Die Plattenteller drehen sich wieder

 

Die bis Anfang der 1970er Geborenen können sich bestimmt noch erinnern, wie sie als Jugendliche nachmittags im Plattenladen gestanden haben, um sich die neueste Scheibe ihrer Band zu kaufen – egal ob Britpop, Heavy oder Punk. Ein Leben ohne Schallplatten war für die meisten von uns damals undenkbar. Das änderte sich rapide, als Mitte der 80er die kleinen silbrigen CDs aufkamen, die Musik nun viel präziser und kostengünstiger abspielen konnten. Ein paar Jahre später schien das Schicksal der aus dem Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC) bestehenden Tonträger dann endgültig besiegelt. Wurden in Deutschland 1990 noch knapp 45 Millionen Schallplatten verkauft, sank diese Zahl innerhalb von vier Jahren auf magere 700.000, während der CD-Absatz explosionsartig auf über 160 Millionen Stück anstieg. Die Schallplatte war tot.

Nein! Völlig tot war die Vinyl-Platte auch in ihren schwärzesten Zeiten nie. Dümpelten die Verkaufszahlen lange Zeit auch auf niedrigem Niveau herum, so blieb die gute alte Schallplatte in ihrer Nische doch immer irgendwie am Leben. Musikenthusiasten bestimmter Sparten, wie zum Beispiel Jazz, liebten es weiterhin, ihre Musik vom Plattenteller zu hören. Dazu kam die kleine, aber wichtige, DJ-Szene, die lange Zeit weiter auf Vinyl schwor. Als es dann mit den Schallplatten in den letzten Jahren plötzlich wieder aufwärts ging, hat das trotzdem selbst viele Experten verwundert. Inzwischen ist die Schallplatte wieder eine feste Größe auf dem Musikmarkt. „An manchen Tagen verkaufen wir sogar mehr Vinyl-Platten als CDs. Durch die digital verfügbare Musik hat ja auch die CD etwas an Bedeutung verloren“, erklärt Marc Gerhards, der im Krefelder Saturn-Markt für die Tonträger zuständig ist.

„Gekauft werden die Scheiben von Menschen über 50, die sich die Musik ihrer Jugend zurückholen wollen, aber genauso von 20-Jährigen, die Platten von Nirvana oder auch Neueres suchen.“

Vinyl-Experte Marc Gerhards und Saturn-Krefeld-Geschäftsführer Jörg Lütke Erdmann

„Aktuell sind bei Saturn an der Neusser Straße über 1.500 Alben auf Vinyl verfügbar – davon viele mit Rock- und Pop-Klassikern der 60er bis 80er Jahre: von Led Zeppelin über die Stones bis zu Sting sowie viel Rock’n‘Roll und Jazz der 50er. Dazu kommen viele Wiederveröffentlichungen, oder „Reissues“, von Platten, die eine Zeit lang nicht mehr produziert wurden. Sehr beliebt sind auch Vinyl-Boxen mit Musikkollektionen bekannter Interpreten. Dabei stimmt es nicht, dass auf Vinyl-Platten heute nur noch Musik von Bands jenseits des Rentenalters gepresst wird. Ein Gegenbeispiel ist das kürzlich erschienene Album „Stratospheria“ des Krefelder Labels „Tonzonen Records“, das auf CD und LP erschienen ist. „Gekauft werden die Scheiben von Menschen über 50, die sich die Musik ihrer Jugend zurückholen wollen, aber genauso von 20-Jährigen, die Platten von Nirvana oder auch Neueres suchen“, weiß Marc Gerhards. „Außerdem sind Vinyl-Alben heute keine Insellösung mehr. Oft findet man auf den Platten auch Downloadcodes zum Überspielen der Musik auf digitale Datenträger.“

Dabei geht es echten Vinyl-Enthusiasten natürlich nicht um die digitale Verfügbarkeit. „Auf Vinyl wird eher Musik gepresst, die man sich ganz bewusst und in Ruhe anhört – idealerweise bei einem Glas Rotwein – und eben nicht irgendwie nebenbei“, betont Gerhards, der hinzufügt; „Einen Plattenspieler kann man sich nicht gut ins Auto einbauen oder beim Joggen mitnehmen. Deshalb gibt es auf Schallplatte auch kaum Schlager oder kurzlebige Chart-Hits.“ Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – Musik vom Plattenspieler nicht immer und überall verfügbar ist, haben die gerillten Kunststoffscheiben ihre, inzwischen sogar wieder wachsende, Fangemeinde. Vinyl-Fans schwören auf die angenehm klingende, und räumlich tiefer wirkende, Unschärfe der Tonwiedergabe. Genau wie analoge Fotografie ist analoge Musik für viele eine Gegenbewegung zum allgegenwärtigen Digitalzeitalter. Eine Insel der Ruhe und Verlangsamung.

Zusammen mit den Vinyl-Scheiben haben logischerweise auch die dafür benötigten Abspielgeräte eine Renaissance erfahren. Deshalb ist parallel zum Vinyl-Revival auch die Nachfrage nach Plattenspielern wieder deutlich gestiegen. „Unser Angebot reicht von Einstiegsgeräten ab etwa 100 Euro bis zu High-End-Plattenspielern von bis zu tausend Euro“, so Saturn-Krefeld Geschäftsführer Jörg Lütke Erdmann. „Die Mittelklasse gibt es für 300 bis 500 Euro. Dabei liegen die Qualitätsunterschiede vor allem in den Gehäusematerialien der Federung und der Antriebsart. Enthusiasten lieben Klassiker wie den berühmten Technics 1210.“

Marc Gerhards, der im Krefelder Saturn-Markt für die Vinyl-Abteilung verantwortlich ist, arbeitet bereits seit 25 Jahren für das Unternehmen. Die Bedeutung, die Vinyl-Platten zu unserer Jugendzeit hatten, werden sie sicher nicht mehr bekommen“, erklärt der 45-Jährige. „Aber die Schallplatten-Renaissance ist auch kein kurzlebiger Hype. In unserer stark digitalisierten Welt gibt es zunehmend Menschen, die es lieben, etwas anfassen zu können. Auch meine Kinder sind immer fasziniert, wenn ich den Plattenspieler starte. Wir werden unser Vinyl-Angebot daher weiter ausbauen.“

 


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