56 Augenpaare blicken gebannt auf ein Paar Hände und warten auf eine ganz bestimmte Geste: Was auf den Betrachter von außen scheinbar simpel wirkt, ist jahrelange, hoch konzentrierte Arbeit. Eine Arbeit, die viel Freude bereitet, haben doch alle Augenpaare und nicht zuletzt das Paar Hände ihre Leidenschaft zum Beruf erkoren: zum Orchestermusiker und zum Dirigenten.

Mit der Französischen Kammerphilharmonie hat er sich einen Traum erfüllt: Dirigent Philip van Buren.
„Ich bin Dirigent geworden, um sinfonische Werke zu dirigieren.“
Die Orchestermusiker sind die Französische Kammerphilharmonie, der Dirigent ist ihr künstlerischer Leiter Philip van Buren. Mit der Gründung dieses in der Seidenstadt beheimateten Klangkörpers erfüllte er sich einen lange gehegten, aber immer wieder hinausgezögerten Wunsch: „Eigentlich habe ich als Student schon von einem eigenen Orchester geträumt, mit dem ich all die Programme verwirklichen kann, die mir am Herzen liegen“, schmunzelt er. Im Jahr 2014 war die Zeit dann endlich reif: „Ursprünglich hatte ich vor, ein Kooperationsprojekt mit der Künstlervermittlung der Agentur für Arbeit einzugehen. Als diese jedoch im letzten Moment absprang, konnte ich wohl nicht mehr anders, als meinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.“ Vorangegangen waren drei Jahre als 1. Kapellmeister und stellvertretender Generalmusikdirektor am Theater Regensburg sowie ab 2000 zehn Jahre als Kapellmeister am hiesigen Gemeinschaftstheater Krefeld und Mönchengladbach. Großen Bekanntheitsgrad erlangte Philip van Buren während dieser Zeit als kongenialer Ko-Moderator von Kiko, dem Kinderkonzertkobold. Unter dessen frechem Kosenamen ,Philipopo‘ dirigierte er sich in die Kindheitserinnerungen und Herzen zahlreicher junger Musikliebhaber. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er im selben Alter wie dieses besondere Publikum war, als seine Begeisterung für die Tonkunst entfachte: „Meinen ersten Klavierunterricht erhielt ich mit fünf Jahren. Das ging auch sehr gut, und ich wusste irgendwann, dass die Musik mein Broterwerb sein soll. Ich wusste nur nicht, was genau ich machen wollte und dachte, die Schulmusik sei ein guter Einstieg. Dazu brauchte ich ein zweites Instrument; also fing ich mit 17 Jahren das Hornspiel an“, erzählt der sympathische Forstwalder über seine künstlerischen Wurzeln. Dadurch eröffnete sich ihm ein neuer Horizont: das Spielen in einem Orchester. „Das Ensemblespiel lag mir auch vorher schon, allerdings habe ich da den E-Bass in einer Heavy Metal-Band gezupft“, ergänzt er lachend. Schnell hatte er Blut geleckt, wechselte von der Musikhochschule seiner Heimatstadt Frankfurt an die von Köln und änderte das Studienziel: Hornist in einem Berufsorchester. Doch je näher das künstlerische Examen rückte, desto weniger konnte sich Philip van Buren vorstellen, ein gefühltes Leben lang mit immer den gleichen Kollegen tagein, tagaus Note um Note zum Klingen zu bringen. Also doch lieber die Seite wechseln und Dirigent werden? „So leicht tat ich mich mit der Entscheidung nicht: Ich bin Linkshänder und hatte mir immer eingeredet, ich müsste doppelt so gut sein wie andere, da ich den Taktstock links halten müsste, was ungewöhnlich ist. Ich habe mich deshalb lange davor gescheut, diesen Schritt zu wagen. Aber schon mein Musiklehrer hatte gesagt: ,Philip, du wirst Dirigent!‘ Also nahm ich meinen Mut zusammen, probierte aus, mit rechts zu dirigieren – und glücklicherweise funktionierte es.“ Da es in Köln zu seinen Studienzeiten nicht nur eine sehr renommierte Hornklasse gab, sondern mit Professor Volker Wangenheim auch einen ausgezeichneten Dirigierlehrer, war der Probeunterricht bei diesem schnell arrangiert, ebenso die Aufnahmeprüfung, und schließlich die künstlerische Reifeprüfung in Essen bei David de Villiers schnell bestanden.

