Sie hat eine ganze Welt neu erschaffen, Karten gezeichnet, Herrschaftsverhältnisse entwickelt, Wesen wie Elben und Zwerge erfunden, ganz unterschiedliche Charaktere erdacht und drei menschliche Jugendliche in dieses Szenario geworfen, die mit ihrer Suche nach der Beantwortung der wichtigen Fragen ihres neuen Lebens ein Stück weit die damalige Lebenssituation der Autorin widerspiegeln. Nil Cam hat mit ihrem Erstlingswerk „Als die Feuer brannten“ einen mit viel Lob bedachten Fantasy-Roman geschrieben, dessen Fortsetzung dieser Tage kurz vor seiner Vollendung steht. Der Weg hin zur ersten Publikation war mit vielen Hürden ge­spickt. Dass sie es dennoch geschafft hat, ist Beleg für eine Kämpfermentalität, die ihr im Leben nicht nur Gutes gebracht hat.

Autorin Nil Cam

„Ich hatte im Leben häufig das Gefühl, nicht wirklich in diese Welt zu passen“, sagt die 24-jährige in Krefeld geborene Deutsch-Türkin nach kurzem Zögern mit fester Stimme und blickt auf ihre Jugendtage. „Ich hatte Probleme in der Schule, aber das feste Ziel, das Abitur zu erreichen. Es gab eine Phase, in der ich mir einfach zu viel zugemutet habe. Dann ist es plötzlich passiert: Ich bekam einen Tinnitus, der bis heute nicht weggegangen ist, aber inzwischen habe ich mich damit arrangiert.“ Zeitweise, so Cem weiter, sei sie nicht schulfähig gewesen, habe sich nur in Therapie befunden. „Genau in diesem Zeitraum habe ich mit dem Buch angefangen. Ich war schon immer großer Fantasy-Buch-Fan und habe Geschichten geschrieben, aber erst in diesem Lebensabschnitt hatte ich die Ruhe, einen komplexen Handlungsstrang zu entwickeln und mich intensiv mit den handelnden Personen auseinanderzusetzen.“ Wie eine Besessene schreibt sie in jenen Tagen. Über 600 Seiten füllt sie mit spannenden Abenteuern. Früh ist ihr klar, dass sie eine Trilogie verfassen möchte. Doch zunächst gilt es, einen Verlag zu finden, der ihr erstes Buch veröffentlichen möchte. Ein zähes Ringen. „Ich war vielleicht ein bisschen naiv“, sagt die Alevitin und schmunzelt: „Zunächst habe ich nur die großen Verlage angeschrieben und reihenweise Absagen erhalten. Meistens erst nach Monaten und ohne konkrete Begründung. Das war zwar ziemlich frustrierend, aber ich habe mich nicht entmutigen lassen. Ich zahlte Korrekturen und Überarbeitungen aus eigener Tasche und wendete mich anschließend an kleine Verlage.“ Plötzlich, vor rund drei Jahren, klingelt dann das Telefon. „Der Esch Verlag war am Apparat. Sie sagten mir, dass sie mit mir den Weg bis zur Veröffentlichung gehen wollen. Ich war völlig überwältigt“, erzählt die Wort-Virtuosin. Doch bis zur ersten Auflage muss sie mit einem Lektor das Buch überarbeiten, Charaktere klarer konturieren, insgesamt 200 Seiten eindampfen. „Das war schon nicht einfach“, erinnert sich Cam.

„Ich hatte im Leben häufig das Gefühl, nicht wirklich in diese Welt zu passen.“      

Heute, drei Jahre nach der Veröffentlichung von „Als die Feuer brannten“, hat Nil Cam alles geschafft, was sie sich einst vorgenommen hatte. Sie meisterte das Abitur per Fernstudium und befindet sich nun erfolgreich im Studium der Philosophie – von ihrem Erfolg als Autorin einmal ganz zu schweigen. Trotzdem ist die zierliche Kreative unsicher, sie zweifelt. Und das, obwohl sie auf Amazon mit Lob überhäuft wird. „In einer spannenden Geschichte (die hoffentlich in einem zweiten Teil fortgeführt wird) hat es die Autorin geschafft, wichtige moralische Aspekte anzusprechen. Auch wenn das Buch dem Fantasy-Genre zuzuordnen ist, weicht es doch von der typischen Elfen-/Zwergenwelt ab. Die Magie in ihrer Welt erfordert zum Beispiel komplexes Wissen über die Macht der Sprache, und setzt größte Umsicht voraus. Unbedachtes Handeln hat seine Konsequenzen, mit Tieren und Mitmenschen gleichermaßen ist achtsam umzugehen. Das Buch ist ein schöner Ansatz, um diese Message überzubringen. Die Schreibweise ist bisweilen etwas fordernd, aber man wird mit einer Geschichte belohnt, die zugleich sanft und schön und spannend ist“, schreibt beispielsweise eine Leserin namens Alice. Doch für Cam ist die eigene Zerrissenheit Quelle der Inspiration und das Zweifeln an der Richtigkeit des eigenen Lebensweges der rote Faden des Fortsetzungsromans. „Es ist aber nicht nur mein eigener Lebensweg, der meine Protagonisten antreibt, sondern das gesamte Weltgeschehen. Wir leben in einer Zeit mit großen Ängsten und Konflikten. Auch das spiegelt sich in meinem zweiten Buch wider“, verrät sie.

Wie ihr Leben in zehn Jahren aussehen soll, weiß Nil Cam heute noch nicht. Auch hier ist sie hin- und hergerissen. Gerne würde sie Vollzeitautorin sein, aber auch Professorin werden. Vielleicht, das sagt sie selbst, wird sie auch eine Bücher schreibende Professorin. Ob das klappen kann, weiß sie nicht so genau, immerhin habe sie schon jetzt erkannt, wie schwierig es ist, Vollzeit zu studieren und gleichzeitig zu schreiben. Egal, wohin es sie am Ende treibt, eines ist für sie sicher: „Ich werde auf jeden Fall die Trilogie zu Ende schreiben!“ Eine gute Nachricht für alle Fans der Nachwuchsautorin, die nur darauf warten, wieder in neu erschaffene Welten entführt zu werden.

„Als die Feuer brannten“ Taschenbuch
ESCH Verlag, ISBN-10: 3943760898, 15 Euro