erfolgreich. Hattest du im Gefühl, dass Album und Single derart durchstarten oder kam das alles sehr überraschend? Namika: Für mich war das tatsächlich eine große Überraschung. Ich bin Newcomerin und hatte keine Vorstellung davon, wie ich ankomme und ob meine Musik überhaupt angenommen wird. Dementsprechend offen und ohne Erwartungshaltung bin ich auch an das Ganze rangegangen.

// Mit „Lieblingsmensch“ scheinst du einen Nerv getroffen zu haben. Wie erklärst du dir die tolle Resonanz auf den Song? Ich vermute, dass es vor allem mit dem Titel zu tun hat. Jeder hat direkt jemanden vor Augen, wenn er das Wort „Lieblingsmensch“ hört.

// Und wen hast du vor Augen? Das verrate ich immer noch nicht (lacht).

Pressefoto_Namika_06_kl// In deiner Musik, in den Texten, Titeln und auch in deinem Künstlernamen schimmern deine marokkanischen Wurzeln durch. Deine Großeltern sind Marokkaner und du bist in Frankfurt geboren. Was ist dein persönlicher Bezug zu Marokko? Mein persönlicher Bezug zu Marokko liegt darin, dass ich als junges Mädchen sehr viele Urlaube in Marokko erlebt habe. Im Grunde war ich in den Sommerferien jedes Jahr dort mit meiner Familie und meinen Großeltern. Marokko ist für mich eine zweite Heimat.

// Welchen Einfluss hat diese zweite Heimat auf deine Musik?
Vor allem die Musik auf den marokkanischen Basaren war für mich eine große Inspiration. Beim Schlendern habe ich die Klänge unterbewusst in mich aufgenommen. Da bleibt immer etwas hängen. Anderseits habe ich mich aber auch stets darum bemüht, aktuelle marokkanische Musik aktiv zu verfolgen. Als ich dann im Studio an meinem Album gearbeitet habe, kamen all diese Inspirationen und Eindrücke hervor. Ich hatte das natürliche Bedürfnis, sie in meiner Musik zu verarbeiten.

„Musik ist für mich vor allem ein Werkzeug, um meine Gefühle auszudrücken. Selbstfindung ist dabei auch ein sehr großes Thema.“

// Hast du diese Eindrücke und Erfahrungen auch in deine Texte einfließen lassen? Natürlich. Der Song „Nador“ zum Beispiel handelt von den Unterschieden zwischen Marokko und Deutschland. Ich bin in Frankfurt aufgewachsen, habe aber eben auch einen starken Bezug zu Marokko und insbesondere zur Stadt Nador. Aus dieser Perspektive war es spannend, die kulturellen Unterschiede zu beleuchten. Es ist ein Beobachter-Song. Zwischen den Zeilen geht es aber auch um meine persönliche Identitätssuche.

// Ist Musik dein Werkzeug, um diese Identitätssuche zu betreiben? Musik ist für mich vor allem ein Werkzeug, um meine Gefühle auszudrücken. Selbstfindung ist dabei auch ein sehr großes Thema.

// Hast du deine Identität durch das Album ein Stück weit definieren können? Ja. Ich habe festgestellt, dass die Heimat kein geografischer Ort ist, sondern ein emotionaler Ort. Für mich bedeutet das: Meine Heimat ist dort, wo meine Familie und meine Freunde sind. Ein Stück weit ist das ein naiver Hippie-Gedanke: Die Welt ist mein Zuhause. Das ist aber die Einstellung, die ich mittlerweile habe.

// Du hast in einem anderen Interview einmal gesagt: „Ich bin die dritte Generation in Deutschland und sehe mich als Kulturhybrid. Ich bin nirgendwo wirklich zu Hause.“ Glaubst du, dass das nur dein persönliches Gefühl ist, oder das es anderen Menschen ähnlich geht? Ich denke, dass es vielen Menschen auf der Welt so geht. Aber das ist nicht unbedingt ein Nachteil.