Einhellige Meinung unter den Musikern: „Wir kommen immer wieder gerne zu Projektphasen zusammen und haben sehr viel Freude miteinander!“
„Als Deutsch-Franzose fühle ich mich der französischen Lebensart sehr verbunden.“
Musizieren unter der Flagge deutsch-französischer Freundschaft
Vor etwas mehr als drei Jahren erfolgte der Abschied vom Theater und der Sprung ins kalte Wasser der Selbstständigkeit, aber auch der Unabhängigkeit. Philip van Buren erklärt: „Letztlich bin ich Dirigent geworden, um sinfonische Werke zu dirigieren, zumal eine kraftvolle Beethoven-Sinfonie das klassische Repertoire eines Musiktheater-Dirigenten mit den wunderbaren Mozart-Opern erweitert und Antonín Dvořáks Sinfonie ,Aus der Neuen Welt‘ seine Oper ,Rusalka‘ in ein anderes Licht setzt, obwohl die Klangsprache die gleiche ist.“ Als ständigen Motor seiner Tätigkeit nennt der humorvolle Tonkünstler den Ehrgeiz, herausfinden zu wollen, was derjenige, der die Musik geschrieben hat, dachte – und einen Weg zu finden, dies dazustellen. Nun also mit einem eigenen Orchester, aber nicht mit einem profillosen Ensemble, das für jedes Projekt neu „zusammengewürfelt“ wird nach dem Zufallsprinzip „Kann der eine Geiger nicht, kommt eben ein anderer“. Einen festen Stamm sollte es haben, denn: „Ohne einen verlässlichen Kern fange ich bei jeder Probenphase neu an, einen Gesamtklang zu entwickeln. Das wird meinem und unserem Anspruch nicht gerecht. Wir proben intensiv und spielen auf hohem Niveau, bei dem jede Note zählt.“ Eine kennzeichnende Ausrichtung war gleichfalls erwünscht: „Ich habe selbst in herausragenden Nachwuchsorchestern gespielt und dies als prägend empfunden. Gleichzeitig bin ich Deutsch-Franzose und fühle mich dem Französischen als Lebensart sehr verbunden. Der Gedanke, diese beiden für mich identitätsstiftenden Momente zu verbinden, ist das, was die Französische Kammerphilharmonie ausmacht.“ Als Symbol deutsch-französischer Freundschaft teilen sich französische Musiker, die in Deutschland leben, mit deutschen Musikern, aber auch solchen, anderer Nationalitäten, die Pulte. Zahlreiche unter ihnen haben zuvor im Gustav Mahler Youth Orchestra, in der Jungen Deutschen Philharmonie oder dem European Community Youth Orchestra gewirkt. Der Name ist ebenso Programm, erklärt Philip van Buren: „Die Veränderungen, die die Französische Revolution 1789 hervorbrachte, hatten immensen Einfluss auf die Entwicklung der Musik auf beiden Seiten der Grenze. In unseren Programmen spüren wir diesen nach und interessieren uns gleichzeitig dafür, wie französische Komponisten deutsche und andere europäische beeinflusst haben – und umgekehrt.“ Gut 20 verschiedene solcher Projekte hat die Französische Kammerphilharmonie seit ihrer Gründung bereits umgesetzt, von Maurice Ravels Dauerbrenner „Boléro“ über die schwungvollen Ouvertüren aus der Feder Jacques Offenbachs bis hin zu den klassischen Beethoven-Sinfonien. Besondere Zusammenarbeiten mit namhaften Solisten stehen dabei im Fokus. „Mit der österreichischen Star-Geigerin Lidia Baich gastierten wir im April 2017 in der Kölner Philharmonie, die französischen Ausnahmepianistin