Rock me Amadeus

Ein Krefelder Jung-Komponist erobert die (Film)-Musikwelt

Ein großes Haus in ländlicher Idylle, fernab der Großstadt, mit einem extra eingerichteten Musikzimmer. Hier sitzt ein gut situierter Mann zwischen 40 und 50 Jahren an seinem Flügel. Er wirkt ein wenig schwerfällig durch die fehlende Bewegung der letzten Jahre. Doch wenn ihn die Muse küsst, wird er zum Virtuosen. Seine Finger fliegen über die schwarz-weißen Tasten, wenn er Filmmelodien kreiert, die die Zuhörer später noch tiefer in den Plot hineinziehen, ihnen Emotionen entlocken und manchmal auch zum Weinen bringen. So in etwa stellt man sich einen Filmkomponisten vor, oder?_sim8216-kopie

Der junge Mann, der heute die Tür in der fünften Etage einer Wohnung in Krefeld öffnet, hat nur wenig gemein mit dieser Vorstellung. Aber immerhin einen verheißungsvollen Vornamen: Amadeus Indetzki ist 21 Jahre alt und wohnt noch bei seinen Eltern. Die „Kommandozentrale“, wie sie von Indetzkis Freunden oft liebevoll genannt wird, befindet sich im Zimmer des 21-Jährigen. Auf den ersten Blick ein ganz normales häusliches Umfeld für einen jungen Erwachsenen: ein großes Bett, ein Schreibtisch, ein Kleiderschrank. Nicht zu viel Deko und Nippes. Wären da nicht das Piano direkt vor dem Schreibtisch und die fünf Monitore, an denen Indetzki oftmals gleichzeitig arbeitet. Spätestens jetzt wird deutlich: hier lebt und arbeitet jemand, dessen Herz mit dem Rhythmus der Musik schlägt.

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This is where the magic happens: Die Kommandozentrale in Amadeus Elternhaus

Die Liebe zur Musik entdeckte Indetzki bereits früh: „Mit fünf Jahren habe ich angefangen, Klavier zu spielen. Mit 12 habe ich in der Ballettschule die Klassen am Klavier begleitet und damit mein Taschengeld verdient“, so der sympathische Krefelder. Seine ersten Erfahrungen, vor Publikum zu spielen, beeinflussen den 21-Jährigen auch heute noch: „Momentan spiele ich wieder ab und zu auf Hochzeiten oder anderen Events.“ Auch wenn ihm das schon früher Spaß gemacht hat, wollte er aber lieber „komplett frei sein.“ Darum fing er mit 15 an, eigene Stücke zu schreiben: „Ich wollte ein komplettes Orchester mit in meine Musik reinmischen können, und darum habe ich mich für Filmmusik entschieden.“ Schritt für Schritt hat sich der engagierte Krefelder alles selbst beigebracht: „Ich habe erst einmal im Internet geguckt, wie andere das machen und mir dann ein Programm namens Cubase gekauft. Das sollte jeder Musikschaffende kennen.“ Mit dem Programm können verschiedene Funktionen eines analogen Tonstudios übernommen werden. Hinzugekauft hat Indetzki außerdem viele virtuelle Musikinstrumente, um so den Klang eines ganzen Orchesters darstellen zu können. Mithilfe des Programms ist es dem Komponisten möglich, Melodien direkt auf eine Filmszene zuzuschreiben, wie Indetzki erklärt: „Am oberen Monitor sehe ich den Film. Ich kann dann den Ton ausstellen und meine eigene Musik darunterlegen.“ Über 500 Instrumente stehen dem 21-Jährigen virtuell zur Verfügung. Für die passende Szene wählt er dann eins aus und spielt es am Klavier ein. So können nach und nach die verschiedenen Instrumente eingespielt und anschließend zu einer Partitur zusammengefügt werden.

