Die Geburt eines Kindes ist ein kleines Wunder. Alle Eltern erinnern sich noch genau an die ersten wichtigen Momente im Krankenhaus: das eigene Kind zum ersten Mal im Arm zu halten, sich voll der Zukunft als Fürsorger und Erzieher bewusst zu werden, die Ehrfurcht vor diesem kleinen neuen Menschen, dem noch ein ganzes Leben bevorsteht. Doch nicht alle dürfen diese Zukunft mit ihrem Kind erleben. Sie verlieren ihr Baby, bevor es seine Augen aufschlagen kann, um sie anzusehen. Wenn ein Kind tot zur Welt kommt oder kurz nach der Geburt verstirbt, befinden sich alle Beteiligten in einem Ausnahmezustand. Etwas, woran die wenigsten jetzt denken, ist, die Erinnerung festzuhalten. Die Erinnerung an ein geliebtes kleines Geschöpf, die mit den Jahren immer mehr verblassen wird. Wer diesen schlimmen Abschied erleben muss, hat die Gelegenheit, sich von einem professionellen Sternenkindfotografen begleiten zu lassen.

 

Oft sind es kleine Details, die die Eltern gerne in Erinnerung behalten möchten.

Daniela Fennema ist hauptberuflich selbstständige Management-Assistentin, Eltern-Kind-Beraterin und Social Media-Managerin. Ehrenamtlich unterstützt die Mutter einer kleinen Tochter seit vier Jahren das Kinderhospiz STUPS. Vor zwei Jahren schloss sie sich dem Verein „Dein Sternenkind e.V.“ an. Dieser vermittelt Säuglingseltern in der Situation des Verlustes Fotografen, die die Erinnerung an das verstorbene Kind fotografisch festhalten. Auf das Thema aufmerksam wurde sie durch den Verlust eines befreundeten Paares, das ein Bild des verstorbenen Kindes auf Facebook teilte. „Ich habe mich damit stark auseinandergesetzt. Zuerst hat mich diese Offenheit stutzig gemacht. Aber dann habe ich verstanden, wie wichtig dieser Schritt für die Eltern war. Und dass es ihr gutes Recht ist, sich öffentlich zu ihrem Kind zu bekennen“, erzählt sie. Anknüpfend an diese Begebenheit baute die Krefelderin ihre Kenntnisse in Fotografie aus und bewarb sich für eine ehrenamtliche Stelle als Fotografin bei Dein Sternenkind e.V.

 

Den Moment einfangen: Die Fotografen von Dein Sternenkind e.V.

Daniela Fennema gehört zu rund 600 Fotografen in ganz Deutschland, die seit dem Start des Vereins bereits mehr als 5.500 Elternpaare beim Abschiednehmen unterstützen konnten. „Wenn ein Einsatz angefragt wird, erhalten alle Fotografen aus einem bestimmten Radius die Informationen über eine spezielle App. Wer die Möglichkeit hat, den Auftrag anzunehmen, kann das direkt über die App zurückmelden. Manche Anfragen kommen bereits frühzeitig, andere sehr spontan“, erklärt sie. Viele Krankenhäuser sind bereits über die Existenz des Vereins informiert und bieten den betroffenen Eltern die Option einer fotografischen Begleitung an.

„Die Ruhe ist ganz wichtig. Denn die Eltern möchten erzählen. Und dann müssen wir noch klären, wie sie ihr Sternchen gerne in Erinnerung behalten möchten.“

Sobald sie einen Auftrag annimmt, wartet Daniela Fennema auf das Signal, sich auf den Weg zu machen. Sie packt ihre Kameratasche und eine stoffbezogene Box mit verschiedenen kleinen Kleidungsstücken, Stofftieren und Talismanen in ihr Auto und macht sich auf den Weg zum Krankenhaus. Dort wird sie von den zuständigen Schwestern zu den Eltern geführt. „Wenn ich den Eltern begegne, stelle ich mich kurz vor, verschaffe mir einen ersten Eindruck. Ich frage dann zunächst nach, ob sie die Bilder noch immer gerne machen möchten. Manchmal entscheiden sie sich wieder um, weil sie den Moment doch lieber allein verbringen möchten. Dann gehe ich wieder. Wenn ich bleibe, bitte ich darum, das Kind begrüßen zu dürfen. Mir ist es sehr wichtig, auch auf das Kind aktiv zuzugehen. Meist fangen die Eltern dann schon an, mir ein wenig von ihrem Baby zu erzählen. In diesen Momenten merkt man immer wieder, wie stolz Eltern auf ihre Kinder sind. Und dass es ihnen hilft, über ihr Baby zu sprechen“, schildert sie. An zeitliche Begrenzungen sind ihre Aufenthalte bei den Eltern und dem Sternenkind nicht gebunden. „Die Ruhe ist ganz wichtig. Denn die Eltern möchten erzählen. Und dann müssen wir noch klären, wie sie ihr Sternchen gerne in Erinnerung behalten möchten.“ Wie genau die Erinnerungsbilder am Ende aussehen, ist unterschiedlich. Einige Eltern möchten gemeinsam mit ihrem Kind abgebildet werden, anderen ist die Erinnerung an Details wichtiger: die kleinen Finger, die Füßchen, die Gesichtszüge. Jede Erinnerung ist erlaubt. Um das Baby – wenn gewünscht – angezogen ablichten zu können, verfügt Ela Fennema über eine Auswahl angemessener Kleidungsstücke und spezieller Strampelanzüge. Viele davon sind winzig, kleiner als die Handfläche eines Erwachsenen – von ehrenamtlichen Näherinnen speziell für Frühchen angefertigt.

