Der Perspektivwechsel, den das Stadtmarketing 2015 eingeleitet hat, wird 2019 die Krefelder Baukultur in Augenschein nehmen – sehr passend im großen Bauhausjahr, in dem Krefeld auch mit seinen berühmten Mies van der Rohe-Bauten im Fokus der Öffentlichkeit steht. Eine der Aktionen, die zur Beschäftigung mit der Architektur einladen, ist der Treppenwitz: In sechs verschiedenen Krefelder Treppenhäusern wird der oft etwas stiefmütterlich behandelte Durchgangs- und Begegnungsort mit Humor und Witz belebt – und der sonst Hindurcheilende zum Innehalten aufgefordert.

 

„Wenn wir an Architektur denken, denken wir meistens an die äußere Erscheinung von Häusern, an das, was sichtbar ist, an Fassade oder Grundriss“, erklärt Ulrich Cloos vom Krefelder Stadtmarketing die Idee hinter dem Treppenwitz und fügt hinzu: „Dabei beginnt Architektur mit dem Inneren, mit dem tatsächlichen Wohnraum.“ Treppenhäuser spielen für diesen eine wichtige Rolle. Sie sind der Ort, den man täglich passiert, sei es auf dem Weg nach draußen, in die eigene Wohnung oder an seinen Arbeitsplatz, und dabei Nachbarn, Kollegen oder auch Fremden begegnet. Treppenhäuser übernehmen damit eine ganz wesentliche Funktion für das Gemeinschaftsleben, auch wenn uns chronisch Gestressten das oft gar nicht so bewusst ist.

Das Team vom Krefelder Stadtmarketing: Ulrich Cloos, Anika Kern und Claire Neidhardt mit Silvia Westenfelder
vom Improstudio Müllerschön (2. v. l.)

Den Charakter der Begegnungsstätte, den man auf- oder absteigend, schnell oder langsam, ankommend oder verlassend durchquert, interpretiert die Veranstaltungsreihe des Treppenwitzes nun als einen Ort des Verweilens – und des Lachens. In den Treppenhäusern des Landgerichts, des Eiermannbaus, des Kaiser Wilhelm Museums, des Rathauses, der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule und schließlich auf der Rolltreppe des Behnisch-Baus werden Comedians, Kabarettisten, Poetry-Slammer, Musiker und die Schauspieler des Improstudios Müllerschön an jeweils 12 Terminen vom 5. April bis zum 7. September zum neuen Blick auf das Treppenhaus einladen. Allen Darbietungen vorgeschaltet ist eine kurze Architekturführung.

„Die Treppenhäuser mussten sowohl architektonisch interessant und öffentlich zugänglich sein als auch eine gewisse gesellschaftliche Bedeutung für das Leben in Krefeld haben“, erläutert Cloos die Auswahlkriterien. Dennoch wird es auch Neues zu entdecken geben. Die Aula der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule etwa hat mit ihrer üppigen Bepflanzung den Charakter eines Gewächshauses oder eines botanischen Indoor-Gartens und ist sicherlich vielen Bürgerinnen und Bürgern noch nicht bekannt. Ein Treppenwitz in sich ist die Rolltreppe am Behnisch-Haus: Ursprünglich zur Verbindung zweier Ebenen eines Kaufhauses gedacht, das nie eröffnet wurde, ist die Rolltreppe bis heute weder in Betrieb genommen noch jemals für die Öffentlichkeit geöffnet worden und lediglich durch das Schulamt zugänglich. Sie wird den Schauspielern des Improvisationstheaters als Bühne dienen, die die Zuschauer von außen aufgestellten Liegestühlen aus betrachten. Silvia Westenfelder vom KRESCHTheater ist ebenso erfreut über die außergewöhnliche Gelegenheit wie auch gespannt auf das, was im Rahmen der Vorstellungen passieren wird: „Wir werden sicherlich mit den Höhenunterschieden und der zu überbrückenden Distanz spielen. Über die aufgebaute Tontechnik werden die Zuschauer außerdem die Möglichkeit haben, den Schauspielern etwas zuzurufen.“ Ein im „Auditorium“ platzierter Musiker wird als Bindeglied fungieren und die Darbietung begleiten.

An den anderen Orten wird ein buntes Potpourri aus einheimischen und Künstlern aus dem Umkreis auftreten: Christian Eisert, ehemaliger Gag-Autor von Harald Schmidt, hat sich unter anderem mit einigen literarischen Seitenhieben gegen die Seidenstadt für den Auftritt im Landgericht empfohlen. Klassische Stand-up Comedy präsentieren Thomas Schmidt, Katharina Schmidt, David Werker und Kristian Kokol im Eiermannbau, Fee Badenius und Tim Linde füllen das Kaiser Wilhelm Museum mit ihren Liedern, den Poetry Slam im Rathaus moderieren Johannes Floehr und Björn Gögge, Radiomoderator und Kabarettist Stefan Verhasselt beschäftigt sich in der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule mit dem „Niederrheiner an und für sich“.
„Ironie in Potenz“, wie Cloos die heute gängige Bedeutung des Begriffs Treppenwitz übersetzt, ist die Veranstaltungsreihe mit diesem hochklassigen Programm und dem außergewöhnlichen Rahmen ganz sicher nicht. Auf dem Französischen „l’esprit d’escalier“ basierend, bezeichnete der „Treppenwitz“ entgegen seiner heute verbreiteten Verwendung aber eigentlich noch etwas ganz anderes, nämlich den Gedanken, der einem zu spät, also erst beim Betreten der Treppe, in den Sinn kommt. Ein Vorwurf, den man dem Stadtmarketing definitiv nicht machen kann, im Gegenteil: Im Bauhausjahr lag es mit der Idee einer Neuinszenierung der oft übersehenen Orte goldrichtig.

 

Krefelder Treppenwitz

5./6. April 2019, 19 Uhr: Lachen im Landgericht mit Christian Eisert
10./11. Mai 2019, 20 Uhr: Bewegendes Rolltreppentheater im Behnisch-Haus, Improstudio Müllerschön
21./22. Juni 2019, 19 Uhr: Comedy im Eiermannbau mit Thomas Schmidt, Katharina Schmidt, David Werker und Kristian Kokol
5./6. Juli 2019, 19 Uhr: Liederabend auf Niveau 1 im Kaiser Wilhelm Museum mit Fee Badenius und Tim Linde
9./10. August 2019, 19 Uhr: Wortwitz im Rathaus präsentiert von Johannes Floehr und Björn Gögge
6./7. September 2019, 19 Uhr: Feinsinniger Niederrhein-Humor in der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule mit Stefan Verhasselt

Eintritt: 15 Euro pro Veranstaltung. Aufgrund der begrenzten räumlichen Kapazitäten sind Interessierte dazu aufgefordert, sich vorab per E-Mail oder telefonisch anzumelden. Eine Ausnahme ist die Veranstaltung am Behnisch-Haus: Hier ist keine Anmeldung erforderlich, der Eintritt ist frei. E-Mail: bauhaus100@krefeld.de, Tel.: 02151/36601515