Die Mehrheit der Krefelder Ratsmitglieder ist männlich und „Ü 60“, der Frauenanteil im Stadtrat beträgt nur 33 Prozent. Das mag am historischen Rollenverständnis von Mann und Frau liegen, das auch im 21. Jahrhundert noch Strukturen in Gesellschaft und Politik zu bestimmen scheint. Genau hier tun sich Fragen auf: Wollen Männer heute wirklich keine Frauen in den von ihnen vielleicht nur traditionell angestammten Feldern zulassen? Haben Frauen wirklich weniger Interesse oder Zeit für die politische Arbeit, weil ihr Alltag sich um „Kinder – Küche – Karriere“ dreht? Die Volkshochschule und die Gleichstellungsstelle der Stadt Krefeld gehen diesen Fragen im Gesprächsabend „Krefelder Frauen in die Politik“ nach. Ziel ist es, Frauen zu motivieren, mit ihren spezifischen weiblichen Sichtweisen die Kommunalpolitik zu bereichern.

„Nachdem wir Ende vergangenen Jahres ,100 Jahre Frauenwahlrecht‘ gefei- ert haben, gehen wir im Oktober einen sehr praktischen Schritt weiter“, betont Gleichstellungsbeauftragte Heike Hinsen. In VHS-Direktorin
Dr. Inge Röhnelt hat sie bereits seit vielen Jahren eine Mitstreiterin im Engagement für die Gleichberechtigung. Gemeinsam und stetig sensibilisieren sie Krefelderinnen und Krefelder für Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Umgang mit Alleinerziehenden und existenzsichernde Einkommen für Frauen. Vor allem durch die Basisarbeit des Fachbereichs von Heike Hinsen gelingt es, Bürgerinnen in Not zu helfen, Frauen zu bestärken, Führungsverantwortung zu übernehmen, Kooperationen mit Partnern wie der Agentur für Arbeit zu pflegen sowie wirkungsvolle Netzwerke aufzubauen und zu führen. „Besonders stolz macht uns die landes- und bundesweite Anerkennung unseres „Netzwerks gegen häusliche Gewalt“, berichtet die Krefelder Gleichstellungsbeauftragte.

Frauen in die Politik

Sie machen sich gemeinsam für Gleichberechtigung stark (v.l.): VHS-Direktorin Dr. Inge Röhnelt und die Krefelder Gleichstellungsbeauftragte Heike Hinsen

„WENN WIR PARLAMENTARISCHE DEMOKRATIE ERNST NEHMEN, DANN SOLLTE ES IM INTERESSE ALLER SEIN, UNSERE HETEROGENE BEVÖLKERUNGSSTRUKTUR AUCH IN POLITISCHEN GREMIEN ABZUBILDEN.“

Dennoch gilt es in Krefeld, über die Themenbereiche „Frauen“ und „Soziales“ hinaus weitere wichtige Politikfelder zu beackern, in denen bislang das weibliche Geschlecht unterrepräsentiert ist. Das wollen VHS und Gleichstellungsstelle mit der Kick-off-Veranstaltung „Krefelder Frauen in die Politik“ langfristig ändern. Heike Hinsen erläutert den Ansatz: „Damit für eine möglichst breite Masse akzeptable politische Entscheidungen getroffen werden können, erfordert die Themenvielfalt in einer Stadtgesellschaft eine Diskussion aus verschiedenen Blickwinkeln heraus – eben auch aus der Sicht von Frauen. Das betrifft vor allem die Ressorts Bau, Sport, Finanzen, Umwelt/Energie.“ Beispielhaft greift die VHS-Direktorin das Thema Stadtplanung auf: „Der Planungsausschuss wird von Männern dominiert. Aber 50 Prozent unserer Gesellschaft sind Frauen, die zum Teil mit anderen Blickwinkeln durch die Stadt gehen und andere Schwerpunkte setzen würden. Es wäre daher schön, wenn sich mehr Frauen mit ihrer Perspektive in solchen Ausschüssen einbringen würden.“ Auch im Hinblick auf die Kommunalwahlen im kommenden Jahr sei es jetzt an der Zeit, mehr weiblichen Politiknachwuchs zu aktivieren.

Gesprächsabend für Frauen, die in Krefeld etwas bewegen möchten

Der Gesprächsabend in der VHS richtet sich an politikinteressierte Frauen, die in ihrem direkten Umfeld etwas bewegen möchten. Heike Hinsen konkretisiert das: „Es gibt verschiedenste Missstände, die Frauen privat beschäftigen: im Stadtteil, im Verein, im Beruf. Wir möchten erreichen, dass diese Themen aus der privaten Grauzone ins öffentliche Licht gerückt werden und zum Beispiel in die Bezirksvertretungen gelangen. Genau dabei kann die Politik helfen.“ Die VHS-Direktorin und die Gleichstellungsbeauftragte haben übrigens festgestellt, dass die aktiven Krefelder Politiker weiblichem Nachwuchs sehr aufgeschlossen gegenüberstehen. Gründe sind zum einen die landesweite Politikverdrossenheit, aber vor allem auch eine veränderte Sichtweise auf die Rolle der Frau. Elternzeit ist für junge Männer eine Option und Hausarbeit für sie kein Tabu mehr. Jetzt gilt es nur noch, traditionelle Rollenmuster in der Politik aufzubrechen und Antworten auf die Frage zu finden, was sich ändern muss, damit mehr Frauen in der Krefelder Kommunalpolitik vertreten sind. Wird das erreicht, kann sich dies positiv auf die Akzeptanz der Politik in der Bevölkerung auswirken.

Zum Auftakt des Abends „Krefelder Frauen in die Politik“ referiert Dr. Elke Wiechmann, Akademische Oberrätin des Lehrstuhls „Politik und Verwaltung“ an der Fernuniversität Hagen, über die Repräsentanz von Frauen in deutschen Parlamenten. Danach schließt sich eine Podiumsdiskussion an. Teilnehmen werden die Fraktionsvorsitzenden der drei großen Krefelder Parteien, Benedikt Winzen (SPD), Philibert Reuters (CDU) und Heidi Mat- thias (Grüne). Auch zugesagt haben die langjährige CDU-Ratsfrau Stefanie Neukirchner und Björna Althoff, Akteurin der Krefelder „Fridays-for-future“-Bewegung. Alle Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, sich mit persönlichen Erfahrungen, Meinungen und Fragen an der Diskussion zu beteiligen und sich inspirieren zu lassen.

„Wenn es uns an dem Abend gelingt, Frauen für ein lokalpolitisches Mitmachen zu begeistern, werden die Volkshochschule und die Gleichstellungsstelle im Frühjahr nächsten Jahres Workshops zu weiteren Themen anbieten, um ihnen das entsprechende Rüstzeug für den Einstieg in die Politik zu vermitteln“, verspricht Inge Röhnelt. Die Gleichstellungsbeauftragte fügt hinzu: „Wir sind uns auch ganz sicher, dass bei allen Krefelder Fraktionen die Türen für interessierte Frauen offenstehen.“ Und wenn es danach sukzessive gelingt, Anforderungen weiblicher Sichtweisen in die Realpolitik zu überführen, wird das für Krefeld ein Schritt in das gleichberechtigte Miteinander des 21. Jahrhunderts sein.

Kurzvortrag und Podiumsdiskussion „Krefelder Frauen in die Politik“ Donnerstag, 10. Oktober, 19-20.30 Uhr, VHS Krefeld, Von-der-Leyen-Platz 2, Muchesaal (Kostenbeitrag € 6,-)

Eine Anmeldung ist erforderlich unter 02151-3660-2664 oder vhs@krefeld.de