Die eigens für Frühchen genähten Anzüge aus weichem Stoff sind kaum so groß wie die Hand eines erwachsenen Menschen

Nach der Begegnung mit den Eltern nimmt Ela sich Zeit, das Erlebte auch selbst zu verarbeiten. Auch nach mehreren Jahren in der ehrenamtlichen Sterbebetreuung ist jeder Todesfall ein intensives und tiefgehendes Erlebnis für die Krefelderin. „Die Trauer der Eltern nehme ich mit, auch weil ich selbst Mutter bin. Ich erlaube mir, das Gesehene und Erlebte sacken zu lassen“, erzählt sie ruhig. „Ich glaube nicht, dass irgendeiner von uns jemals dagegen abstumpft.“#

Zwei kleine Engelchen: Eines behalten die Eltern, während das andere mit dem Sternenkind beigesetzt wird

 

Warum ein Bild so wichtig ist

 

Wann und ob sie diese Bilder zum ersten Mal ansehen möchten, entscheiden die Eltern zu einem späteren Zeitpunkt. Solange verwahrt Ela die Bilder. „Sobald die Eltern bereit sind, kontaktieren sie mich. Ich bringe die Bilder dann entweder persönlich vorbei oder schicke sie ihnen postalisch zu“, erklärt sie.

Daniela Fennema ist ehrenamtliche Sternenkindfotografin

„Leider kritisieren viele Leute die Entscheidung, die Sternchen zu fotografieren. Ich finde das nicht richtig. Denn es hilft den Eltern so sehr. Alle Eltern haben Bilder ihrer Kinder. Warum sollten nicht auch Eltern verstorbener Kinder diese haben und zeigen dürfen?“ Ein Bild kann als Zeugnis für die Existenz des Kindes stehen und dient als Erinnerung ans Elternsein. Es hilft den Betroffenen, die Trauer über den Tod, aber auch die Freude über die Existenz ihres Kindes mit anderen zu teilen. Schlussendlich sind Fotos eine Manifestation des kleinen Menschen als Familienmitglied und helfen während der Trauerarbeit, Erinnerung und Gefühl zu verknüpfen. Im Endeffekt besteht die Möglichkeit, sich gegen die Bilder zu entscheiden auch dann noch, wenn sie schon gemacht wurden. Sobald ein Elternpaar sich entscheidet, die Bilder nicht mehr zu wollen, besteht die Option, sämtliche Sicherungskopien vom Verein verbindlich löschen zu lassen.

Das Schicksal des frühen Verlustes bleibt den meisten Eltern vorenthalten. Dennoch kommen in Deutschland jedes Jahr rund 2.500 Kinder tot zur Welt; mehr als 20.000 Säuglinge sterben kurz nach ihrer Geburt. Während unseres Gesprächs erwartet Ela einen neuen Anruf. Vor wenigen Tagen erreichte sie die Nachricht, dass bald eine stille Entbindung in einem Krefelder Krankenhaus eingeleitet wird. Ein weiteres Sternenkind, dessen Erinnerung sie festhalten wird.

 


Weitere Informationen:

Der Verein: Dein Sternenkind e.V. bietet Eltern, die ein Kind verloren haben, die kostenlose fotografische Begleitung durch einen Fotografen an.

Warum „Dein Sternenkind“? Als Sternenkinder bezeichnet man Babys, die entweder schon vor der Geburt oder kurz danach sterben. Der Ausdruck bezieht sich auf den Gedanken, dass die Kinder bereits im Himmel – bei den Sternen – sind, ehe sie richtig das Licht der Welt erblicken konnten.

Die Kontaktaufnahme zum Verein: Die Kontaktaufnahme zu „Dein Sternenkind“ kann sowohl durch die Eltern selbst als auch durch das Krankenhauspersonal erfolgen. Auf der Internetseite www.dein-sternenkind.eu gibt werden verschiedene Kontaktmöglichkeiten gelistet.