Lise de la Salle begleiteten wir bei den Musikfestspielen Potsdam und jüngst auf ihrer Deutschland-Tournee. Projekte mit der Saxophonistin und Echo-Klassik-Preisträgerin Aysa Fateyeva wie auch mit dem Gewinner vieler Violin-Wettbewerbe, Fédor Rudin, sind anvisiert“, berichtet der Dirigent und ergänzt: „Ich schmiede auch Pläne mit der Grande Dame der Vokalkunst, Helen Schneider. Hier fehlen eigentlich nur noch die Termine. Auch der Heldentenor Andreas Schager, mit dem ich in Krefeld gleichzeitig engagiert war und der mittlerweile die großen Wagner-Partien in Berlin, Wien, Paris, Bayreuth und New York singt, hat Interesse an gemeinsamen Auftritten.

Im Sinne deutsch-französischer Freundschaft teilen sich vor allem junge Musiker beider Nationen die Notenpulte.

Nach über dreizehn Jahren in leitenden Positionen an deutschen Theatern genießt Philip van Buren die künstlerische Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit.
Künstlerische Freiheit als großer Gewinn
Solche Großvorhaben wollen nicht nur inhaltlich geplant werden, sondern auch organisatorisch. Was bei städtischen Orchestern ein ganzes Managementteam übernimmt, macht Philip van Buren im Alleingang: Es fängt dabei an, die Noten zu bestellen sowie die Musiker ins Boot zu holen und hört nicht zuletzt bei der Pressearbeit und der Verpflegung während der Proben auf, die in der Regel im Gemeindesaal von St. Michael in Krefeld-Lindental abgehalten werden. Unterstützung erhält er von seiner Frau Eleonora, einer ehemaligen Balletttänzerin des Theaters Krefeld und Mönchengladbach, die das Kulturbusiness mit all seinen Facetten und Eigenarten ebenfalls kennt. Van Buren betont aber: „Das Kerngeschäft ist jedoch die Konzertakquise, insofern bin ich auch mein eigener Manager und Agent.“ Der größte und schönste Vorteil seiner neuen Aufgabe gegenüber der Theaterarbeit sei, sich den Tag selbst einteilen zu können: „Wenn ich nicht meinen beiden Lehraufträgen an den Musikhochschulen von Frankfurt und Köln nachgehe oder mit der Kammerphilharmonie probe, respektive deutschlandweit konzertiere, bin ich zu Hause und kann von dort aus alles vorbereiten. Ich habe Zeit für meine Frau und unseren Sohn und kann gegenüber einem Festengagement, das man hauptsächlich auf Probebühnen oder allabendlich im Orchestergraben verbringt, mein Familienleben ganz anders genießen.“ Als in Krefeld beheimatetes Orchester möchte die Französische Kammerphilharmonie hier zukünftig präsenter sein, beispielsweise mit öffentlichen Generalproben, Sponsorenkonzerten oder auch mit Musikvermittlungsprojekten. Wenn man das Hobby zum Beruf gemacht hat und so viele verschiedene Baustellen vor einem Konzert beackern muss, bleibt da auch noch Zeit für ein anderes Hobby? Philip van Buren lacht herzhaft und beantwortet diese Frage mit dem Funkeln in den Augen wie es enthusiastische Burschen angesichts eines gewissen Leders preisgeben: „Ich darf mit Stolz behaupten, den schönsten Ausgleich zu haben – als Teil des Trainerteams der F1 Fußball-Jugend beim VfR Fischeln!“
Französische Kammerphilharmonie
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