Ein sonniger Aprilmorgen im Krefelder Norden. Fast, als hätte das Wetter geahnt, dass der heutige Tag für uns mit einem Open air-Termin beginnt, strahlt die Frühlingssonne nach mehreren Regentagen auf die taunassen Wiesen und Felder um den Heilmannshof. Hier sind wir mit Gabriele Rippel und Michael Adams verabredet. Die beiden gehören zu den und 240 Krefelder Mitgliedern des Vereins „Lebendige Erde“, der ein ganz besonderes Konzept von Erzeuger-Verbraucher-Beziehung verfolgt: Sie sind sogenannte „Ernteteilnehmer“ der Solidarischen Landwirtschaft.

 

Eine Gruppe motivierter Krefelder um Michael Adams rief den Verein vor rund zwei Jahren ins Leben. „Wir wollten die Landwirtschaft mit den Verbrauchern zusammenbringen. Der Marktgedanke, dem ein Großteil der
Erzeuger heute gerecht werden muss, passt eigentlich überhaupt nicht zum Konzept des nachhaltigen Anbaus“, erklärt der Vorsitzende der Krefelder „Solawi“, während er uns zwischen Haupt- und Geschäftsgebäude des Heilmannshofs hindurch zum Depot der Ernteteilnehmer führt. In einem Schuppen auf der Rückseite des Hofladens befinden sich dutzende Kisten voll frischen Gemüses, eine große Abwiege-Station und eine Schiefertafel, auf der die Anteilsmengen der aktuellen Woche angeschrieben sind. Heute stehen Mangold, Kartoffeln, Asia-Rauke, Radieschen, Feldsalat und Porree auf dem Plan.

Wer bei der Solidarischen Landwirtschaft mitmacht, „abonniert“ je einen halben oder ganzen Ernteanteil. „Mit einem ganzen Ernteanteil kann man um die zwei bis drei Gerichte für einen Zweipersonenhaushalt kochen“, erzählt Gabriele Rippel, die als Depotleiterin dafür verantwortlich ist, wöchentlich die Ration der Ernteteilnehmer in Uerdingen abzuholen und im dortigen Lager zu hinterlegen. Insgesamt sieben Depots gibt es in Krefeld. Sie sollen dazu beitragen, dass nicht alle Mitglieder der Solawi lange Anfahrtswege mit dem Auto zurücklegen müssen. Neben der Frische
der Waren sind so auch der minimale ökologische Fußabdruck und der auf ein absolutes Minimum beschränkte Verpackungsmüll Vorteile der Solawi: Die Depotleiter verstauen ihre Rationen in wiederverwendbaren Gemüsekisten, und wer etwas im Depot abholt, muss für eine eigene Transportmöglichkeit sorgen. Eingeschweißt oder vorverpackt wird nichts. „Außerdem können wir bei der Solawi die geltenden Normierungen großer Supermärkte umgehen. Da wird ja alles weggeschmissen, was eine kleine Macke hat. Hier macht es nichts, wenn eine Gurke krumm ist. Solange ein Produkt genießbar ist, landet es auch nicht im Müll“, erklärt Michael Adams. Im Sommer fällt die Ernte üppiger aus als im Winter. Der Monatsbeitrag, den die Bauern erhalten, bleibt aber immer gleich – auch wenn es mal eine Missernte gibt. Auf diese Weise wird den Erzeugern nicht nur ihre Existenz gesichert, sondern auch dafür gesorgt, dass sie nachhaltigen, naturnahen Anbau ohne Zeitdruck betreiben können. Rechnet man den monatlichen Beitrag mit der bereitgestellten Menge an Produkten auf, liegen die Kosten ungefähr auf gleicher Höhe mit den regulären Gemüsepreisen im Bioladen. Wir schlendern weiter über den Hof, überqueren die Maria-Sohmann-Straße und stapfen durch saftiges hohes Gras zu den Gewächshäusern der Solawi.

Bauer Malte Wegner kümmert sich um
die Bestellung der Felder

Hinter den milchig-weißen Scheiben strahlen akkurat gepflanzte Reihen knackiger grüner und rötlicher Salatköpfe aus der dunklen Erde: Wie gemalt sehen sie aus, so kräftig leuchten ihre Blätter vor dem dunklen Untergrund. Was hier wächst, wird liebevoll von Hand gehegt, ohne Hilfe industrieller Düngemittel oder Pestizide. „Der geschmackliche Unterschied der Produkte ist wirklich stark, im Vergleich zu regulärem Supermarktgemüse“, findet Gabi Rippel. Als begeisterte Hobbyköchin verbringt sie viel Zeit in der Küche, um neue Rezepte auszuprobieren. „Man wird für die Produkte sensibilisiert, kocht automatisch gesünder und ist kreativ in der Küche. Durch meinen Ernteanteil habe ich angefangen, mich auch mit Lebensmitteln zu
beschäftigen, die ich eigentlich nie mochte. Früher zum Beispiel habe ich Grünkohl und Wirsing gehasst“, lacht die Rentnerin. „Ich kannte das nur als matschige Pampe von meiner Großmutter. Heute habe ich andere Zubereitungsweisen entdeckt und esse beide wahnsinnig gerne!“ Wer eine bestimmte Gemüse- oder Obstsorte partout nicht mag oder verträgt, habe aber auch die Möglichkeit, seinen Anteil mit anderen Vereinsmitgliedern zu tauschen. Die Rezepte ihrer „Solawi-Gerichte“ teilen Rippel und andere Küchenexperten über die interne „Gurkenpost“ mit dem Rest der Vereinsgemeinschaft. Das Prinzip des Gebens und Nehmens soll sich nicht nur auf Erzeuger und Ernteteilnehmer beschränken, sondern wird auch von den Mitgliedern untereinander berücksichtigt.

Die Sonne über uns wandert langsam weiter auf den Zenit zu – und wir wieder zurück zum Hof. Der Tau auf den Wiesen beginnt zu trocknen, und der leichte Nebel, der bei unserer Ankunft noch um die Gewächshäuser
waberte, ist verschwunden: Frühlingserwachen. Als sich unsere Gruppe auflöst, hat sich eine romantische Natursehnsucht eingestellt. Gabriele Rippel und Michael Adams nehmen ihre Portion Landlust in grünen robusten Gemüsekisten mit nach Hause.

 

Lebendige Erde Krefeld e.V.
Bismarckstraße 53, 47799 Krefeld
www.solawi-krefeld.de