Ein spontaner Anruf brachte den ersten Job für „Alarm für Cobra 11“

Zwei Jahre hat Indetzki benötigt, um sich mit dem Programm auseinanderzusetzen. Dann wollte es der Krefelder wissen und an Filmprojekten mitwirken: „Ich habe dann einfach bei Wikipedia den Komponisten von ‚Alarm für Cobra 11‘ herausgesucht und ihn angerufen.“ Leider war die Webseite veraltet und die Person gar nicht mehr für die Serie tätig. Aber der Mann gab dem damals 18-Jährigen die Telefonnummer des damaligen Komponisten, Daniel Freundlieb. Den hat Indetzki sofort kontaktiert. „Ich hab ihn einfach angerufen und gefragt, ob er Hilfe gebrauchen könnte“, erzählt der 21-Jährige lachend und fügt hinzu: „Im ersten Moment war er etwas perplex. Aber eigentlich ist es in dem Business oft so, dass die jungen Komponisten von den Älteren ausgebildet werden.“ Der Mut des Krefelders schien dem Berliner Komponisten imponiert zu haben, denn er lud ihn zu einem Probetag in die Hauptstadt ein. Dabei durfte Indetzki ihm über die Schulter schauen. Danach fragte Freundlieb den Krefelder in der Tat zweimal an, um mit an ‚Alarm für Cobra 11‘ zu arbeiten: „Ich musste jedoch immer ablehnen, da ich damals in der Abiturphase war.“ Beim dritten Anlauf klappte es dann, und Indetzki fuhr für eine Woche nach Berlin: „Jeden Tag haben wir zehn Stunden an einer einzigen Folge gearbeitet. Ich glaube, ich kann die jetzt immer noch auswendig.“ Die Zeit in Berlin hat ihm aber nicht nur seinen ersten Job gebracht, sondern auch viele Kontakte.

Nach dem Abitur begann Indetzki eine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker: „Es war noch nicht so weit mit der Musik, deshalb wollte ich erst einmal etwas Richtiges lernen.“ Ganz fernab seiner Leidenschaft war seine Berufswahl trotzdem nicht, wie er erklärt: „Ich konnte oft Sachen kombinieren, deswegen war es definitiv eine gute Wahl.“ Neben seiner Ausbildung gab die Musik aber weiter den Ton an. Das hat Amadeus Indetzki auch seinem Chef von Anfang an vermittelt: „Ich habe ihm erklärt, dass Aufträge auch mal spontan kommen können. Es war immer klar: Wenn die Musik ruft, bin ich weg.“ So kam es dann auch oftmals. Einmal rief der Komponist Stefan Maria Schneider an und fragte Indetzki, ob er an verschiedenen Folgen der Kindersendung „Ritter Rost“ mitkomponieren könne: „Da hießt es dann: ,Kannst du morgen in Berlin sein?‘ Da muss man rasch reagieren.“ Zum Glück hat der Krefelder einen Chef gefunden, der ihm diesen Freiraum gibt. Dafür arbeitet der 21-Jährige aber auch bis zu 14 Stunden am Tag: „Es sind halt oft lange Tage und lange Nächte.“_sim8306-kopie

Während der Jungkomponist früher oftmals Stücke auf Anfrage geschrieben hat, läuft es heute eher anders, wie er erklärt: „Mittlerweile ist es so, dass ich Anweisungen bekomme, um welche Serie oder welchen Film es sich handelt, und dann schreib‘ ich drauflos.“ Eine Sicherheit, dass genau sein Stück dann genommen wird, hat Indetzki allerdings nicht: „Ich hab mal ein Stück für den Game of Thrones-Trailer geschrieben. Mein Stück wurde auch fast genommen, und dann hat es kurzfristig doch nicht geklappt.“ Demotiviert wird der 21-Jährige von solchen Momenten aber nicht: „Es ist nie für die Tonne, weil Musik ja nicht schimmelt und man sie immer noch mal wieder verwenden kann.“ Anfragen bekommt der Krefelder über verschiedene Musik-Labels, über Musik-Bibliotheken oder von seinen Supervisor, der in Los Angeles sitzt: „Der ist irgendwie auf meine Musik aufmerksam geworden und betreut mich jetzt.“ Die meisten Labels und Komponisten sitzen in L.A., was die Zusammenarbeit manchmal erschwere: „Richtig hektische Sachen sind manchmal aufgrund der Zeitverschiebung schwierig zu realisieren.“

„Wenn die Musik ruft, bin ich weg.“

Wenn Indetzki nächstes Jahr seine Ausbildung beendet hat, möchte er gern hauptsächlich Musik machen: „Wenn es so weitergeht wie im Moment, ist das realistisch. Das meiste Equipment habe ich mir ja bereits zusammengekauft.“ 25.000 Euro hat der Krefelder mittlerweile in seine Ausrüstung, die in seinem Jugendzimmer steht, investiert: „Ich habe mir jeden Monat Geld zur Seite gelegt, um mir Sachen kaufen zu können.“ Die meisten seiner Ziele hat Indetzki schon erreicht oder alles dafür getan, um sie verwirklichen zu können. Ein heimliches Ziel des Jungkomponisten ist, seine Musik einmal in einem Marvel-Trailer zu hören: „Ich arbeite bereits mit den richtigen Leuten zusammen. Jetzt ist es nur noch eine Frage der richtigen Zeit und der richtigen Musik“, sagt Amadeus Indetzki und verabschiedet uns zufrieden aus seiner „Kommandozentrale“ in Krefeld. Wir werden sicher noch von ihm hören.