Pressefoto_Namika_05_kl// Du beziehst also viel kreative Energie aus dem Umstand, ein „Kulturhybrid“ zu sein? Total! Ich kenne die marokkanische und auch die deutsche Kultur und habe deshalb die Möglichkeit, die Welt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu verstehen. Ich bin sehr dankbar dafür, diese Perspektive einnehmen zu können.

// Was sind für dich die größten kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Marokko? Marokko ist in vielerlei Hinsicht mehr laid-back als Deutschland, was die Pünktlichkeit angeht, den Grad der Organisation und das System. In Marokko dauert alles ein bisschen länger, die Menschen machen einfach eine Siesta, wenn ihnen gerade danach ist.

// Das klingt nach einem Klischee… Es entspricht aber der Realität (lacht).

// An welchem Punkt in deinem Leben hast du damit begonnen Musik zu machen? Ich habe relativ früh angefangen. Bereits mit 14 habe ich zusammen mit einem Freund erste Songs geschrieben und produziert. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem ich das Ganze ernsthafter betreiben wollte. Ich habe ein Solo-Mixtape aufgenommen und es an Labels geschickt. Diesem Mixtape habe ich letztlich meinen Erfolg zu verdanken, denn es folgte der Plattenvertrag bei Jive und zuletzt dann die Produktion von „Nador“.

// Zuvor hast du unter dem Pseudonym „Hän Violett“ Musik gemacht. Mit dem Wechsel des Künstlernamens gab es auch einen Umbruch in der Musik. Mehr Gesang, weniger Rap und ein poppigeres Arrangement. Wie kam es zu diesem Wandel? Diese Entwicklung war ein sehr persönlicher Schritt. Es fühlte sich an, als würde ich aus einem Kokon schlüpfen und ein Stück weit erwachsener werden. Wobei ich nicht sagen würde, jetzt schon erwachsen zu sein – das wäre traurig. Man entwickelt sich weiter und wird Stück für Stück ein anderer Mensch. Parallel dazu hat sich eben auch meine Musik verändert. Die Veränderung hat etwa zwei Jahre gedauert. Das ist alles nicht von heute auf morgen passiert.

// Es war also ein Entwicklungsprozess, bei dem du gemerkt hast, doch in eine andere Richtung gehen zu wollen? Noch nicht einmal das. Ich habe ja schon noch Rap-Elemente im Album realisiert. Es ging mir aber bei „Nador“ vor allem darum, ehrliche Texte zu schreiben. Und ehrliche Texte kann ich gesungen besser transportieren als gerappt. Es war mir wichtig, die Texte gut verstehen zu können. Das heisst aber nicht, dass das in Zukunft so bleiben muss.

// Könnte es für dich also doch wieder mehr in Richtung Rap gehen? Ich weiß noch nicht was in der Zukunft kommt. Ich bin generell offen. Es kann in die eine oder andere Richtung gehen, je nach Stimmung. Das ist ja das schöne an der Musik. Man ist frei, kann sich entwickeln und das machen, was man liebt. Vielleicht mache ich in Zukunft auch etwas ganz anderes. Die Welt ist nicht schwarz und weiß und es gibt nicht nur Pop-Musik und Rap.

// Was steht für dich in der nächsten Zeit an? Zunächst einmal beginnt jetzt die Tour zu meinem Debüt-Album, die mich auch nach Krefeld führt. Wenn die Tour und die Festivalsaison im Sommer gerockt und überstanden ist, geht es für mich wieder ins Studio, um neue Musik aufzunehmen.

// Hast du einen Bezug zu Krefeld oder der Region? Ich habe keinen direkten Bezug zu Krefeld, freue mich aber gerade deshalb auf das Konzert, weil es eine Premiere ist. Ich freue mich auf jedes neue Gesicht, was dort auf mich wartet und Lust hat auf meine Musik. Ich habe übrigens gehört, dass die Karten fast ausverkauft sind. Wer mich also live sehen möchte, sollte möglichst schnell zuschlagen.

// Krefeld freut sich auch auf dich! Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Marc Christian Pannek
Fotos: Presse